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BRÜNN/ verschiedene Spielorte: JANÁČEK BRNO FESTIVAL

13.11.2022 | Konzert/Liederabende

BRÜNN (verschiedene Spielorte): JANÁČEK BRNO FESTIVAL

vom 3.- 7.11. 2022

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Das Janáćek – Theater in Brünn gilt allgemein als die beste Oper in Tschechien. Alle zwei Jahre veranstaltet es zusätzlich zu seinem normalen Spielplan das JANÁČEK FESTIVAL, das hauptsächlich (aber nicht nur) dem berühmten Komponisten gewidmet ist, der zwar in dieser Stadt nicht geboren wurde, aber hier seine bekanntesten Werke geschaffen hat.

Für höchststehende künstlerische Qualität ist bei allen Veranstaltungen gebürgt, hiezu kommen noch die interessante Programmierung (die meisten Werke kennt man nicht oder kaum) und die faszinierenden Spielorte. Einer davon ist die Villa Löw-Beer, sozusagen die Vorgängervilla der weltberühmten modernistischen Villa Tugendhat. Sie ist im Gegensatz dazu zwar noch ziemlich konventionell (könnte genauso gut in Hietzing stehen), nichtsdestotrotz aber wunderschön. Ein weiterer Spielort ist die Reduta, in der schon der junge Mozart auftrat und die sich jetzt nach kommunistischer Verwahrlosung renoviert in zeitgenössisch flammenden Rot präsentiert (ähnlich wie unsere Redoutensäle nach dem Brand). Überwältigend prachtvoll das (von Fellner & Helmer als Deutsches Theater erbaute) Mahen-Theater. Nicht ganz so schön, aber hochinteressant das Kounikova-Stadium, der Konzertsaal der Sokol-Sportvereinigung, der Leos Janaček seine Sinfonietta gewidmet hat.

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Das Zemlinsky-Quartett. Foto: Janacek-Festival

In der Löw-Beer Villa präsentierte das exzellente Zemlinsky-Quartett Henryk Góreckis „Quasi una Fantasia“, Pyotr Ilitsch Tschaikowskys Streichquartett Nr.3 und Leos Janáčeks Quartett nach Leo Tolstois Kreutzersonate, wobei man sozusagen „lokalpatriotisch“ sagen muss, dass letzteres an diesem Nachmittag die Nase vorn hatte.

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Das Pavel Haas-Quartett. Foto: Janacek-Festival

Eine ähnliche Situation bot sich beim Konzert des phantastischen Pavel Haas Quartett im roten Reduta-Saal. Die zwei Streichquartette, jeweils mit der No.2, von Bedrich Smetana bzw. Sergej Prokofiev – beide selten gespielt, beide hochinteressant anzuhören. Es war aber dann doch Janáčeks Quartett für zwei Violinen, Viola und Violoncello, „Intime Briefe“ genannt (weil es die schmerzhafte Erfahrung seiner unglücklichen und unerfüllten Liebe zu Kamila Stösslova widerspiegelt, die einem letztendlich Herz zerriss.

Spannend, wenn auch nicht vollends überzeugend Janáčeks „Miniaturen“ in zeitgenössischen Arrangements von Miloš Štedron im Mahen-Theater.

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Das Prager Symphonische Orchester mit der Altistin Markéta Cukrová. Foto: Janacek-Festival

Der Abend mit dem Prager Symphonischen Orchester und dem Prager Symphonischen Chor wartete mit Leos Janáčeks „Das Kind des Geigers“ und dem etwas langweiligen Klavierkonzert Nr.4 von Anton Rubinstein auf. Völlig vom Sessel gerissen hat es uns hingegen bei Vladimir Sommers ( 1921 – 1997) „Vokalsymphonie“. Ein alle Dimensionen und Formen sprengendes Werk auf Texte von Franz Kafka, hin-und hergerissen zwischen depressivsten Instrumentalteilen und homerischen Gelächterorgien des Chors, das alles auf atemberaubende Weise dargeboten von Marko Ivanović (Dirigent), Ondrej Brousek (Rezitator) und Markéta Cukrová (Alt). Eine großartige Begegnung! Mit diesem Komponisten sollte man sich näher beschäftigen…

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Die unglückliche Olga Janacek. Foto: Janacek-Festival

Das Theaterprojekt „Der weinende Brunnen“ wiederum thematisierte das unglückliche und viel zu kurze Leben von Janáčeks Tochter Olga, leidenschaftlich dargeboten von Studentinnen des Brünner Konservatoriums.

Die grösste Enttäuschung des heurigen Festivalauftakts war dann überraschender- und bedauerlicherweise jene erste Opernpremiere, die eigentlich das Highlight des Festivals hätte darstellen sollen: die ungewöhnliche Kombination von Janáčeks „Aufzeichnungen aus einem Totenhaus“ und einer szenischen Fassung seiner „Glagolitischen Messe“. Musikalisch war unter der Leitung des aufstrebenden Dirigentenwunders Jakob Hrusa ( demnächst Chef in Covent Garden) alles wunderbar – aber was man auf der Bühne s a h, konnte nur permanentes und entsetztes Kopfschütteln auslösen. Vom Regisseur Jiří Herman hatte man hier zuletzt eine phänomenale Inszenierung von Bohuslav Martinus „Greek Passion“gesehen,  die trotz des Wortes „Passion“ im Titel keinerlei klerikale oder religiös-fanatische Züge aufwies (und völlig zu Recht für den begehrten International Opera Award nominiert worden ist). Was seither in ihn gefahren ist, bleibt ein Mysterium. Er hat sich offenbar nicht nur einen Bart wachsen lassen, sondern sich überhaupt gänzlich in einen fundamentalisch- katholischen Taliban verwandelt zu haben. Der ganze überlange Abend ist wie eine Karfreitagspassion inszeniert, wie ein Oratorium, statisch und frontal, katholisch und kitschig. Kreuze und Gekreuzigte, wohin das Auge blickt. Es dreht sich von Anfang bis zum bitteren Ende alles nur um Dschisas, aber auf eine zutiefst überwunden geglaubte Art und Weise. Gegen das, was einem hier zugemutet wurde, nimmt sich Oberammergau mittlerweile wie eine liberale und laizistische Philosemitenveranstaltung aus.

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Der Gekreuzigte. Foto: Janacek-Festival

Eine einzige Qual, nahezu körperlich unerträglich, selbst wenn man die Augen schloss.

Wir hoffen auf eine Rück-Bekehrung von Jiří Herman.

Robert Quitta, Brünn

 

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