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BUDAPEST/ Erkel-Theater: „COPPÉLIA“. – getanztes Gedenken an einen der bedeutendsten ungarischen Choreografen

13.10.2024 | Ballett/Performance

12.10.2924: „COPPÉLIA“.getanztes Gedenken an einen der bedeutendsten ungarischen Choreografen

Anlässlich des 50. Todestages von Gyula Harangozó (1908 – 1974) wurde eines seiner choreografischen Meisterwerke wieder – leider nur für fünf Vorstellungen – ins Programm des Ungarischen Nationalballetts aufgenommen: „Coppélia“, 1953 in Budapest im Erkel Theater uraufgeführt, ist ein feines Kleinod ungarischer Ballettgeschichte. Die aktuelle Wiederaufnahme in der Budapester Staatsoper wurde sorgsam und umsichtig von Gyula Harangozó Jr. einstudiert, unterstützt durch Blanka Fajth und Levente Bajári.

Basierend auf der 1816 veröffentlichten Erzählung von E.T.A. Hoffmann (1776 – 1822) „Der Sandmann“ geht es hier im dreiaktigen Ballett „Coppélia“ darum, dass Franz der schönen Unbekannten Avancen macht, obwohl er mit Swanilda verlobt ist. Zunächst von Zorn gegen die vermeintliche Nebenbuhlerin erfüllt, dringt sie in deren Haus ein – und entdeckt, dass  es sich bei Coppélia nur um eine mechanische Puppe handelt. Mit der Hilfe des Puppenmachers Coppélius öffnet sie Franz (der sich ebenfalls heimlich Zutritt ins Haus verschafft hat) die Augen über Coppélias Identität. Enttäuscht von der Leichtfertigkeit ihres Freundes eilt sie jedoch davon, erst beim Tanzwettbewerb zur Feier der Glockenweihe wendet sich alles zum Guten, denn Franz bittet Swanilda um Verzeihung und dem Happy-End steht damit nichts mehr im Weg.

Gyula Harangozó war zu seiner Zeit nicht nur als Charaktertänzer bekannt und beliebt, sondern er zählt auch zu den bedeutendsten ungarischen Choreografen des vorigen Jahrhunderts. Er war auch viele Jahre lang Direktor des Ungarischen Nationalballetts. In seiner Version von „Coppélia“ verbindet er in einer dicht ineinander verwobenen Einheit Pantomime, Charaktertanz und klassisches Ballett.

Das pittoreske Lokalkolorit einer grenznahen galizischen Kleinstadt der k. und k. Zeit ist vortrefflich getroffen im Bühnensetting von Attila Csikós nach den Originalentwürfen von Zoltán Fülöp; die farbenprächtiger Kostüme stammen von Rita Velich nach dem Originaldesign von Tivadar Márk.

Die verwendete Musik von Léo Delibes (1836 – 1891) in der Bearbeitung von Jenő Kenessey umfasst mitreißende bis romantisch-zarte Melodien, auch ein feuriger Csárdás ist enthalten.

In der zweiten Vorstellung der Aufführungsserie debütierte Maria Yakovleva als Swanilda. Mit mädchenhaftem Charme, intensivem ausdrucksstarkem Spiel und technisch-tänzerischer Finesse überzeugt sie von Beginn an. Voll anmutigem Liebreiz ist sie zutiefst gekränkt angesichts der scheinbaren Untreue ihres Verlobten und kämpft dennoch energisch, um ihren Liebsten zurückzuerobern. Maria Yakovleva ist eine wunderbare Tänzerin, die hier durch Charisma und exquisite Technik brilliert. 

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Ein strahlendes Liebespaar: Maria Yakovleva als Swanilda und Louis Scrivener als Franz; ©Attila Nagy / Hungarian State Opera 

Louis Scrivener macht als Franz ebenfalls tänzerisch wie darstellerisch gute Figur. Er meistert bei seinem Debut die technischen Herausforderungen und die schwierigen Hebefiguren mit Bravour und begeistert als fescher Verlobter von Swanilda, der sich allerdings in die schöne Unbekannte verguckt, die unbeeindruckt vom Geschehen rund um sie lesend am Erkerfenster sitzt. 

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András Szegő als wunderlicher Puppenmacher Coppélius; ©Attila Nagy / Hungarian State Opera 

András Szegő ist als skurriler Coppélius ein liebenswerter Kauz, der das Herz am rechten Fleck hat und Swanilda unterstützt, ihr Liebesglück zurück zu erlangen. Als Charakterrolle hat er dennoch viel zu tanzen und beeindruckt so das Publikum. In der Titelrolle der Coppélia gefällt Soobin Lee durch exakten Bewegungsductus als graziös tanzende mechanische Puppe.

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Soobin Lee als Puppe Coppélia ©Attila Nagy / Hungarian State Opera 

Auch die kleinen und kleinsten Nebenrollen sind hier mit viel Liebe zum Detail ausgearbeitet und bilden somit durch deren vorzügliche Besetzung wichtige Puzzlesteinchen zum unterhaltsamen Gesamtbild. Dazu zählen neben den Charakterrollen vom bürgerlichen Volk vor allem die tanzenden Partien wie der ungarische Sergeant (Iurii Kekalo), das polnische Mädchen (Kristina Starostina) und ihr Verlobter (Kóbor Demeter). Das Corps de ballet tanzte mit viel Esprit und sorgte so für eine schwungvoll dargebotene Aufführung.

Viel Beifall gab es nicht nur für alle Tanzenden, allen voran das Hauptpaar Maria Yakovleva und Louis Scrivener sowie für András Szegő, sondern ebenfalls für Maestro David Coleman, unter dessen Leitung das Orchester mit viel Einfühlungsvermögen und feiner Akzentuierung gespielt hat. Ein sehr vergnüglicher Ballettabend!

Ira Werbowsky

 

 

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