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BRAUNSCHWEIG/ Staatstheater: ELEKTRA . Premiere

Nach 40 Jahren wieder in Braunschweig

17.03.2018 | Oper

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Majda Hundeling. Foto: Theater Ostrava

BRAUNSCHWEIG/ Staatstheater: ELEKTRA. Premiere am 16. März 2018

Rund 40 Jahre stand Richard Strauss‘ Elektra am Staatstheater Braunschweig nicht auf dem Spielplan. Das neue Leitungsteam mit Generalintendantin Dagmar Schlingmann, Operndirektorin Isabel Ostermann und Generalmusikdirektor Srba Dinić hat einen ambitionierten und mutigen Spielplan für seine erste Saison entworfen, da passt es nur zu gut in den Rahmen, sich nach so langer Abstinenz in Braunschweig wieder des monumentalen Einakters anzunehmen. Es hat sich gelohnt – die Premiere wurde mit verdientem, langem und kräftigem Jubel belohnt.

Ein Haus mit knapp 900 Plätzen und entsprechend großem Graben stellt Strauss‘ eruptive Partitur auch akustisch vor eine große Herausforderung. Doch Srba Dinić unterlag mit dem glänzend und voller Lebendigkeit musizierenden Staatsorchester nie der Versuchung, den Raum zu sprengen. Natürlich gibt es Stellen, die eine gewisse Lautstärke brauchen – und auch bekamen – doch es sind ebenso viele Momente in Elektra, wo es wichtig ist, die schier unbegrenzte Fülle instrumentatorischer Details zu hören, die Strauss hier verbreitet hat. Die Musiker kosteten diese vielen Möglichkeiten mit Klangschönheit und konzentrierter Intonation aus. Dass das ganze Orchester am Ende zusammen mit dem Ensemble auf der Bühne stand und einen großen Teil des Jubels entgegennahm, war mehr als verdient.

Die von drei Frauen dominierte Geschichte ist nicht einfach zu besetzen und Braunschweig hat sein Hausensemble um einige Gäste ergänzen müssen. Im Zentrum der Publikumsgunst stand Maida Hundeling in der Titelpartie. Es verlangt allein einigen Respekt ab, mit welcher Selbstverständlichkeit sie bis zum Ende mit kraftvollen, hochdramatischen Tönen der Partie Statur und unter die Haut gehende Intensität verlieh. Dass sie dazwischen einige berührende Momente mit lyrisch-fein gestalteten Passagen fand und die Stimme in ein tragfähiges Piano zurücknehmen konnte, machte ihre Darstellung noch eindrucksvoller. Die vertrackt tiefen Lagen kamen nicht immer ohne Brüche, was der psychologischen Gestaltung der Figur allerdings nur allzu gut entsprach.  Ihr zur Seite debütierte Johanni van Oostrum als Chrysothemis. Sie verfügt über einen zwar auch kraftvollen, aber noch durchweg lyrisch gefärbten Sopran, was für den Gegensatz zwischen den so unterschiedlichen Schwestern musikalisch unabdingbar ist.  Mit schönen, großen Bögen und nicht minder starker Intensität gab sie der vom Wunsch nach einem „normalen“ Leben durchdrungenen, durchaus naiven Schwester ein überzeugendes Profil. Edna Prochnik schließlich als Klytämnestra reduzierte die Königin nicht auf das Profil der verrückt gewordenen Alten. Als eine Frau in den besten Jahren, die  noch einige Vitalität in sich hat, sang sie die Rolle auch in den tiefsten Lagen wunderbar aus und gab ihr, bei aller Dämonie, auf diese Weise die Menschlichkeit, die in ihr steckt.

Ernesto Morillo als in sich ruhender Orest, Jeff Martin als öliger Aegisth, ein stimmstark besetztes Mägdequintett sowie ein bis in die kleinste Rolle hinein profiliert agierendes Ensemble rundeten die insgesamt starke, beeindruckende musikalische Seite ab.

Dass der Abend auch szenisch gelang, dafür sorgte Adriana Altaras. Sie versucht gar nicht erst, die tragische Geschichte in irgendeiner Weise um- oder neu zu deuten, sondern sie erzählt sie so, dass sie aus Text und Musik heraus erlebbar wird. Eine kluge und richtige Entscheidung bei einem Stück, dessen dramatische Schlagader so stark wie selten unmittelbar aus Text und Musik erwächst. Zusammen mit Bühnen- und Kostümbildner Christoph Schubiger verdeutlicht sie die Geschichte klar und ohne Umschweife auf der funktionalen Drehbühne des Staatstheaters, Anfang und Schluss spielen vor einem bühnenhohen Lumpenhaufen – die Kleider vieler Toter? –, Chrysothemis und Klytämnestra begegnen dem Zuschauer in ihren Schlafzimmern. So variabel die Räume sind, so sehr sind sie auch von der Enge und Begrenztheit geprägt, die für das Innenleben der Figuren so entscheidend ist. So entsteht eine szenische Lesart, die dem Publikum die Geschichte gut nahebringt, die Psychologie der Figuren erlebbar macht. Dass dabei nicht jeder kleinste szenische Einfall einleuchtet, fällt nicht ins Gewicht.

Ein starker Opernabend und ein eindrucksvoller Beweis für das Potenzial des Braunschweiger Musiktheaters.

Christian Schütte

 

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