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BREMEN/ Theater: ORPHEUS IN DER UNTERWELT. Premiere

29.10.2023 | Operette/Musical

Orpheus in der Unterwelt Premiere am 28.10.2023 im Theater Bremen

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Evert Bakker, Diana Schnürpel, Ian Spinetti. Foto_Jörg Landsberg

 

Am Theater Bremen inszeniert Regisseur Frank Hilbrich die Operette „Orpheus in der Unterwelt“ von Jacques Offenbach. Mit dem Blick eines Zolas und ebenso feinfühliger Feder holt er das Stück ins Hier und Jetzt und schreibt viele Texte neu. Er unternimmt nicht den Versuch seine eigenen Vorstellungen dem Publikum aufzuzwingen der lässt viel Raum für die eigene Analyse und so schafft er es, dass das Publikum selbsterkennend oft herzlich Lacht.

Im Orchestergraben werden noch die Instrumente gestimmt und das Orchester spielt sich ein, doch der Vorhang ist geöffnet und ein fast leerer Raum wird beherrscht von einem Fahrstuhl und grünen Vorhängen. Dieser Fahrstuhl wird den Himmel mit der Hölle verbinden, zwischen Ebene Erde. Volker Thiele hat es entworfen und es öffnet unaufdringlich die Räume. Aber neben dem Fahrstuhl ist ein Flügel auf der Bühne. Mehr noch, Eurydike, Diana Schnürpel, sitzt an diesem und schaut, gelangweilt und etwas genervt, desillusioniert ins Publikum. Das Orchester ist eingestimmt und Eurydike, die hier in der Inszenierung eine Sopranistin spielt, fängt an, die erste Arie der Königin der Nacht auf dem Klavier zu spielen und beginnt zu singen, bricht entnervt ab und sucht die nächsten Noten, der Hölle Rache und schraubt ihre ersten Koloraturen in die Höhe und bricht wieder ab, das Publikum ist amüsiert und dankt schon jetzt mit großem Applaus. Es folgt der Arie der Königin Schemacha von Rimski-Korsakow, bricht wieder ab. Sie beklagt sich über ihr unglückliches Leben mit dem Text der der Arie aus Orpheus von Gluck „Wär oh wär ich nie geboren, weh dass ich auf Erden bin“ und der Vorhang fällt.

Das Orchester, die Bremer Philharmonikern, setzt ein zu spielen unter der musikalischen Leitung von William Kelley. Ein Königspudel, tänzerisch hervorragend dargestellt von Evert Bakker, kriecht unter dem Vorhang vor und beäugt das Treiben im Graben, erschrocken zieht er sich immer wieder zurück. Der Vorhang öffnet sich und Juno, Jupiters Frau und Hüterin der Moral und Ehe betritt die Bühne. Es kann keine andere sein als Lilo Wanders, die durch den weiteren Abend führen wird, eine gekonnte Anspielung auf die auch heute herrschende Moral, ohne jemals billig oder vulgär zu werden.

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Kodama, Murgulia, Wanders, Engelhardt, Jader, Martin Gonzalez, Chor: Foto Jörg Landsberg

Eurydike ist wieder alleine auf der Erde in ihrem Musikzimmer. Es bricht bei ihr innerliche Unruhe aus, den Orpheus, Oliver Sewell, der örtliche Musiklehrer, kommt aus dem Fahrstuhl, seine Geliebte verbergend. Es beginnt das Spiel „Szenen einer Ehe“, gekonnt und spritzig. Das Paar geht ab. Der Fahrstuhl schellt und der Klavierstimmer Aristeus, Ian Spinetti, reitet auf den Königspudel heraus. Er setzt sich an den Flügel und Eurydike schleicht sich von hinten an und umarmt ihn, nein sie greift wieder in die Tasten. Eine Liebesszene ergibt sich und Aristeus beißt Eurydike in den Hals und gibt sich als Pluto zu erkennen. Eurydike muss sterben und sie schreibt auf Plutos Anweisung auf dem Flügeldeckel einen Abschiedsbrief. Das Paar verlässt die Erde mit Pudel im Fahrstuhl, der erneut schellt und Orpheus tritt vorsichtig heraus, seine nächste Nymphe hinterher. Erfreut liest er die Botschaft vom Flügeldeckel und will es mit seiner neuen Eroberung feiern, doch nun erscheint die Öffentlichen Meinung, im wahrsten Sinne des Wortes aufgeblasen und bringt ihn zur „Vernunft“. Die Figur der Öffentliche Meinung wird immer von einer unterschiedlichen Anzahl von Darstellern geprägt und Ulrike Mayer verleiht ihr überwiegend die Stimme.

Im Olymp herrscht Tristesse und Langeweile. Jupiters, Christian-Andreas Engelhardt, Herrschaftsanspruch beginnt bei der Götterschar, wie gut das man einen spielfreudigen und gut aufgelegten Opernchor hat, zu bröckeln. Das gelangweilte Treibe in sehr schönen und unterschiedlichen Kostümen von Regine Standfuss, wird durch die Ankunft von Pluto unterbrochen und gipfelt in Orpheus von der Öffentlichen Meinung getriebenen Verlangen seine doch nicht so geliebte Frau zurückzuholen. Jupiter bestraft Pluto, indem dieser Eurydike zurückgeben soll. Jupiter will in der Unterwelt nun auch nach den Rechten schauen und nimmt den hiervon begeisterten Göttern des Olymps mit.

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Diana Schnürpel, Karsten Küsters: Foto: Jörg Landsberg

Eurydike wird in der Unterwelt von John Stryx bewacht, Karsten Küsters, der sich gesanglich beeindruckend und spielerisch sehr witzig an seine großen Zeiten erinnert, wenn er mit „Als ich noch Prinz war von Arkadien“ dem Publikum einen Ohrwurm schenkt. Mit fast 80 Jahren eine mehr als bemerkenswerte Leistung. Jupiter, verschafft sich Zugang und gibt sich als Fliege aus. Ein durchaus amüsantes Duett. Gefolgt vom Höllengalopp und dem Bachus-Lied, in dem die Öffentliche Moral betrunken gemacht wird. Einer der beeindruckendsten Szenen ist der „stumme“ Can Can, in dem man ihn nur durch das rhythmische Tanzbewegungen aller beteiligten wahrnehmen kann, der dann in die Ekstase mit der musikalischen Begleitung übergeht. Nun versagt Orpheus, der widerwillig seine Frau retten muss, indem er sich umdreht, zu großen Freude seiner Frau Eurydike. Die Aufführung endet in einem berauschenden Can Can, der in einem ebenso großen anhaltenden und lauten Applaus mündete. Das Publikum spendete auch während der ganzen Aufführung viel Zwischenapplaus.

Ein sehr unterhaltsamer und gelungener Abend. Eine brilliante Vorstellung aller Beteiligten, in dem ich William Kelley besonders herausheben möchte, der mit viel Schwung den Graben mit der Bühne verband. Besonders beeindruckend, wie der die Klavierpartie in den Orchesterklang überführte. Zu eine gelungene Operette sind hier auch Lilo Wanders und der Königspudel zu zählen. Gesanglich hervorragend im bemerkenswerten Alter Karsten Küster und eine fulminante Diana Schnürpel mit einer Vielseitigkeit vom Gesang, Klavierbegleitung und Tanz.

Man sollte sich diese Operette nicht entgehen lassen.

 

Carl Osch, den 30.10.2023

 

 

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