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BRATISLAVA/ Neues Haus: RUSALKA

Ein betörender Traum wird theatralische Wirklichkeit!

27.02.2020 | Oper


Andrea Vizvari, Eva Dovcova, Terezia Kruzlakova mit Jozef Benci. Foto: Zdenko Hanout

Bratislava: „RUSALKA“Neues Haus 25.2. 2020 abends (3. Vorstellung) –

Ein betörender Traum wird theatralische Wirklichkeit!

 Das wunderschöne neue Opernhaus des Slowakischen Nationaltheaters mit Blick auf den Donaustrom zwischen Wien und Budapest, würde sich vermutlich, stünde es in einem „westlichen“ Land, verpflichtet fühlen, sich „modern“ zu präsentieren. So nahe unsere östlichen Nachbarn uns stehen, geographisch, historisch und als EU-Land, haben die Slowaken doch offenbar den Mut und vielleicht sogar den Ehrgeiz, sie selber bleiben zu wollen. Auffallend selten treten deutschsprachige, italienische oder andersstämmige Sänger auf, und für das Meisterwerk des tschechischen Komponisten stehen in sämtlichen Rollen  2 bis 3 Alternativbesetzungen aus den eigenen Reihen zur Verfügung. Obwohl an diesem Abend bekannte Namen fehlten, gab es keinen Schwachpunkt.  

Da alle Mitglieder des künstlerisch hochkompetenten Produktionsteams dies mehr als verdient haben, seien alle Namen genannt. Musikalische Einstudierung und Dirigent: Ondrej Olos, an diesem Abend stand jedoch Dušan Štefanek am Pult; Regie: Martin Kákoš; Bühnenbild: Milan Ferenčik; Kostüme: Ludmila Várossová; Choreinstudierung: Pavel Procháska; Choreographie: Jaroslav Moravčik; Videodesign: Matej Ferenčik; Dramaturgie: Pavol Smolík, Marek Mokoš.
Und nicht zu vergessen: Generaldirektor des Slowakischen Nationaltheaters:  Peter Kováč;
Und Operndirektor: Rastislav Štur

 Die Hauptrolle in dieser begeisternden Produktion spielt – Antonin Dvořaks Musik.

Ja, liebe Leser, wahrlich, so etwas gibt es noch! Beim Betreten des breiten, freundlichen, mit seinen ansteigenden Sitzreihen allseits gute Sicht bietenden Zuschauerraumes, fällt sofort der Blick auf die schon bewegten Wellen, die statt eines normalen Vorhangs die Bühne noch verdeckt halten. Sie inspirieren uns jedoch, bereits jetzt über das Kommende nachzusinnen.

Unglaublich, wozu man einen hohen Bühnenraum, der kaum kleiner ist als der der Wiener Staatsoper, nützen kann, wenn phantasiebegabte Könner am Werk sind. Ist man in einem Wald? im Wasser? Ist es Tag? Oder Nacht? Stehen da etwa Eiszapfen empor? Oder hängen welche herab? Welche Jahreszeit ist es? Sind vorzeitliche Naturgegebenheiten zu sehen?
Oder ist es eine romantische Hochgebirgslandschaft? Auf welchem Kontinent? – Die Drehbühne hat hier große Aufgaben und die technische Meisterschaft, mit der alles so wunderbar bewältigt wird, kann nicht hoch genug gepriesen werden.
Aber noch meinen wir, uns in einer Idylle zu befinden, wo unterschiedlichste Lebewesen ein Zuhause gefunden haben. Dass da Elfen-artige Wesen in bunten, fantasievollen Kostümen herumtanzen, scheint ganz natürlich. Ein Wassermann mit langem Mantel, grauer Mähne und tiefer, voller Stimme (Josef Benci) ist da kein Fremdkörper. Die Stege, die durch bzw. über die inzwischen eindeutig als unterirdischer See erkennbare Wassertiefe führen, verweisen auf menschliche Eingriffe. Sobald Rusalka auftritt, auch von der stattlichen Kostümierung her  wohl eine besondere Frau, die schon „normalen“ Menschen ähnlich sieht (und Mária Porubčinova ist noch dazu eine imposante, ja fast Walküren-hafte Erscheinung mit ebensolcher – sehr schöner, großer – Stimme), treten die bewegten Naturelemente etwas zurück – sie will ja heraus aus dieser Welt. Beim Auftritt der Ježibaba (Denisa Štepkovská wirkt reativ jung, aber Hexen sind ja alterslos, mit voll intaktem Mezzo ihre Botschaft eindringlich phrasierend) verwandelt sich wieder die Bühne, sodass man abermals zum Raten angeregt wird, welche Naturgegebenheiten welche Bedeutung haben könnten….

Ja, man ist vollbeschäftigt an diesem Abend. Man rätselt, man bewundert, man ängstigt sich  und – fühlt sich dennoch wohl in diesem Ambiente. Dafür sorgt Antonin Dvořak – in einem solchen Ausmaß, dass man zeitweise vergisst, auf die Musiker zu schauen und sich über einzelne instrumentale Finessen Gedanken zu machen, was ja angesichts des breiten, gut beleuchteten Orchesterraums durchaus möglich wäre. Grund? Das ist nicht nur Musik für die Ohren, sondern Seelenmusik, die den gesamten Raum umfasst und – durch die Szenerie nicht daran gehindert, sondern darin unterstützt wird!!! Wenn wir zugereisten Wiener auch feststellen mussten, dass in den „Rusalka“-Aufführungen 3 Wochen zuvor unsere Philharmoniker doch eigentlich die noch besseren „Böhmen“ waren. Und wenn wir zwar dort wie da die deutschen Texte mitlesen konnten, blieb doch die Erkenntnis, dass die Sprache eigentlich gar nicht so wichtig ist, denn die Musik sagt sowieso alles. Und hier durfte sie es! Weil die großartige, so wahnsinnig vielsagende und dennoch nie überladen wirkende Szene sie unterstützte.

Im 2. Akt gab es dann eine Überraschung: eine transparente Wendeltreppe zu einer Schlossterrasse, mit Venusstatue darunter. Da traf sich die Aristokratie, da wurde getanzt, in weißen Gewändern mit flügelartigen Kopfbedeckungen. Aber: im Hintergrund – waren das nicht Eiszapfen, die da herunterhingen? Die knallrot gewandete Fremde Fürstin (Adrana Kohútková, resolut und kalt) hatte wenig Chancen, dem Publikum die längst allseits dominierende Vorliebe für die Naturgeschöpfe zu entreißen…Auch die kompakten Chorauftritte in uniformen Kostümen und mit steifer Haltung konnten sich nur gesanglich Sympathien sichern. Der Förster und der Jäger (beide: Ján Durčo), der Küchenjunge (Jana Bernáthová) hatten es da leichter, – sie durfte unkarikierte, normale Menschen darstellen.


Tanzszene, 2. Akt. Foto: Zdenko Hanout

Dennoch freute man sich, nach der 2. Pause wieder ins Zauberreich der unzerstörten Natur zurückkehren zu dürfen. Jetzt hatten die 3 Waldelfen mehr  Profilierungschancen: Andrea Vizvári, Eva Dovcová undTerézia Kružliaková belebten nun einen schmäleren Hochwald, als man im 1. Akt gesehen hatte. Doch nicht nur hingen da starre Eiszapfen vom Himmel, sondern im Hintergrund zogen pausenlos Wolken über den Himmel, zuerst weiße, dann immer bedrohlichere…Das Naturidyll schien gestört. Zwar zeigten sich nochmals die hölzernen Stege und Stufen, aber die fröhliche Begehung und Besteigung blieb aus.

Der Prinz (Tomaš Juhás, ein gut aussehender, seine Partie einwandfrei und kraftvoll singender Tenor), zwischen zwei Welten geraten, sah keine Chance mehr auf ein erfülltes Menschenleben und akzeptierte seinen Tod. Da musste wieder der Komponist ein bisschen nachhelfen, denn weder die Rusalka-Sängerin noch ihr Traumprinz vermochten vokal diese Seelensprache in ihrer ganzen betörenden Schönheit und Tiefe mitzugestalten – da fehlte beiden einfach das außergewöhnliche Timbre. Wir hatten immerhin gerade erst Piotr Beczala gehört und wer jemals Peter Dvorský, Gabriela Beňačkova und Jewgenij Nesterenko unter Vaclav Neumann erlebt hat, …
Aber dafür können die Fachkollegen in aller Welt halt nichts.

Nicht alle slawischen Stimmen können eine solche Seelensprache vermitteln. Deshalb kann eine gelungene Inszenierung umso mehr Wunder wirken. Es war viel Jugend im Saal und man hörte neben lebhaftem Slowakisch auch viel Deutsch und Englisch in den Pausen. Ich war mit dem Wiener Wagner-Verband angereist und es gab, was selten vorkommt,  in unserer Gruppe keine Meinungsverschiedenheiten  über diese voll gelungene Produktion.   

Sieglinde Pfabigan                             

Fazit für alle Opernfreunde: Schaut Euch die Preßburger „RUSALKA“ an!

 

 

 

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