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BRÜSSEL/La Monnaie: GÖTTERDÄMMERNG  -Premiere am 4. Februar 2025

07.02.2025 | Oper international

BRÜSSEL/La Monnaie: GÖTTERDÄMMERNG  -Premiere am 4. Februar 2025

Beeindruckender Abschluss des Brüsseler „Ring“

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Copyright: Monika Rittershaus

Die Neuinszenierung des „Ring des Nibelungen“ am Théâtre de la Monnaie Brüssel wurde bekanntlich nach der „Walküre“ abgebrochen. Der Regisseur, Romeo Castellucci, hatte wohl etwas zu anspruchsvolle Vorstellungen in Bezug auf die theatralisch und wahrscheinlich damit verbundenen finanziellen Herausforderungen für seine Sicht der Tetralogie von Richard Wagner gestellt. Man machte aus der Not eine Tugend und engagierte Pierre Audi, den Intendanten des Festival d’Aix-en-Provence und der bereits 1998 mit einer exzellenten „Ring“-Inszenierung in Amsterdam von sich reden gemacht hatte, die zum 200. Geburtstag des Komponisten 2013 wieder aufgenommen wurde.

Er hatte am de Munt bereits den „Siegfried“ inszeniert, und nun gab es die „Götterdämmerung“. Sie bestach vor allem durch ihre beeindruckende Optik mit einem kubistisch-abstrakten Bühnenbild von Michel Simon auf einer Drehbühne. Dabei faszinierte besonders die farbliche Intensität und Variation der Szenen, die sich mit der Rotation immer wieder fast unmerklich, aber dramaturgisch sinnhaft veränderten, sowie die Beleuchtung von Valerio Tiberi.  Hervorzuheben sind auch die eleganten, zu diesem Abstraktivismus bestens passenden Kostüme von Petra Reinhardt, die an die Kostümästhetik von Marianne Glittenberg erinnerten und so zu einem stets sehr harmonischen optischen Gesamteindruck führten. Der Chor de la Monnaie wurde ganz in Schwarz fast statisch gezeigt, wie dunkle Kreuzritter mit Spitzenkapuzen, alle im Gleichschritt und damit sehr ausdrucksstark. So machte der Chor auch einen sehr mystischen Eindruck, wie überhaupt zu sagen ist, dass trotz des geometrisch-abstrakten Bühnenbildkonzepts der dem „Ring“ innewohnende Mythos stets gewahrt wurde. Einfach, aber äußerst effektiv waren zwei große goldene Seitenwände, die sich immer wieder unmerklich im Raum bewegten und damit fließende Szenenübergänge sowie das Auftreten und Verschwinden von Figuren ermöglichten. Man merkte in jedem Moment, dass ein Regisseur mit großer Theaterpranke am Werk war!

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Copyright: Monika Rittershaus

Auch sängerisch war es ein sehr guter Abend. Siegfried war Bryan Register mit seinem Rollendsebut, der den Siegfried mit einem kraftvollen heldischen Tenor sang, absolut höhensicher. Selbst das hohe C im 3. Aufzug gelangt bestens. Auch darstellerisch lieferte Register eine eindrucksvolle Leistung. Er ist also ein hoffnungsvoller neuer Siegfried am „Ring“-Firmament, zumindest für die „Götterdämmerung“. Brünnhilde war Ingela Bimberg, die schon 2017 am Theater an der Wien in der wenig überzeugenden Gürbaca-Kurzfassung des „Ring“ („aus der zweiten Generation“) die Brünnhilde gesungen hatte und die ich später in Köln interviewen konnte. Sie sang die Rolle, trotz eines grippalen Infekts, den sie aber gut übertünchen konnte, mit sehr viel Stamina ihres klangvollen und dramatischen Soprans, stabil auch in den Höhen. Sie interpretierte eine emotional einnehmende Brünnhilde. Außerdem sieht sie sehr gut aus. Die beiden passten also hervorragend zusammen als das zentrale Paar.

Scott Hendricks war in seiner kurzen Szene ein intensiver Alberich. Annett Fritsch gab eine stimmlich sehr gut agierende Gutrune, in inzestuöser Beziehung zu ihrem Bruder Gunther, oft schon so gesehen. Andrew Foster-Williams erfüllte als Gunther ebenso wie sie alle vokalen Erwartungen. Die beiden wurden von Anfang an als das große Loser-Paar bei einem äußerst stark gezeichneten Hagen von Ain Anger charakterisiert, der hier wirklich einmal die „Götterdämmerung“ dominierte, wie es auch in der Musik immer wieder zum Ausdruck kommt. Im Finale eilte er, von der Ring-Gier besessen, oberkörperfrei über die Bühne, fast wie im Schattenspiel als dunkle bis zum bitteren Ende bedrohliche Figur, bevor ihn die Rheintöchter dann überwältigen konnten. Den Hagen hat Pierre Audi damit einmal ganz anders als sonst und sehr dramatisch gezeigt, eine große persönliche Leistung von Ain Anger aus dem Wiener Staatsopern-Ensemble.

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Copyright: Monika Rittershaus

Man muss einmal ganz besonders hervorheben, dass das Nornen-Terzett hier perfekt besetzt war, und zwar mit Marwic Monreal mit einer Altstimme als Erster Norn, Iris van Wijnen mit einem Mezzosopran als Zweiter und Katie Lowe mit einem sehr klangvollen Sopran als Dritter Norn. Tamara Banješevič als Woglinde, Jelena Kordič als Wellgunde und Christel Loetzsch als Flosshilde sangen auf ebenso hohem Niveau die Rheintöchter. Der von Pim Veulings nicht nur eindrucksvoll choreografierte sondern auch äußerst stark singende Chor wurde von Emmanuel Trenque geleitet.

Schon im Brüsseler „Tristan“ und „Parsifal“ vor einigen Jahren fiel mir GMD Alain Altinoglu als kompetenter Wagner-Dirigent auf. Was er an diesem Abend aus dem Symphonieorchester des Théâtre de la Monnaie herausholte, war außergewöhnlich und von einem äußerst intensiven, emotionalen Engagement am Pult geprägt. Somit gelang diese „Götterdämmerung“ auch musikalisch wie aus einem Guss mit einem auf höchstem Niveau spielenden Orchester unter einem emphatischen Dirigenten. 

Abschließend ein paar Worte zu den Videos von Chris Kondek, die die drei Auftakt-Akkorde des Prologs dominieren. Zu sehen ist eine Schulklasse von kleinen Kindern, die an verschiedenen Elementen des „Ring“ basteln, also sich dem Werk auf kindlich naive Weise nähern, auch wenn das hier gar nicht zur Musik passt. Das war auch im „Siegfried“ schon so zu sehen. Dahinter steht Pierre Audis Ansicht, dass wir in unserem ganzen Leben im Grunde Kinder bleiben, die Tetralogie aber nicht nur ein intellektuelles, sondern auch ein emotionales Bühnenwerk ist. Durch kindlich naive Assoziation sollte also im Prinzip der Zugang auch einem nicht so Wagner-affinen Publikum erleichtert werden. Ein etwas fragwürdiger Ansatz, zumal wenn man Wagners musikalische Aussagen in diesen Momenten bedenkt. Es wirkte jedenfalls ohne Lesen des Programmaufsatzes mit dem Dramaturgen Klaus Bertisch nicht ohne Weiteres nachvollziehbar.

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Copyright: Monika Rittershaus

Dennoch war diese „Götterdämmerung“ ein großartiger und würdiger Abschluss des in Brüssel trotz zweier Regisseure sehr gelungenen „Ring des Nibelungen“ (woanders hatte man schon vier!), der nun mit dem Intendantenwechsel wohl leider nicht mehr in Brüssel gespielt werden wird. Umso mehr stellt sich die Frage, ob man ihn nicht weitergeben kann an ein anderes großes Haus, das derzeit keinen „Ring“ hat und in absehbarer Zeit sich auch keinen leisten kann. Es wäre ein Jammer, wenn diese Produktion schon so früh das Zeitliche segnen würde.                                                                                                                   

Klaus Billand

 

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