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BREGENZERWALD – BESUCH BEIM SCHINDELMACHER

19.01.2013 | KRITIKEN, REISE und KULTUR

Bregenzerwald – Besuch beim Schindelmacher, 19.01.2013
von Ursula Wiegand

Liebhaber von Holzbauten fahren gerne durch den Bregenzerwald, gibt es die dort doch seit alters her in hoher Zahl. Viele sind fein renoviert, andere stehen leer, denn ein Neubau ist mitunter billiger als die Sanierung. Doch ein Holzhaus zu errichten, ist wieder im Trend.
Wer macht diese schönen Schindelfassaden und Schindeldächer? Zum Beispiel der Schindelerzeuger Willi Rietzler, und die Wünsche der Kunden kennt er genau..


Willi Rietzler mit dem Schindelmusterbrett. Foto: Ursula Wiegand

„Neuerdings sind Schindeln aus Weißtanne beliebt,“ schmunzelt er. „Die halten nicht so lange wie die aus Lärchenholz, haben aber kein Harz und schimmern deswegen so hübsch silbrig. Das mögen die Besitzer,“ lacht der 64-Jährige.
Zumeist verwendet Rietzler Bergfichtenholz, gewachsen in 1300-1400 m Höhe und im Winter geschlägert. Sommerholz enthält zuviel Wachs. Solche Schindeln werden schnell schwarz und sind weniger haltbar.


Willi Rietzlers Elternhaus. Foto: Ursula Wiegand

„Je kürzer die Tage, umso besser das Holz, und Mondholz ist das allerbeste, geschlägert bei untergehendem und abnehmendem Mond sowie bei Neumond,“ summiert er. Die Jahresringe liegen dann dicht bei dicht, das bürgt für Qualität.
Um sie nicht zu beschädigen, wird das Holz gespalten, nicht geschnitten. Das tut er im Freien vor seinem Elternhaus. Mit Beil und Messer entfernt er alle Astlöcher, und nun ab damit in die Werkstatt.


Willi Rietzler beim Schindelschneiden. Foto: Ursula Wiegand

Er tritt auf den Schalter, und gleich rattern die Spalt- und die Hobelmaschine los. Es sind urige, 30 Jahre alte Spezialanfertigungen. Klar, zuerst wird geschnitten.


Willi Rietzler beim Hobelvorgang. Foto: Ursula Wiegand

„Wo gehobelt wird, fallen Späne“, beweist bald sein Pullover. Schindel um Schindel führt er von Hand ein, geschwind aber geschickt. An seinen Händen fehlt kein Finger, und mit kritischem Blick kontrolliert er das Hobelergebnis. Ein Netz fängt die Schindeln auf. Die kommen nun 5-7 Tage in die Trockenkammer, danach aber wieder ins Freie, um Feuchtigkeit aufzunehmen. Starr sollen sie nicht sein.


Willi Rietzler kontrolliert die gehobelten Schindeln. Foto: Ursula Wiegand

Rietzler hat nach 45 Arbeitsjahren noch immer zahlreiche Kunden, auch in Deutschland, und fast alle durch Mundpropaganda. Als Frühpensionist darf er 400,- Euro verdienen. Führungen im Rahmen des Wochenprogramms von Au-Schoppernau – zumeist donnerstags – macht er gratis. Holz ist halt sein Hobby.
Ein(en) Vogelbauer hat er auch gefertigt. Grinsend steckt er den Mittelfinger ins Loch und öffnet das Türchen. Piepmätze sind nicht drin, aber Gläser und ein guter Birnenbrand. Spaß muss sein.


Willi Rietzler öffnet Vogelbauer. Foto: Ursula Wiegand

Und was kosten seine Schindeln? Die aus Fichte 50-60 Euro/qm, die aus Weißtanne 70 Euro, jeweils inkl. Verlegung aber plus Mehrwertsteuer. Bei den kleinen Rundschindeln wird’s teuer, werden doch für 1 qm Fläche 480 Stück gebraucht. 100 Euro extra kostet das Anbringen. Das machen die Schindelverleger. Einige dieser wenigen Kleinbetriebe tun beides.
Abgesehen von der Schönheit und dem gutem Raumklima rechnet sich solch ein Holzhaus. Dächer und Wände aus Fichte halten rd. 20 Jahre, aus Lärche 30 Jahre. Verständlich, dass Sachkundige für das eigene Domizil am liebsten Lärche verwenden. Darüber hinaus wird Energieeffizienz im Bregenzerwald generell groß geschrieben.


Bregenzerwald, restauriertes Holzhaus in Au. Foto: Ursula Wiegand

Parallel zur modernen Holzarchitektur ist eine design-orientierte Handwerkerszene entstanden. Etwa 100 der Innovativsten haben sich im Werkraum Bregenzerwald  zusammengeschlossen. Ihr „Werkraum Haus“ in Andelsbuch wird im Frühjahr eröffnet, ein großzügiger Bau für Ausstellungen und Begegnungen, konzipiert von Schweizer Stararchitekten Peter Zumthor, der auch das Kunsthaus Bregenz entworfen hat.
Das Kellergeschoss und das Stiegenhaus werden in Massivbauweise erstellt. Eine Glasfassade umgibt den 700 qm großen Veranstaltungsraum, eine Trägerrostkonstruktion aus Holz fügt sich zum Flachdach, und in einem Shop können Besucher dann Werkraum-Produkte kaufen.
(www.werkraum.at und www.bregenzerwald.at)

 

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