Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

BRAUNSCHWEIG/ Staatstheater: EUGEN ONEGIN. Premiere

Blick ins Innere

18.01.2020 | Oper

EUGEN ONEGIN  – Staatstheater Braunschweig, 17. Januar 2020 (Premiere)
Blick ins Innere

Die Neuinszenierung von Tschaikowskys Eugen Onegin am Staatstheater Braunschweig steht ganz im Zeichen der Innenperspektiven, des tiefen Blicks in die Figuren und ihre Emotionen. Isabel Ostermann, Operndirektorin des Braunschweiger Hauses, und ihr Bühnenbildner Stephan von Wedel reduzieren den äußeren Rahmen auf wenige Elemente. Ein Halbrund, das die Bühne begrenzt und immer wieder in verschiedenen Farben beleuchtet und durch das Spiel mit Licht und Schatten als Projektionsfläche genutzt ist; ein paar bunte Lampions für das Fest bei Larina, Kronleuchter für das Haus Gremins, am Ende ein goldener Rahmen, der in kleinerem Format den das Bühnenportal des Hauses umgebenden Rahmen nachbildet – viel mehr an Dekoration gibt es nicht, die Konzentration ist klar auf die Beziehungen zwischen den Figuren gerichtet. Die Kostüme von Julia K. Berndt deuten die Zeit der Geschichte und typisch russisches Flair an, brechen das aber zugleich auch – der historische Rahmen ist nicht unwichtig, steht aber nicht im Zentrum, um die Geschichte erzählen zu können.

Isabel Ostermann zeigt Menschen, die unsicher, ja verunsichert sind, die zwischen ihren eigenen Emotionen hin- und hergerissen sind und es schwer haben, ihren Weg zu finden. Das ist in der unglücklichen Liebesgeschichte zwischen Onegin und Tatjana zu sehen, ebenso in der zwischen Olga und Lenski; eine interessante Sichtweise gewinnt Isabel Ostermann aber vor allem auf die Beziehung zwischen Onegin und Lenski. Nachdem Onegin seinen einstigen Freund erschossen hat, wird er von starken Selbstzweifeln geplagt. Zur Musik der Polka, die ja bereits zur Szene im Hause Gremin gehört, belebt Onegin Lenski wieder, die beiden geraten in einen taumelnden Tanz miteinander, an dessen Ende ein vorsichtiger, aber bestimmter Kuss steht – das wirft viele Fragen auf, die auch nach der Vorstellung noch nachwirken.

Generalmusikdirektor Srba Dinić holte mit dem Staatsorchester Braunschweig die vielen zarten, sanften Farben der Partitur sehr schön hervor, was der Sicht auf das Innenleben der Figuren nur entgegenkam. Daneben wirkten die wenigen dramatischen Höhepunkte umso stärker, der Spannungsbogen zwischen diesen Gegensätzen gelang dicht und hielt bis zum Ende an.

Maximilian Krummen ist ein sehr junger Onegin und spielte die Rolle, zumal in diesem Kotext, sehr überzeugend. Im Lauf des Abends konnte er seinen lyrischen Bariton immer klarer und intensiver fokussieren und so gelangen ihm insbesondere die letzte Begegnung mit Lenski sowie der Schluss sehr eindrucksvoll. Ivi Karnezi als Tatjana fand in der langen Briefszene wunderbar innige, introvertierte Farben; sie legte ihr Rollenporträt insgesamt eher zurückhaltend an, was den wunderbaren Lyrismen, mit denen sie ihren rund und klar geführten Sopran durch die Partie bewegte, nichts abtat, im Gegenteil. Besonders überzeugend gelang auch ihr die Darstellung ihrer Rolle, am Anfang ganz auf eine Außenseiterin ausgerichtet.

Joska Lehtinens hell gefärbter Tenor passte sehr gut ins Ensemble, da auch er durch sein sehr auf die emotionalen Schwankungen des Dichters fokussiertes Singen zu einer ebenfalls recht zurückgenommenen, aber nicht minder intensiven Darstellung fand. Das übrige Ensemble war ebenso sorgfältig ausgewählt, allen voran Milda Tubelyté als selbstbewusste Olga mit kraftvollem Mezzo; Edna Prochnik und Zhenyi Hou werteten die kleinen Partien der Larina und der Filipjewna durch ihre jeweils ganz individuell und charakteristisch gefärbten Mezzosoprane erheblich auf. Valentin Anikin gab dem Fürst Gremin satte Tiefe und dunkle Farben, Sungmin Kang ließ die kurze Szene des Triquet mit dem berühmten Couplet nicht ungenutzt verstreichen. Die weiteren Partien sowie der Chor des Staatstheaters unter der Leitung von Georg Menskes trugen schließlich nicht weniger zum musikalischen Gelingen der Aufführung bei, die vom Publikum mit sehr begeistertem, aber auch enden wollendem Beifall bedacht wurde. Genau damit hat die Aufführung eigentlich alles erreicht, denn dieses Stück führt auch den Zuhörer mehr in sein Inneres, als dass es allzu starke äußere Emotionen freisetzt. 

Christian Schütte

 

Diese Seite drucken