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BUDAPEST/ Eiffel Arts Studios: „CON-TACT(S)”. – 3 zeitgenössische Choreografen – 3 spannende Piecen 

09.11.2021 | Ballett/Performance

Budapest: Eiffel Art Studios – Eiffel Mühelyház:

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Eiffel Art Studios – Blick in die Halle mit der berühmten Lokomotive MÁV 327.141. Foto: Valter Berecz

30.10.2021 : „CON-TACT(S)”.3 zeitgenössische Choreografen – 3 spannende Piecen 

Während die ungarische Staatsoper noch immer wegen Renovierungsarbeiten geschlossen ist und daher vor allem das Erkel Theater stattdessen bespielt wird, hat man bereits vorab nach Ersatzlocations gesucht – und ist mit dem 22.000 m2 umfassenden ehemaligen Reperaturkomplex der Nordbahn in der Köbányai út fündig geworden. Es umfasst 5 Hallen, die 1884 – 1886 erbaut wurden. In den Eiffel-Hallen konnten damals gleichzeitig 96 Dampfloks repariert werden. Dieses Gelände wurde von der Staatsoper angekauft und in den letzten Jahren adaptiert. So gibt es hier nun die Sándor Hevesi-Probebühne mit den Maßen der Staatsopernbühne, das Ferenc Fricsay-Studio für Aufnahmen sowie die Produktionswerkstätten, die alle Ausstattungen, Kostüme und Requisiten enthält. Weiters gibt es eine Gedenkhalle für János Feketeházy, den Konstrukteur dieser Hallen und der eisernen Dachkonstruktion des ungarischen Operngebäudes sowie ein Besucher- und ein Schulungszentrum. In der nach Graf Miklós Bánffy von Losoncz benannten Halle ist ein Theaterraum für 500 Personen entstanden, in dem die aktuelle Produktion des Ungarischen Nationalballetts aufgeführt wird. Hier gibt es auch ein Buffet und man kann im Speisewagen der berühmten ungarischen Lokomotive MAV 327.141 (1912) sitzen und das Ambiente genießen. Im Außengelände ist die No. 006 “Biatorbágy” Dampflokomotive der 301 Serie zu sehen.  

In der Halle mit der Miklós Bánffy Bühne ist in der eingezogenen oberen Etage eine Ausstellung berühmter ungarischer Ausstatter zu besichtigen mit Zeichnungen, Figurinen, Kostümen und Fotos. Eigentlich sollte diese neue Spielstätte bereits 2020 eröffnet werden, die Eröffnungsfeierlichkeiten erfolgten aber wegen der Pandemie erst jetzt am 25.Oktober anlässlich des World Opera Days. Mit einem Gala-Abend unter dem Motto „Rebirth-Day“ waren die Sparten Oper und Ballett vertreten. Das Programm umfasste u.a. die Ouvertüre zu „König Stephan“ von Ludwig van Beethoven, den ungarischen Tanz aus „Schwanensee“ von Pjotr I. Tschaikowski, „Whirling“ von András Lukacs, den 2. Akt aus „La Bohéme“ von Giacomo Puccini sowie „Budavari Te Deum“ von Zoltán Kodály.

Im vergangenen Jahr wurden diese Räumlichkeiten aber bereits für mehr als 100 gestreamte Vorstellungen genützt, um dem Publikum zumindest virtuelle Aufführungsbesuche zu ermöglichen während die Theater geschlossen sein mussten.

Mit der Produktion „CON-TACT(S)“ gelangen hier drei Piecen von zeitgenössischen Choreografen zur Aufführung (Premiere war am 29.10.).

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Ensemble in „Bedroom Folk”: Foto: Attila Nagy

Den Beginn macht „Chroma“ von Wayne McGregor, das er 2006 für das Royal Ballet geschaffen hat, dessen Resident Choreographer er ist. Der aus dem griechischen stammende Begriff bedeutet „Farbe“ und meint hier die Buntheit, die als Farbwirkung relativ im Kontrastverhältnis zu Weiß steht. Daher tragen die Tänzer Spaghettiträger-Leibchen und Slips in Hautfarbtönen und heben sich damit vom umgebenden Weiß der Bühne ab (Ausstattung: John Pawson, Kostüme: Moritz Junge, Licht: Lucy Carter). Zur Musik von Joby Talbot und Jack White III bewegen sich die 4 Tänzerinnen und 6 Tänzer mit ungeheurer körperlicher Flexibilität und gleichzeitiger großer Körperspannung im dynamischen Fluss – nur ein kurzes Mittelstück ist etwas ruhiger angelegt. Es scheint als wären alle Grenzen vorgegeben durch das Knochengerüst aufgehoben, denn das Ensemble besticht mit unwahrscheinlicher Biegsamkeit in seiner immensen Beweglichkeit.  

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Ensemble in Action in „Episode 31“. Foto: Attila Nagy

Wurde schon hier den Tänzern körperlich einiges abverlangt, so gestaltet sich „Bedroom Folk“ von Sharon Eyal als intensives work out. Die israelische Choreografin – zuvor Tänzerin in der Bathseva Dance Company – begann 2008 damit Stücke zu kreieren. 2015 für das Nederlands Dans Theatre geschaffen, ist dieses Werk seit 2018 im Repertoire des Ungarischen National Balletts und passt sich hier perfekt als Wiederaufnahme in diesen dreiteiligen Ballettabend ein. Als kompakter Pulk von vier Tänzerinnen und vier Tänzern beginnend, kristallisieren sich nach und nach Individuen heraus, werden Formationen aufgelöst und verändert, wird permanent der hämmernde Beat von den Tänzerkörpern aufgenommen und in oft nur minimalistische Bewegungen wie kleine Schrittchen im hohen Ballenstand hochaktiv und temporeich umgesetzt. (Co-Creator: Gai Behar, Sound Artist und Musik: Ori Lichtik, Licht: Thierry Dreyfus, Kostüme: Rebecca Hytting).

Den Abschluss des Abends bildet „Episode 31“ von Alexander Ekman. Waren schon die beiden vorhergehenden Stücke sehr bewegungsaktiv, so pulsieren hier Tanz und Aktion als packender Energie-Schub.  Ursprünglich für die Abschlussklasse der Juillard School von 2011 geschaffen, ist dieses Stück in einer Version für das Ungarische Nationalballett seit 2019 im hiesigen Repertoire. Insgesamt 30 Tänzerinnen und Tänzer füllen die Bühne und Vorbühne, erinnern mit ihren in Schwarz–Weiß gehaltenen Kostümen und Maske an das Stummfilm-Genre – das Set Design stammt ebenfalls von Alexander Ekman. (Kostüm und Maske: Luke Simcock, Licht: Nicole Pearce). Vor dem pulsierenden, lebendigen und durch und durch energiereichem Werk wurde ein Video eingespielt, in dem die Tänzer von ihren ersten Erfahrungen mit der ungewöhnlichen Bewegungsart von Ekman berichten und die Truppe bei Flashmob-artigen Auftritten in der Stadt Budapest für Aufsehen sorgten: auf Plätzen und Straßen, in Parks und sogar in der U-Bahn wurden die Reaktionen der Passanten getestet – von Erstaunen über Begeisterung war alles zu erleben und sorgt auch beim Publikum im Saal für Erheiterung. Zu einem Potpourrie an Kompositionen von Mikael Karlsson, Eric Satie und Ane Brun ist von Stepptanz bis Jazz, von Contemporary bis Einsatz von Sprache alles in einem pulsierenden Ganzen vorhanden. Inmitten des 30köpfigen Ensembles ragen hier Francesco Sardella und Dávid Molnár mit ihrem Pas de deux heraus.

Das Ungarische Nationalballett hat sich bestens präsentiert – großer Enthusiasmus für das Gesehene im Zuschauerraum und langanhaltender Applaus nach allen Piecen!

 

Ira Werbowsky

 

 

 

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