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BREGENZ/ Kornmarkt-Theater: DON GIOVANNI – von der Wollust des Gesanges

16.08.2016 | Oper

BREGENZ/ Kornmarkt-Theater: VON DER WOLLUST DES GESANGES ODER MOZART’S „DON GIOVANNI“ ALS SCHMISSIG-FRECHE NACHWUCHS-PRODUKTION IN BREGENZ (15.8.2016)

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Wolfgang Stefan Schwaiger. Copyright: Bregenzer Festspiele

Im Souterrain des Landestheaters läuft eine Ausstellung über Hieronymus Bosch „Der Garten der Lüste“. Auf der Bühne deutet ein blutjunges Ensemble Mozart’s „Don Giovanni“ neu: schmissig-frech und sehr „heutig“. Provokant und doch als musikalisches Belcanto-Fest. Und vor allem – als kurzweiliger Party-Spass samt Kokain und Alkohol. Don Giovanni – vom 25jährigen Tiroler Wolfgang Stefan Schwaiger hinreißend gesungen und gespielt – entlarvt sich  dennoch zuletzt als brutaler Narziss, als egoistischer „Nonkonformist“, der Elvira wie Leporello demütigt und wie Hunde behandelt, ehe er  seine selbstverschuldete „Psycho-Höllen-Fahrt“ beginnt. Don Giovanni in der Deutung der polnischen Regisseurin Barbara Wysocka spielt in einem Studentenheim der 68er-Generation (Ausstattung Barbara Hanicka). Kein Schloss, dafür „Koks“ und Unmengen Bier und Wein, jeder flirtet mit jedem, zuletzt  – im Nachspann – macht sich Leporello an Zerlina ran. Voraussetzung für den großen Erfolg dieser Produktion war jedoch das hohe musikalische Niveau der Neuinszenierung. Der Deutsche Hartmut Keil – er kommt aus Frankfurt – setzt auf das „Dramma giocosa“. Schon bei der Einleitungs-Sequenz der Ouvertüre wird klar. Dieser Giovanni besitzt  Drive, Tempo und Sperrigkeit. Dies wird auch voll vom Symphonieorchester Vorarlberg mitgetragen. Die Damen und Herren dieses sehr jungen Klangkörpers realisieren das schroffe Grundkonzept mit Vehemenz, in der letzten Szene ersetzen sie  sogar den (eingesparten) Höllen-Chor und singen voll Inbrunst. Die Besetzung ist  indes das Haupt-Atout: Leporello wird vom kroatischen Bass-Bariton David Ostrek souverän verkörpert. Ein Möchte-Gern-Don Juan mit Spiel-Trieb und einer tollen dunklen Stimme. Während Don Giovanni die Frauen im Stunden-Rhythmus „zu Fall bringt“, tut er sich etwas schwer mit der Realisierung. Wolfgang Stefan Schwaiger ist in der Titelrolle geradezu virtuos. Er schmeichelt und droht mit seinem hellen Bariton, er „gurrt“ und trumpft auf–wenn‘s sein muss; sein Forte sitzt und verfügt über Metall, sein Parlando ist zirkusreif, die Champagner-Arie eine geradezu artistische Leistung. Erinnerungen an den jungen Eberhard Wächter und an seinen Nachfolger Bo Skovhus werden wach. Eine Mordsstimme hat Donna Anna: die Russin Oksana Sekerina verfügt über eine echte „Röhre“ mit schönem Timbre – und sie überzeugt auch in der großen lyrischen Arie. Dennoch: hier wächst eine echte Wagner- und Strauss-Hochdramatische heran (auch optisch)…Eine große Überraschung liefert der chinesische Tenor Dashuai Chen als Ottavio. Er phrasiert mit Musikalität, seine Stimme strahlt Männlichkeit aus, die Koloraturen beeindrucken. Hochachtung! Köstlich auch der zornige Masetto des Koreaners Jung Rae Kim. Elvira wird von der Brasilianerin Camila Titinger souverän gegeben, die Tücken der Rolle kann auch sie nicht wegzaubern. Dominic Philip Barberi ist ein eleganter stimmlich etwas zu leichtgewichtiger Commendatore. Die temperamentvolle Israelin Hagar Sharvit ist ein echter Mezzo mit schöner  Stimme und  engagiertem Spiel. Mir ist ein heller lyrischer Sopran dennoch lieber. Aber: alle Achtung.  Das Alter des Ensembles: zwischen 21 und 29 Jahren. Die Regisseurin begann als Musikerin  – ehe sie sich fürs Theater entschied. Wenn nicht alles täuscht, erreichte sie ein hohes Motivations-Niveau beim hochkarätigen Ensemble. Die Wollust des Gesangs war jedenfalls zu vernehmen!

Peter Dusek

 

 

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