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BREGENZ/Festspielhaus/ Eröffnungspremiere der Festspiele: BEATRICE CENCI von Bertold Golschmidt

20.07.2018 | Oper

ERÖFFNUNGSPREMIERE BREGENZ

  1. 7. 2018: „BEATRICE CENCI“

 

Seltsam ist, dass weder Donizetti, Bellini noch Mercadante sich des Stoffes dieser unglücklichen römischen Adeligen annahm. Ihre Geschichte ist so grausam, dass man sie nicht erfinden kann, solches kann nur das Leben. Die Vergewaltigung der Tochter war in dieser Zeit, der Renaissance ein Kavaliersdelikt, auch weitere Grausamkeiten fielen unter das Recht der Väter. Beatrice hielt es nicht mehr aus und beschloss sich zu rächen. Sie plante die Ermordung ihres Peinigers, da ihr nie die Flucht gelang. Sie und ihre Mitwisser wie die Tat Ausführenden wurden zum Tode verurteilt. Als man bald darauf verstand, was sie zu dieser Tat trieb, war es zu spät, der Kopf war gefallen. Angeblich wurde diese junge schöne Frau, die mit 22 Jahren sterben musste, von dem damals bekannten Maler Guido Reni porträtiert. 

Der Komponist Berthold Goldschmidt (1903 Hamburg – 1996 London) nahm sich des Stoffes an und schuf ein sehr spätromantisches Werk. Goldschmidt war bis in die dreißiger Jahre ein sehr angesehener Musiker, musste aber dann in der Zeit des Nationalsozialismus emigrieren. Nach dem Ende des Krieges schien seine Musik ebenso wenig zeitgemäß wie die seines Lehrers Franz Schreker. Somit konnte er nicht wieder kompositorisch Fuß fassen. Beatrice Cenci wurde in London nach Kriegsende komponiert, fand aber nie den Platz, den dies Werk verdienen würde. (Interessanterweise wurde dieses Sujet dann in der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts noch dreimal Grundlage einer Oper: William Havergel Brian, Alberto Ginastero und Giorgio Battistelli waren die Komponisten.) Die Aufführung bei den Festspielen wat die österreichische Erstaufführung dieses Werkes.

Der Leidensdruck der jungen römischen Adeligen Beatrice Cenci (1577- 1599) und deren Stiefmutter Lucrezia  muss unerträglich gewesen sein. Mit nur zweiundzwanzig Jahren wurde sie wegen Vatermord zusammen mit der zweiten Frau des Grafen Francesco Cenci (1549 – 1598) zum Tod verurteilt. Der Vater, Francesco Cenci war der uneheliche Sohn des Geistlichen Cristoforo mit Beatrice Aria,  verstand es immer, der gerechten Strafe für seine  Missetaten zu entgehen, nachdem er immer dem Klerus (unter dem damaligen Papst Clemens VIII und seinen Vorgängern) sehr gut „schmierte“. Die Buße bestand in viel Gold und Ländereien. Die Kardinäle trugen als handaufhaltende Mitwisser ihres dazu bei. Gut ging es Beatrice und ihrer Schwester Antonia nur in der Zeit, als die beiden Minderjährigen zur Erziehung nach dem Tod der Mutter Ersilia in ein Kloster kamen. Die ältere Schwester Antonia heiratete nach einem erfolgreichen Gesuch an den Papst und starb sehr bald nach der Geburt eines Kindes.

Die Musik von Berthold Goldschmidt ist sehr in die Spätromantik gerückt, viele Anklänge an Zeitgenossen sind wahrzunehmen, aber auch etwas barocke Zitate sind zu vermerken. Stellenweise ist auch der Belcantoeinfluss zu hören, was fehlt ist bei den brutalsten Geschehen die starke Dramatik in der Musik. Zu singen scheint es von der Tessitura angenehm zu liegen.  Das gesamte Werk klingt absolut melodisch und könnte schon seinen Platz im deutschen Repertoire finden.

Die Regie von Johannes Erath hat zum größten Teil eine sehr präzise Personenführung. Mit den Chormassen bei der Hinrichtung der beiden Damen durch das Beil weiß er sich wenig anzufangen und so stehen sie eher statisch auf der Bühne. Was die Szene mit der Tosca-Einspielung zu Beginn des dritten Aktes auf der Engelsburg sollte, entzieht sich voll meiner Vorstellung. Richter und Kardinal sitzen in einer unkomponierten Szene bei Tisch. Da es auch keinen Text gibt, kann nur vermutet werden, dass es um einen Bestechungsversuch geht.  Sehr imposant ist das Bühnenbild von Katrin Connan mit vielen guten Lichteffekten von Bernd Purkrabek, kleidsam  die Kostüme von Katharina Tasch, die speziell bei der Herrenmode die Dekadenz und Prunksucht der Spätrenaissance zeigte.

Die musikalische Umsetzung lag in den Händen von Johannes Debus. Er ist ein Musiker, der ohne Effekthascherei das Orchester leitete, vielleicht etwas zu zurückhaltend in der Brutalität des Stücks, eben in dieser Richtung der Regie angepasst.  Die Wiener Symphoniker, das Festspielorchester der Bregenzer Festspiele, musizierte wie immer feinst und transparent.

Bei der Sängerbesetzung wären teilweise größere Stimmen besser zur Geltung gekommen. Die Titelrolle sang Gal James. Eine Künstlerin, die sehr schöne Piani bringen kann, daher hervorragend der Monolog in der Kerkerszene. Die großen dramatischen Forteausbrüche gelingen dann doch etwas scharf  und mit zu  viel Druck und Vibrato gesungen. Als Darstellerin wirkte sie sehr glaubhaft und zeigte viel Persönlichkeit. Eindrucksvoll die Frisur, eine grellrote Langhaarperücke. Ihre Stiefmutter Lucrezia  sang Dshamilja Kaiser, auch ihre Stimme klang im Piano und Mezzavoce sehr schön, aber auch sie musste im Forte zu stark forcieren. Christina Bock war der kleine Bruder Bernardo aus der ersten Ehe. Er versucht noch eine Begnadigung für die beiden Damen beim Papst zu erreichen, bleibt dabei aber leider erfolglos.


Copyright: Bregenzer Festspiele/ Karl Forster

Francesco Cenci wurde von Christoph Pohl mit gutem Bariton schon fast zu edel gesungen. Als Schauspieler bringt er den miesen Charakter dieses total  verkommenen Menschen gut über die Rampe. Mitleid hat man mit ihm sicher nicht. Hervorzuheben ist seine große Textdeutlichkeit. Der bestechliche Kardinal Camillo, der sich dann doch mitleidig zeigt, leider zu spät und erfolglos, ist Per Bach Nissen, ein dunkler Bass, der am Schluss doch etwas Ermüdung und daher ein Höhenproblem hatte. Allerdings verlangt ihm die Partie sowohl extreme Höhen als auch extreme Tiefen ab. Als Figur ist er absolut richtig und gut getroffen. Eine sehr positive Tenorentdeckung ist Michael Laurenz als etwas undurchsichtiger Prälat Orsino. Beatrice war, bevor er seine Weihen empfing, in diesen jungen Mann verliebt und erhofft sich Hilfe, die aber nicht so richtig klappte. Marzio und Olimpio sind die beiden Auftragsmörder, gesungen und gespielt von Wolfgang Stefan Schwaiger und Sebastian Soules. Zu singen haben die beiden von Orsino angeworbenen nicht allzu viel, auch schauspielerisch sind die beiden voll unterfordert. Francesco scheint bereits am von Lucrezia gereichten Opiumschlaftrunk zu sterben. Dass er dann mit dem Hammer erschlagen wird, liest man. Ihre Bestrafung ist grausamst. Tod durch glühende Eisen und dann Vierteilung. In den weiteren kleinen Rollen nicht weiter auffallend sind  Peter Marsh als Richter, sowie Lukas Hynek–Krämer als Colonna und Jan Bochnak ist ein Offizier.

Als Chor wirkte der Prager Philharmonischer Chor unter Lukas Vasilek sehr stimmstark und mit sehr guter deutscher Diktion mit.

Das Werk ist im Original in englischer Sprache, die deutsche Textbearbeitung stammt vom Komponisten selber. Es stellte sich vor der fixen Konzeption die Frage, welche Sprache man nehmen sollte. Die Entscheidung  fiel auf die deutsche Sprache.

Die literarische Vorlage dieser historisch belegten Geschichte ist „The Cenci“ von Percy Bysshe Shelley (1819), das Libretto schrieb Martin Esslin.  Die Musik wurde 1949/1950 geschrieben, bei einem Wettbewerb eingereicht. Trotz der großen englischen Konkurrenz war es erfolgreich und somit wurde eine Aufführung garantiert. Die erste konzertante Aufführung war am 11.5.1988 dann aber doch erst in der Queen Elizabeth Hall in London. Szenisch erstmals zu erleben war das Werk am 10.5.1994 am Theater Magdeburg, so dass der Komponist doch noch sein Werk auf einer Bühne erleben konnte.

Elena Habermann.

 

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