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BRÜNN (Brno)/ Janacek-Theater: „KAFKA“. –  tänzerische Hommage an ein Literaturgenie. Uraufführung

25.10.2025 | Ballett/Performance

BRÜNN: Janáček-Theater 

24.10.2025: „KAFKA“. –  tänzerische Hommage an ein Literaturgenie

Mit Frank Kafka (1883 – 1924) steht einer der bedeutendsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts im Mittelpunkt einer Balletts-Uraufführung im Janáček Theater in Brno. Geboren in Prag und verstorben in einem Sanatorium in Kierling bei Klosterneuburg, war Franz Kafka zeitlebens in verschiedenen Spannungsfeldern gefangen. Da gab es den despotischen Vater, dessen Wort eisernes Gesetz war. Auf der Suche nach erfüllter Liebe kam es zu schicksalhaften Begegnungen mit Frauen wie mit Felice Bauer, mit der er zweimal verlobt war, aber die Verbindungen wieder abbrach oder mit Dora Diamant, die ihm in seinem letzten Lebensjahr, als er bereits schwer gezeichnet von seiner Tuberkuloseerkrankung war, aufopfernd zur Seite stand.  Geschätzt und gestützt wurde er von seinem Freundeskreis, darunter der spätere Philosoph Felix Weltsch und die angehenden Schriftsteller Oskar Baum und Franz Werfel. Durchs Leben getragen und begleitet wurde er von Max Brod, der wohl der wichtigste und engste Freund von Frank Kafka war. Brod bestärkte Kafka darin zu schreiben und ermunterte ihn auch, das Geschriebene zu publizieren. Da Kafka mit sich haderte und an der Qualität seiner Werke zweifelte, hatte er verfügt, dass sein Werk nach seinem Tod zu vernichten sei; zum Glück für die Nachwelt hielt sich Max Brod als sein Nachlassverwalter nicht an diese Anweisungen von Kafka. Viele Werke sind auch heute noch bestens bekannt, mit dem Begriff „kafkaesk“ verbindet man bedrohliche, absurde Situationen. 

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Arthur Abram als Kafka mit Ilia Mironov als seinem übermächtigen Vater; © Pavel Hejný

Choreografin Markéta Pimek Habalová hat hier ein ganz besonderes Regie-Konzept für das Ballett „Kafka“ entwickelt. Die eindringliche tänzerische Gestaltung erfolgt in der von der Choreografin erarbeiteten zeitgenössischen Bewegungssprache. Sie beschäftigt sich in ihrer Choreografie mit Episoden aus dem Leben von Franz Kafka: die Familie mit dem autoritären Vater, die Freundschaft mit Max Brod, die Beziehung zu Felice Bauer, die Arbeit in der Versicherungsgesellschaft sowie die Erkrankung und die Beziehung zu Dora Diamant werden hier skizziert. Indem sie Kafka als Mensch und Schriftsteller ins Zentrum stellt, wird aber nicht nur in Momente seines Lebens eingetaucht, sondern man taucht zugleich auch in die literarische Welt von Kafka ein, indem zwei seiner bekanntesten Werke in die einzelnen ineinander übergehenden Szenen eingewoben sind. Sehr gelungen daher auch der von ihr gewählte Einstieg in das zweiaktige Stück mit einer Pause, indem die Figur von Franz Kafka am Rand der Bühne sitzt, die Beine in den Orchestergraben hängend, sich zur Bühne wendet und den Vorhang hebt, um mitten in sein Leben einzusteigen – am Ende des Tanzstückes steigt er ebenso wieder heraus, senkt den Vorhang, setzt sich an den Bühnenrand, um sich dann in den Orchestergraben zu stürzen. Für die eingebauten literarischen Szenen gibt es jeweils einen lichtumrandeten großen Rahmen, durch den Kafka hindurch steigt und so zur jeweiligen Hauptfigur mutiert: als Gregor Samsa verwandelt er sich in ein Insekt und als Josef K. wird ihm der Prozess gemacht. Die beiden Einschübe werden von zwei weiteren Choreografen kreiert und so entsteht ein gemeinschaftliches Tanz-Produkt. Das Außergewöhnliche an dieser Produktion ist aber nicht nur die Einbindung zweier weiterer Choreografen, sondern auch die Tatsache, dass  generationenübergreifend zusätzlich zum Ballett des Brünner Nationaltheaters auch die Junior Compagnie NdB 2 und ältere Tänzer des Projektes NdB 3 hier gemeinsam auftreten. Barbora Raškova, die bereits viel für NdB 2 choreografiert hat, gestaltete „Die Verwandlung“ (im 1. Akt); Glen Lambrecht steuerte die tänzerische Umsetzung von „Der Prozess“ (im 2. Akt) bei.  

David Janošek entwarf als Set Designer die Bühnenausstattung, Pavel Knolle designte die Kostüme. Das Light Design stammte von Jakub Julinek. Als Einspielung fanden Kompositionen von Nils Frahm, Philip Glass, Max Richter, Caroline Shaw und Alfred Schnittke Verwendung (Musical Collaboration: Petr Duchalik). Ist der erste Teil dynamisch  und von rasender, spannungsgeladener Intensität, so wird es nach der Pause zwar im Tempo ruhiger, es bleibt aber dennoch thematisch dicht  und durchdrungen von der  Obsession Kafkas zu schreiben.  

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Arthur Abram als todkranker Kafka mit Rashmi Torrres als der in fürsorglich pflegenden Dora Diamant; © Pavel Hejný

Grandios Arthur Abram, der die Titelrolle verkörperte. Wie er seine inneren Kämpfe als Kafka miterleben ließ, unter dem übermächtigen Vater psychisch und physisch leidet, hin- und hergerissen ist in seinen Gefühlen für Felice und dennoch alles seinem Drang schreiben zu müssen untergeordnet ist, wurde von ihm mit starker körperlicher Ausdruckskraft glaubhaft dargestellt. João Gomes überzeugte als sein treuer Freund Max Brod, der ihn durch alle Lebenssituationen begleitet hat. Se Hyun An gefiel als ihn liebende Felice Bauer, Rashmi Torres beeindruckte als sich liebevoll um ihn, den Todkranken, kümmernde Dora Diamant. Auch die Familienmitglieder wurden treffend gezeichnet: Adéla Kulíšek zeigt als mitfühlende Schwester Otilie als einzige Verständnis für den hypersensiblen Kafka; Ilia Mironov ist der dominante Vater, Taela Paltridge die alles geschehen lassende Mutter, die ebenso wie die beiden Schwestern Valli (Aoibh Ni Riain Broin) und Elli (Petra Večeřová) nie helfend eingreifen. Berührend die Szene mit Hedvika Janičková als kleines Mädchen, das seine Puppe verloren hat.   

Das Publikum war sehr begeistert und spendete viel Beifall. Ira Werbowsky

 

 

 

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