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BRATISLAVA: SADKO von Nikolaj Rimsky Korsakow

04.05.2019 | Oper

Bildergebnis für sadko rimsky korsakov

Bratislava: “SADKO”Nová budova 03.05.2019

Nikolaj Rimsky-Korsakows (1844-1908) reiches Opernschaffen (15 Werke) wird außerhalb seiner Heimat kaum wahrgenommen. Seine sinfonische Dichtung „Scheherezade“ und das „Capriccio espagnol“ halten seinen Namen präsent. Ironischerweise stammt Rimsky-Korsakows populärstes Stück, der „Hummelflug“, aus seiner Oper „Das Märchen vom Zaren Saltan“. Laut Archiv der Wiener Staatsoper gab es bisher keine Opern-Aufführungen im Haus am Ring, die Bregenzer Festspiele zeigten „Der goldene Hahn“ und die Oper mit dem sperrigen Titel „Die Legende von der unsichtbaren Stadt Kitesch und der Jungfrau Fewronia“. Das liegt aber mittlerweile auch schon ca. 20 Jahre zurück.

Daher war es umso attraktiver, den kurzen Weg nach Bratislava anzutreten und die Möglichkeit wahrzunehmen, eine Oper Rimsky-Korsakows kennenzulernen. „Sadko“ war des Komponisten 7. Oper und wurde 1898 uraufgeführt. Die Person des Sadko ist in der Stadtgeschichte Nowgorods als reicher Kaufmann im 12. Jh. und Stifter der Kirche der Hl.Boris und Gleb verbürgt. Die Wandlung zum Sänger und Guslispieler (Zither-ähnliches Instrument) machte Sadko erst in der Volkssage. Rimsky-Korsakow hatte sich mit der Sage des Sadko, der gegen alle Widerstände in die Welt zieht und nach märchenhaften Abenteuern als reicher Mann in seine Heimatstadt Nowgorod zurückkehrt und ihr durch die Liebe zur Meeresprinzessin Zugang zum Meer verschafft, bereits 30 Jahre vor der Oper  beschäftigt und sich zu einer sinfonischen Dichtung inspirieren lassen, die er mehrmals überarbeitete und dann auch als Quelle für seine Oper heranzog. Die Partitur des „Sadko“ zeigt den großen Klangmagier Rimsky-Korsakow ebenso wie den im sogenannten „Mächtigen Häuflein“ verwurzelten Erneurer. Der Komponist war der Jüngste in dieser Gruppe – die anderen waren Alexander Borodin, Modest Mussorgskij, Cesar Cui und Milij Balakirew –, die eine eigenständige national-geprägte russische Musik auf Basis der Melodien, Rhythmen und Harmonien der russischen Volksmusik begründen wollten. Erst in seiner späteren Laufbahn als Professor am St. Petersburger Konservatorium wurde Rimsky-Korsakow akademischer und ließ dann den Werken seiner ehemaligen Mitstreiter einerseits unwillkomene Retuschen angedeihen, andererseits kümmerte er sich aber auch um spielbare Fassungen ihrer unvollendet gebliebenen Werke.

Etwas bedauerlich war bei dieser Aufführung, dass es zu einer konzertanten und eklatant gekürzten Wiedergabe (ca. 1/3 wurde gestrichen) des Werkes kam. Die Inszenierung des Amerikaners Daniel Kramer war 2017 als Ko-Produktion mit der Flämischen Oper in Antwerpen/ Gent entstanden und erfuhr einhellige Ablehnung, da sie weder dem Sujet der Märchenoper entsprach noch sich mit den im Stück enthaltenen Mythen und Stimmungen auseinandersetzte.  In Bratislava wurde der Besuch des Werks sogar erst ab 17 Jahren empfohlen (die Mariinsky Produktion gilt als kindertauglich). In diesem Licht scheinen aktuelle technische Probleme mit der Inszenierung der Direktion zupass zu kommen, um eine konzertante Aufführung anzusetzen.

Bezüglich der Kürzungen ergaben Recherchen zur Aufführungspraxis, dass „Sadko“  im deutschsprachigen Raum in der Vergangenheit auch nur zu gekürzten Ehren kam. An diesem Abend empfand ich die Striche vor allem deshalb als Wermutstropfen, weil die Aufführung eine hervorragende Qualität hatte und ich gerne das ganze Werk kennengelernt hätte.

Zunächst möchte ich den ausgezeichneten und relativ jungen slowakischen Dirigenten Ondrej Olos erwähnen, der das Orchester zu sattem Ton, feinen Schattierungen und großer Emotion anregte. Besonders die Streicher verströmten mit herrlich-dunklem Klang tiefe Schwermut. So gut hat das Orchester des Slowakischen Nationaltheaters schon lange nicht mehr gespielt. Wunderbar war besonders das 2. Bild dirigiert, das bereits auf Claude Debussys „La Mer“ voraus weist und im Nachspiel mehr als nur eine Anleihe an den Beginn von Richard Wagners „Rheingold“ nahm.  Besonders wirkungsvoll waren die drei Lieder der Kaufleute (hier Gäste) aus Skandinavien, Indien und Venedig. Schwungvoll, akzentuiert oder auch hymnisch-erhaben die Chorszenen. Der von Pavel Procházka einstudierte Chor des Slowakischen Nationaltheaters bot in den dankbaren Nummern mit Homogenität, Kraft und Klangfülle erstklassige Qualität.

In der anspruchsvollen Titelrolle war Zurab Zurabishvili zu hören. Der georgische Tenor gastiert immer wieder in den schwierigsten Partien in Bratislava und fällt für Wiener Operngourmets eindeutig in die 3-Sterne Kategorie – eine Reise wert. Zurabishvili hat einen prächtigen dramatischen Tenor mit leuchtender Höhe, klangvoller Mittellage und großer Ausdauer. Das Timbre hat Persönlichkeit und Schmelz. Die Stimme verfügte auch über die notwendige Anpassungsfähigkeit an die unterschiedlichen Stimmungen der Lieder, welche Sadko vorträgt. Wenn man so wie Zurabishvili singt, ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich der Titelheld mit seinem Lied am Illmensee Wolchowna, die schöne Tochter des Meeresfürsten, herbeisingt und damit ein ungleich attraktiveres Resultat erzielt als Wagners Siegfried mit seinem Geblase. Bevor die Oper mit einem Lobpreis an den Herrn endet, legte die Übertitelung Sadko den Satz „Ich bin nur ein guter Sänger“ in den Mund. In Zurabishvilis Fall hätte hier herrlich stehen müssen.

Die liebende und sich schließlich in den Fluss Wolchow verwandelnde Meeresprinzessin sang die auch in Wien bekannte  Ľubica Vargicová mit warmtönendem, lyrischem Sopran, der sich deutlich aus dem Koloratursopran weiterentwickelt hat. Sehr schön. Als Meeresfürst war Jozef Benci besonders im 1. Teil beeindruckend. Benci sang auch den Waräger Kaufmann und donnerte mit mächtigem Bass sein wildes Lied spektakulär in den Raum. Vielleicht tat er da seiner schönen, weichen Stimme ein bisschen zu viel an, denn nach der Pause war Benci spürbar verhaltener. Das magische Lied des indischen Kaufmanns wurde von Tomáš Juhás mit neutralem Tenor einwandfrei, aber ohne Nuancen, gesungen. Hingegen nutzte Aleš Jenis die Möglichkeit, seinen kernigen und höhensicheren Bariton wirkungsvoll im Lied des venezianischen Kaufmanns zu präsentieren.

Hervorragend gefiel mir Monika Fabianová als Sadkos Ehefrau Lubawa, die vom träumenden und reisenden Ehemann vernachlässigt und 12 Jahre allein gelassen wird. Fabianová besitzt einen dramatischen, dunklen Mezzosopran mit starker Höhe, sonorer Mittellage und klarer Tiefe. Ihrem ausdrucksstarken Gesang hörte man gerne zu. Denisa Hamarovás weich strömender Alt war, trotz Abstrichen in der Tiefe, ein Gewinn als Neschata. Der Gaukler Duda war bei Juraj Peters kräftigem, nicht immer elegant eingesetztem Bass gut aufgehoben. Dudas Kollegen Sopel sang Martin Gyimesi mit mehr Kultur, aber weniger Charisma als Peter. In den Rollen der beiden Alten waren mit Jozef Kundlák (hatte auch ein paar Staatsopernauftritte in den 1990ern und war ein ausgezeichneter lyrischer Tenor) und Dmytro Dubrovskyy zwei gute Stimmen zu hören.

Eine sehr gelungene Aufführung, die sich mehr Publikum verdient hätte und den Wunsch verstärkte, in den Märchenkosmos der Opern von Rimsky-Korsakow unter kundiger Anleitung einzutauchen. Ein kräftiges Lebenszeichen der Oper in Bratislava.

Johann Nepomuk Steiner

 

 

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