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BRISBANE/ Opera Australia, Queensland Performing Arts Centre, Lyric Theatre: SIEGFRIED. Zweiter Haupt-Abend „Der Ring des Nibelungen“

05.12.2023 | Oper international

“Siegfried” – Premiere der Opera Australia, Queensland Performing Arts Centre, Lyric Theatre, Brisbane, 05. 12. 2023

Zweiter Abend des Opernzyklus “Der Ring des Nibelungen”; Text und Musik von Richard Wagner

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Stefan Vinke (Siegfried), Andreas Conrad (Mime). Foto: Wallis-Media/Opera Australia

 Regisseur und künstlerischer Gesamtleiter Chen Shi-Zheng hat ja schon Erfahrung in Großproduktionen, seit er 1999 eine klassische chinesische Oper namens „Der Pavillion der Pfingstrosen“ rund um den Globus präsentierte – ein gewaltiges, 18-stündiges Werk, das intern damals „The Ming Ring“ genannt wurde. Nach dem New Yorker Lincoln Center war es u. a. am Festival d’Automne/Paris, in Aarhus, bei den Wiener Festwochen, am Piccolo Teatro Milano, in Singapur und Perth zu sehen. Seine erste Wagner-Arbeit war ein „Fliegender Holländer“ beim Spoleto Festival USA. Neben Film und Sprechtheater betreute er regielich oder als Choreograph „Cosi Fan Tutte“ in Aix en Provence und Paris, „Dido and Aeneas“ und „Turandot“.

Auch heute sehen wir das Einleitungsbild mit dem Titel und den überlagerten „Übersetzungen“ am Vorhang, derweil das Queensland Symphony Orchestra mit flirrenden Streichern und fantastisch präzisem tiefem Blech das Angstszenario Mimes mit den Untertönen Fafners aufbaut. Die Werk- und Wohnstätte Nibelungensschmiedes stehen in der rechten Bühnenhälfte , die linke Hälfte ist leer – hier erfolgen die Auftritte Siegfrieds (mit Bär) und später des Wanderers. Im Hintergrund werden, analog zu den Plänen Mimes, auf den LED-Schirmen Netze gesponnen. Der Besuch des Wanderers ist szenisch eher einfach, aber klar in der dadurch ausgelösten Verunsicherung und Panik Mimes gestaltet. Als von Mime und später Siegfried am Schwert geschmiedet wird (nicht immer mit dem korrekten Metallklang – danke, Dr. Billand!), fahren vor dunklem Hintergrund Funken auf, und als Siegfried schließlich erfolgreich dran arbeitet, wird das Feuer noch von  Dancenorth Australia mit Fahnentänzen samt synchronisierter Steuerung des Funkenfluges mittels Bewegungssensoren unterstrichen. Der lachend dargebotene Freudensprung Siegfrieds, als ihm sein Ziehvater den Drachen „zum Fürchtenlernen“ anbietet, ist sehenswert!

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Fafner (Andrea Silvestrelli), Stefan Vinke (Siegfried). Foto: Wallis-Media/Opera Australia

Das Vorspiel zum zweiten Akt, wiederum bei geschlossenem Vorhang dargeboten, fällt womöglich noch perfekter aus als das zum ersten Akt. Die später zu hörenden gaaanz hohen und gaaanz leisen Violinen intonieren fast unwirklich sauber! Ist die Bühne beim Erwachen Alberichs noch schwarz, so führt man uns dann immer tiefer in den Wald: zuerst Blätter/grüne Punktwolken, mit ein paar anderen Farbtupfen dazwischen, dann treten immer deutlicher Baumstämme hervor (leider oft auch mit deutlich hörbarer Bühnentechnik), zwischen denen Alberich und der Wanderer ihren Streit ausfechten. Der von Mime vor der Drachenhöhle ausgesetzte Siegfried zelebriert seine Vogelstimmenversuche sehr unterhaltsam, natürlich mit perfekter Unterstützung aus dem Graben. Das Waldvögelein ist nur durch den (leider merklich verfärbenden) Lautsprecher zu hören; zu sehen ist es in Form eines als indonesische Tänzerin kostümierten Ballettmitgliedes, das auf komplexen Bahnen durch den Wald schaukelt, wohl auch mit computergestützer Seilführung. Als Siegfried sein Horn bläst, weichen die Baumstämme zurück und geben den Blick auf einen monströsen gelbäugigen Drachenkopf frei. Auch die Stimme Fafners kommt ausschließlich durch den Lautsprecher. Der Kampf selbst ist recht unspektakulär – im Vergleich zum sonstigen Szenario eigentlich enttäuschend. Das Folgende bleibt eher rätselhaft: es senkt sich ein bluttriefender Sack an einem Kranhaken vom Schnürboden herunter – der blutbesudelte Hort??

Der dritte Aufzug beginnt wieder gradlinig und klar mit der Erda-Szene und dem Aufeinanderprall Wanderer-Siegfried. Letzterer schafft es tatsächlich, den stählern glänzenden (war das gar kein Eschenholz, sondern vom Eisenholzbaum – Parrotia persica??) Speerschaft des Göttervaters zu brechen. Abgesehen von anfänglicher Ziellosigkeit Siegfrieds in seinem Streben nach dem Brünnhildenfelsen und dessen Bewohnerin, die nicht unbedingt wie die textlich beschriebene Verunsicherung imponiert, entspricht auch der Rest des Abends klar dem vom Verfasser intendierten Handlungs- und Emotionsverlauf mit der immer zwingender werdenden Annäherung des freien Helden und der gewesenen Walküre.

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Stefan Vinke (Siegfried), Celeste Lazarenko (Waldvogel). Foto: Wallis-Media/Opera Australia

Der Titelheld wird von Stefan Vinke als munterer pubertierender Hooligan eingeführt, der allmählich, staunend, auch andere Züge an sich entdeckt als ein fröhliches Rabaukentum. Diese sehenswerte schauspielerische Leistung wird aber locker überstrahlt von einer jugendlich-frischen Heldentenorstimme, die allenfalls gegen Ende leichte Ermüdung merken läßt – bei DEM Gesangspensum eher verzeihlich.

Lise Lindstrom als Brünnhilde ist ebenso gut in Form wie in der „Walküre“ – ihr Erwachen ist durch einen präzisest angesetzten Ton markiert, und ebenso präzise geht es bis zum jubelnden Finale sängerisch wie schauspielerisch weiter.

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Siegfried (Stefan Vinke), Lise Lindstrom (Brünnhilde). Foto: Wallis-Media/Opera Australia

Wanderer Daniel Sumegi zeigt – trotz oder wegen durchaus adäquater Lautstärke – zunehmend Überforderung und knickt stimmlich im dritten Aufzug nahezu komplett ein. Ob er sich bis zur zweiten Serie („Rheingold“ am 8. Dezember…) erholen kann?

Die  nach uraustralischen Vorbildern ausgestaltete Erda von Liane Keegan bietet – vor allem mit einem dramatischen Spitzenton gegen Ende ihres Auftauchens – zwar mehr als in ihrem „Rheingold“-Auftritt, aber die mystisch-dunkle Tiefe, mit der uns beispielsweise Bernadett Fodor daheim in Linz 2013 – 2015 beeindrucken konnte, fehlt ihr.

Andreas Conrad hat als Mime natürlich heute weit mehr Gelegenheit, seine Talente brillieren zu lassen als am Vorabend, und nutzt sie auch gründlich: sei es seine unglaublich modulationsfähige Führung der in allen Lautstärkestufen tragfähigen Stimme, sei es die perfekte Wortdeutlichkeit, sei es sein köstliches Spiel, von ängstlich bis abgefeimt, von liebevoll bis haßerfüllt – eine Musterinterpretation dieser Rolle! Sein Bruder Alberich ist bei Warwick Fyfe ebenso gut untergebracht, mit exzellenter Stimme, engagiertem Spiel und sehr guter Diktion.

Fafner (Andrea Silvestrelli) und Waldvögelein (Celeste Lazarenko) entziehen sich durch ihre vom Lautsprecher suboptimal übermittelten Auftritte einer fairen Bewertung.

Die Einstudierung und das Dirigat Philippe Auguins kann man nur bewundern – neben den schon weiter oben hervorgehobenen Momenten ist generell die Aufführung durch Klarheit, Transparenz, Spannung und erstklassiger Zusammenarbeit mit den Singstimmen geprägt. Die Tempi sind plausibel, musikalisch passend und jedenfalls auch für die Orchestermitglieder zu bewältigen.

Dementsprechend wieder großer Jubel im Publikum, besonders für Dirigent, Orchester, das Liebespaar und die Nibelungen, aber auch für das leading team. Und es bleibt uns noch die Vorfreude auf den letzten Abend am 7. Dezember…

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Schlussapplaus. Foto: Petra und Helmut Huber

Petra und Helmut Huber

 

 

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