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BORNA/ Kultursaal: ÜBERRASCHENDE ENTDECKUNG BEIM „OSTWIND“-KONZERT DES LEIPZIGER SYMPHONIEORCHESTERS

04.02.2019 | Konzert/Liederabende

Borna/Kultursaal: ÜBERRASCHENDE ENTDECKUNG BEIM „OSTWIND“-KONZERT DES LEIPZIGER SYMPHONIEORCHESTERS – 3.2.2019

Passend zu Schnee und Kälte, die im Gegensatz zu den vorausgegangenen Tagen plötzlich eingebrochen waren, entführte das Leipziger Symphonieorchester unter seinem neuen französischen Chefdirigenten Nicolas Krüger die Konzertbesucher im gut geheizten Saal des Stadtkulturhauses Borna, ins Russland (bzw. Sowjetunion) des 20. Jahrhunderts. Was einst das Theater von Borna, einer Stadt in der Umgebung von Leipzig, war, wurde vor Jahrzehnten zum Kulturhaus umgebaut, macht aber jetzt einen durchaus einladenden Eindruck und wird u. a. vom Leipziger Symphonieorchester „bespielt“.

Mit Nicolas Krüger, einem hoffnungsvollen Dirigenten der jüngeren Generation, der in Wien studiert hat, zog frischer Wind ins Orchester ein, der mitunter kraftvoll-kühl, aber auch sehr melodisch an diesem Abend aus Europas Osten herüberwehte. Eingeleitet mit der „Sinfonie Nr. 1 D‑Dur (op. 25) der „Klassischen“ von Sergej Prokofjew, hier eher russisch-kraftvoll und weniger Serenaden-haft, wie man sie sonst hört, oder zierlich getupft a la Mozart oder Haydn gespielt, brachte das Programm einen eindrucksvollen Überblick über das Musikschaffen nonkonformistischer oder auch angepasster russischer Komponisten in durchaus schwieriger Zeit, deren kompositorische Leistungen nicht unbedingt von ihrer politischen Haltung abhängig gemacht werden sollten.

Als große Überraschung erwies sich das „Konzert für Harfe und Orchester“ (op. 74) von Reinhold Gliere, dessen Eltern aus Sachsen in die Ukraine auswanderten, wo er seinen Namen, der damaligen Mode entsprechend, französierte, um interessanter zu wirken. Der Name des Komponisten taucht gelegentlich in den deutschen Konzertprogrammen auf, sein dreisätziges Harfenkonzert jedoch nicht, obwohl es nach Internet-Umfragen das beliebteste überhaupt sei (von der CD. In seiner melodischen Schönheit, seinem volkstümlich eingängigen Tonfall, beeinflusst von der russischen Nationalfolklore, aber auch der anderer Völker, war es eine überraschende Entdeckung, die einmal mehr Tschaikowskys Behauptung, die Harfe eigne sich nur als Begleitinstrument, widerlegte.

Den sehr anspruchsvollen Solopart meisterte Anna Verkholantseva vom ORF Radiosinfonieorchester Wien im wahrsten Sinne des Wortes. Mit dem kraftvollen Ton ihrer, wie für das Harfenspiel geschaffenen, Finger setzte sie sich mit ihrem Solopart gegen das nicht unbedingt zurückhaltende Orchester durch. Da ging kein einziger Ton des Soloinstrumentes, dessen Lautstärke naturgemäß begrenzt ist, verloren. Sehr exakt, mit klassischer Klarheit, perfekt dezidiert schönen Glissandi, lebhaften Arpeggien und einer ausgedehnten Kadenz, bei der ihr großes Können besonders in den Blickpunkt rückte, und musikalischem Gefühl brachte sie diesem Konzert viele neue Freunde „auf einen Streich“. Schade nur, dass es so selten oder gar nicht im Konzertsaal erklingt.

Melodisch und klangvoll erwies sich auch die Ouvertüre zur Oper „Chowantschina“ von Modest Mussorgski in der Bearbeitung von Nikolai Rimski-Korsakow, 5 Minuten Schwelgen in schönen Klängen als „Vorspiel“ der von Mussorgski unvollendet hinterlassenen Oper, die meist in der Ergänzung von Dmitri Schostakowitsch gegeben wird, dessen „Sinfonie Nr. 9“ Es‑Dur (op. 70) den Höhepunkt und Abschluss dieses Konzertes bildete. Von getupften Klängen bis lautstarken Passagen, rhythmisch forciert und marschähnlich betont, bildete es den Hauptteil und Abschluss dieses Konzertes. Nach der begeisterten Aufnahme durch das Publikum wurde das Finale noch einmal als Zugabe wiederholt.

 Ingrid Gerk

 

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