Der tote Don Juan wird betrauert: Ryosuke Morimoto umringt von den Frauengestalten. © Valter Berecz / Ungarische Staatsoper
Budapest/ Eiffel Arts Studios – Miklós Bánffy Stage
06.03.2021: “DON JUAN”. – Ungarisches Nationalballett tanzt Premiere im Stream
Als Teil des Programmangebots des Ungarischen Nationalballetts im Stream wird erstmals eine Choreografie von Thierry Malandain aufgeführt.
Die Uraufführung des Ballets “Don Juan” fand 1761 am Wiener Kärntnertor Theater statt und bildete einen wichtigen Meilenstein in der Ballettgeschichte, da sich durch die szenischen Inhalte in tänzerischer Umsetzung in der Choreografie von Gasparo Angiolini der Weg zum Handlungsballett eröffnete. Musikalisch gesehen weist diese Komposition von Christoph Willibald Gluck zur Wiener Klassik.
Der Franzose Thierry Malandain war zunächst Tänzer bevor er sich der Choreografie zuwandte. Sein unkonventioneller Zugang macht ihn zu einem interessanten Vertreter aktueller kreativ Schaffender. Bekannt sind von ihm u,.a. “Casse Noisette”. Don Juan entstand 2006 und war bereits 2014 im Wiener Staatsballett als Premiere gemeinsam mit “Mozart à 2” – ebenfalls von Malandain – in der Volksoper zu sehen. Nun wurde sein Werk vom Ungarischen Nationalballett erarbeitet (Einstudierung: Giuseppe Chiavaro). Das altbekannte Thema – basierend auf einer Komödie von Molière – handelt von einem Lebemann im 16. Jahrhundert in Spanien, der reihenweise Frauen verführt und letztlich in der Hölle landet. Malandain setzt sein einaktiges knapp einstündiges Stück mit einem Bezug zur damaligen Epoche mittels karger Ausstattung ins zeitlose Jetzt. Don Juan wird von 3 Tänzern verkörpert, dazu gesellt sich der Tod sowie der steinerne Komtur (Commander), der den reuelosen Don Juan in die Hölle zieht. Die von ihm verführten Frauen sind in insgesamt 13 Figuren – 7 Tänzerinnen und 5 Tänzer – vervielfältigt. Auf der schwarzen Bühne bilden 8 rechtwinkelig-gleichschenkelige dreieckige Tische die beweglichen Elemente, um szenisch in der Szene den Raum zu gliedern. Basierend auf klassischem Ballet hat Malandain seinen Stil weiterentwickelt, es gibt viele Körperwellen, wellenartige Armbegwegunen, Füße in flex wie point gehalten. Getanzt wird von allen, auch den Tänzerinnen, in Schläppchen. Das Setting der Bühne sowie die Kostüme hat Jorge Gallardo entworfen; das Beleuchtungskonzept stammt von Christian Grossard. Die Tische werden wie selbstverständlich als Requisiten in die fließenden Bewegungsformen einbezogen. Sie werden dabei wie beiläufig umgestellt, umgelegt, neu angeordnet; es wird auf ihnen, um sie herum, unter den Tischbeinen hindurch getanzt.
Don Juan und eines seiner Verführungsopfer: Ryosuke Morimoto mit Yuki Wakabayashi. © Valter Berecz / Ungarische Staatsoper
Beginnend mit Don Juans Tod, rollt die szenische Abfolge im Rückblick ab. Alle Frauengestalten sind in Schwarz gekleidet, auf dem Fest haben sie dann weiße fließende Kleider an und in den Verführungssszenen tragen die Tänzerinnen apricotfarbene Unterkleidchen. In der Hölle ist flammendes Rot die Farbe der Kleider und die Bühne ist in ebensolches Licht getaucht. Erinnern die Gewänder der Tänzerinnen durch Korsage und jeweils einen langen Ärmel mit Volant an das 16. Jahrhundert, so ist Don Juans Kostüm ebenfalls stilistisch an die Entstehungszeit angelehnt mit (nougatfarbener) Kniebundhose und einem (roten) offen getragenen Gehrock bei nacktem Oberkörper. Der Komtur vermittelt durch den hellgrauen hoch geschlossenen Gehrock mit ebensolcher Kniehose die steinerne Figur des erzürnten Vaters der verführten Elvira.
Folgenschwere Begegnung: Gergő Ármin Balázsi als Don Juan (auf dem Tisch) und Maksym Kovtun als Comtur (in der Mitte mit dem Rücken zum Publikum). © Valter Berecz / Ungarische Staatsoper
Present und dennoch fließend in den Auftritten ineinander übergehend gestalten Gergely Leblanc, Ryosuke Morimoto und Gergő Ármin Balázsi die Hauptrolle mit männlicher Dominanz. Der monumental bedrohliche Commander (Komtur) wird von Maksym Kovtun verkörpert, Théo Bourg ist der unausweichliche Tod.
Kornél Thomas leitet das Ungarische Staatsopernorchester mit präziser Umsicht.
Um dem Ensemble die entsprechende Reverenz zu erweisen, wurde wie bereits zuletzt bei der Premiere von “Flames of Paris” der Beifall für die finale Verbeugung dazu geschnitten. Zum Schlussapplaus kamen vom Leading Team auch Répétiteur Giuseppe Chiavaro und Choreograf Thierry Malandain auf die Bühne.
Ira Werbowsky
Gergely Leblanc als Don Juan auf dem Weg in die Hölle. © Valter Berecz / Ungarische Staatsoper
Nachtrag: In Ungarn war dieser Ballettabend unter dem Titel “Crème brûlée” in einem eigenen Stream als Kombination mit dem schon länger im Repertoire befindlichen Stück “Cacti” (in einer Wiedergabe der Aufzeichnung vom 11. September 2020) von Alexander Ekman zu sehen
Ira Werbowsky