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BUDAPEST/ Erkel-Theater: FLAMES OF PARIS – Ballettpremiere aus dem Erkel Theater im stream

08.02.2021 | Ballett/Tanz

BUDAPEST

06.02.2021.: FLAMES OF PARIS. – Ballettpremiere aus dem Erkel Theater im stream

 

Flames Of Paris Anna Krupp Gergő Ármin Balázsi
Anna Krupp (Mireille) und Gergő Ármin Balázsi (Antoine) bei ihrem Divertissement auf dem Hofball. Copyright: Attila Nagy

Zusätzlich zum Gratis-Angebot an Vorstellungen auf facebook hat die Budapester Oper im Jänner zusätzlich ein neues Stream-Service gestartet. Die Aufführungen aus dem Erkel Theater oder den Eiffel Art Studios werden mit neuestem technischem Equipment aufgenommen und können am Vorstellungsabend bequem von daheim über vorab zu zahlende Tickets angeschaut werden. Das Angebot umfasst aktuellen Premieren und Produktionen, die regulär zu sehen wären – gäbe es nicht die Pandemie. An jedem Samstag wird nun gestreamt, der link dazu ist allerdings nur während der angegebenen Vorstellungsdauer aktiv. (Informationen: www.opera.hu bzw. https://www.opera.hu/en/operalive/program/opera-otthonra/). Begonnen wurde mit „The Fairy Queen“ (Henry Purcell), gefolgt vom Ballett „A Streetcar named Desire“ (Choreografie: Marianna Venekei; Musik: László Dés), Wolfgang Amadeus Mozarts´ „Die Entführung aus dem Serail“ (eine neue Produktion von Miklós H. Vecsei)  sowie die beiden ungarischen Opern „Tante Simona“ von Ernst von Dohnányi und „Le Luthier de Crémone“ von Jenő Hubay.

Geplant sind in dieser neuen Kultur vermittelnden Schiene weiters Aufführungen der Weltpremiere von „The Master and Margarita“ eines Opern-Musicals von Levente Gyöngyösi (13.2.), „Don Carlo“ von Giuseppe Verdi (20.2.) und Jake Heggie´s Oper „Dead Man Walking“ (27.2.).   

Flames Of Paris 5
Erfolgreicher Sturm der Aufständischen im Palais des Tuileries. Copyright: Attila Nagy

Begonnen wurde die Februar-Serie mit der Ballettpremiere „Die Flammen von Paris“.  Dieses Ballett von Vasily Vainonen wurde seit mehr als 40 Jahren nicht mehr in Budapest gezeigt und kam nun in einer Choreografie von Michael Messerer nach Vainonen zur Aufführung.  Von Vasili Ivanovich Vainonen (1901 – 1964) ist vor allem noch seine Version vom „Nussknacker“ international bekannt.  Vainonen arbeitete für das Kirov-Ballett und brachte dem Stil der damaligen Zeit entsprechend dramatische Sovjet-Ballette heraus, die heroische Themen zum Inhalt hatten. Mit der herbeigeführten Analogie von französischer Revolution und russischer Revolution wurden  „Flammen von Paris“ ein Paradebeispiel dafür. 1932 in Leningrad uraufgeführt, stammt die Musik von Boris Asafyev, der nicht nur Kompositionen von Lully einbaute, sondern sich auch an Melodien der französischen Revolution orientierte wie der Marseillaise. Das Libretto schufen Nicolay Volkov und Vladimir Dmitrijev als Adaption eines Werks von Felix Gras.

Die Handlung des dreiaktigen Stückes erzählt von Philippe, der aus Marseille kommend, mit seinen Gefährten nach Paris unterwegs ist. Auf dem Weg dorthin stößt er auf Gaspard und dessen Kinder Jeanne und Pierre. Während der Vater vom Marquis Costa de Beauregard und seinen Männern drangsaliert wird und Jeanne sich mutig dazwischen wirft, lassen die Schergen erst von Gaspard ab, als die Marseillaise ertönt. Erfreut über seine Rettung, schließt sich Gaspard mit Jeanne und Pierre freudig den Revolutionären an. Jeanne und Philippe verlieben sich sofort ineinander. In der Zwischenzeit feiert König Louis XVI. mit seiner Gemahlin Marie Antoinette ein prunkvolles Fest im Palais des Tuileries. Zur Unterhaltung der Gesellschaft führen Schauspielerin Mireille und ihr Partner Antoine eine Einlage auf. Da stürzt der Marquis herein, warnt vor den sich nähernden aufständischen Scharen und so unterzeichnet der König ein Dekret um Russland um militärische Hilfe zu ersuchen. Die Hofgesellschaft zieht sich zurück. Als Antoine das Geheimpapier entdeckt, wird er vom Marquis erschossen – Mireille kann das Dokument an sich nehmen und flieht zu den mittlerweile eingetroffenen Revolutionären, darunter Philippe und Jeanne sowie viele andere, wie auch Thérèse. Als die Aufständischen von diesem Treuebruch des Königs erfahren, stürmen sie empört das Schloss. Der Marquis wird gefangen genommen, die tapfere Thérèse erschossen. Der Sieg der Revolution über das königliche Establishment wird gefeiert und Philippe und Jeanne heiraten.  

Michael Messerer entstaubt die Original-Choreografie, aber bewahrt das ursprüngliche Feuer der Begeisterung und den Enthusiasmus für den Kampf um Freiheit. Untypisch für ein Ballett ist auch der Einsatz des Chores, der u.a. die Marseillaise intoniert. Zusätzlich zum klassischen Tanz finden sich hier auch Elemente des Charaktertanzes. Bekannt ist hier der finale Pas de deux von Philippe und Jeanne, der oftmals bei Ballettgalaabenden gezeigt wird. Um die Standesunterschiede zu skizzieren steht der höfische Tanz wie das Menuett im reizvollen Gegensatz zu den schwungvollen Tänzen des Volkes wie z.B. Carmagnole. Viel Emotionalität und bunte kompakte Massenszenen des Ensembles tragen viel zur Lebendigkeit des Stücks bei. Die monumentale Kulisse schuf Oleg Molchanov nach den originalen Entwürfen von Vyacheslav Okunev; die wunderschönen historisierenden Kostüme stammen von Nóra Rományi. Das Orchester der ungarischen Staatsoper (Leitung: Balázs Kocsár) spielte mit viel Animo.

Flames Of Paris Tatiana Melnik Gergely Leblanc
Tatiana Melnik (Jeanne) und Gergely Leblanc (Philippe) beim finalen Hochzeits-Pas de deux. Copyright: Attila Nagy

Gergely Leblanc ist nicht nur ein mitreissender und charismatischer Anführer der Revolutionäre, technisch hervorragend brilliert er mit vielen Piouretten und schönen hohen und raumgreifenden Sprüngen. Ihm zur Seite gefällt Tatiana Melnik außerordentlich gut als Jeanne durch  ihre souveräne Leichtigkeit im Tanz und darstellerische Strahlkraft. Anna Krupp als Schauspielerin Mireille de Poitiers ist ebenso präsent wie Sofia Ivanova-Skoblikova als mutige Thérèse. Auch Gergő Ármin Balázsi überzeugt als Schauspieler Antoine Mistral. Entzückend im Divertissement am Hofball zeigt sich Yourim Lee als Amor.  Der ehemalige Solotänzer im Wiener Staatsballett Dumitru Taran, der jetzt im Ungarischen Nationalballett als Halbsolist engagiert ist, erfreute mit seinem Auftritt gemeinsam mit Balázs Majoros als junge baskische Männer, die sich dem Freiheitskampf ebenfalls angeschlossen haben. Das Corps de ballet tanzt dynamisch und mit viel Leidenschaft. Ein sehenswerter Ballettabend, bei dem die tänzerische Finesse und die Emotionalität des Freiheits-Themas  auch im stream gut nachvollziehbar waren.

Ira Werbowsky

 

 

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