Nationaltheater Bratislava : 31.01. 11:00 „HUBICKA“ – “DER KUSS“
Schlussapplaus: Kyzlink, Benci, Juhassz. Porubcinova. Foto: Tanzler
In unseren Breiten wird von Friedrich Smetana – der seinen Vornamen erst als Erwachsener auf den tschechischen“Bedrich“ änderte – praktisch nur die „Verkaufte Braut“ gespielt – sehr schade! Hat er doch auch einige weitere Werke geschrieben, die durchaus aufführungswürdig wären. Seine Musik, die die Klänge seiner böhmischen Heimat so wunderbar einfängt, die so direkt ans Herz geht, und die uns – mir zumindest – so nahe und verwandt scheint, hätte das wohl verdient. Nicht unbedingt die Geschichten, die er mit seinen Kompositionen geadelt hat. Denn ein „großer Wurf“ ist das Libretto zum „Kuß“ von Eliska Krasnohorska ganz sicher nicht – eher eine belanglose Episode um Vendulka, die dem zu heiratenden Lukas fürs Erste diesen verweigert, trotzdem sie sich rührend um das Kindlein in der Wiege kümmert, das Lukas von seiner verstorbenen Frau in die Ehe mitbringt. Derselbige wirft sich aus Trotz anderen Mädchen des Dorfes an den Hals, das wiederum Vendulka so erbost, daß sie sich Schmugglern (!) anschließt….Aber schließlich gibt’s ein versöhnliches Ende, und zum Jubel aller den ersten, öffentlichen Kuß der Verbindung!
Ich möchte mir gar nicht vorstellen, was da „innnovative“, „korrekte“ oder „woke“ Regisseure da anstellen könnten. Gott sei Dank ist von all dem in der Produktion in der slowakischen Metropole nichts zu finden. Andrea Hlinkova, von der ich u.a. auch in Banska Bystrica, immer sinnvolle, den Vorgaben aus Libretto und Partitur folgende Arbeiten gesehen habe, hat auch hier die Szenen aus dem bäuerlichen Umfeld mit Witz und Humor erzählt und lebendig und flott auf die Bühne gestellt, in stimmungsvoller Szene von Miriam Struharova und mit bunten, kleidsamen Kostümen ( mit Ausnahme der Vendulka, die waren gar nicht vorteilhaft! ) von Boris Hanecka. Gut, daß es noch solche Spielleiter gibt, die von ihrem Handwerk verstehen und den Schöpfern der Werke dienen und nicht eigene Befindlichkeiten und Modernismen kreieren – Brava!
Jaroslav Kyzlink hatte das musikalische Geschehen sicher im Griff – das Orchester ließ die herrlichen Melodien bestens zur Geltung kommen, folgte in besonderer Spiellaune dem kundigen Maestro. Auch der Chor war nicht nur aktionsreich eingebunden, er ließ auch vokal keine Wünsche offen. Eine ganz exzellente Leistung bot Tomas Juhas als Lukas: sein viriler Tenor wird wie aus einem Guß geführt und hat Eleganz und auch Höhenstrahl vorzuweisen. Seine Vendulka – Maria Porubcinova sang ein wunderbares „Wiegenlied“ mit berückenden piani und herrlich auf Linie. Ihr interessant gefärbter Sopran neigt schon ins „große Fach“ und sie konnte an den entscheidenden Stellen auch mächtig aufdrehen. Ihr Vater Paloucky war beim klangvollen und tiefensicheren Baß des Jozef Benci in besten Händen, auch darstellerisch war er ein Plus der Aufführung. Pavol Remenar als Freund von Lukas und „Kuppler“ war eine köstliche Type mit einem kerig-durchschlagskräftigem Bariton, der seine Stellen prägnant servierte. Aufhorchen ließ das edle Timbre von Matous, dem Anführer der Schmuggler: Ivan Lyvch war sein Name. Ausgezeichnet Denisa Hamarova als Martinka, die alte Verwandte und Vertraute der Braut, mit Witz und sehr gut geführtem, angenehmen Mezzo. Interessanterweise wurde – als einziger Szenenapplaus – die kleine Arie der Magd Barce von Mariana Sajko beklatscht, die ein lebenslustiges Mädchen verkörperte. Pavol Mucha ergänzte tadellos als Polizist.
Ein unbeschwerter Vormittag mit herrlicher Musik wurde am Schluß ausgiebig und zu Recht gefeiert! Das völlig ausverkaufte Haus war zu 75% mit Schulklassen besetzt, die erstaunlich ruhig und diszipliniert waren. Eine Freude zu sehen, daß die Kinder hier in die Oper gebracht werden und mit Kultur zumindest in Erstkontakt kommen. Und dabei auch Oper so erleben dürfen, die man verstehen kann und zumindest die Chance auf ein Wiederkommen aus Interesse lebt! Beim Großteil dessen, was in unseren Breiten auf die Bühne gestellt wird kann man hingegen sicher sein, daß kaum jemand nochmal darauf Lust hat! Gratulation an unsere östlichen Nachbarn! Opernfreunden sei diese Produktion ans Herz gelegt!
Michael Tanzler