„Farbe ist Programm“ in der Bonner Bundeskunsthalle
Von Andrea Matzker und Dr. Egon Schlesinger
Die Ausstellung „Farbe ist Programm – Teil Eins“ zeigt bis zum 7. August 2022 Exponate aus über 100 Jahren, die die kunst- und kulturgeschichtliche Bedeutung und Wirkung der Farbe als künstlerisches Mittel darstellen. Sämtliche Kuratorinnen der Bundeskunsthalle arbeiteten an der Entstehung dieser Ausstellung mit und hatten ihre eigenen Forschungsschwerpunkte. Der Titel ist mit dem Zusatz Teil Eins versehen, um auf die Unvollständigkeit und jederzeit mögliche Weiterführung des reichhaltigen Themas zu verweisen. „Colour is attraction (Farbe ist Attraktion), die uns reinzieht, und dann entdecken wir etwas Anderes“, so der Ausstellungsarchitekt und Designer Liam Gillick.
Das Gesamtwerk von Hans Op de Beeck, geboren im Jahr 1969, zeichnet sich durch den Entzug von Farben aus. So auch sein Stillleben mit dem Vanitas-Aspekt der Vergänglichkeit in grau, das gleich am Eingang der Ausstellung auf dem Boden angeordnet ist.
Farbe ist Programm: Vanitas-Stillleben von Hans Op de Beeck. Foto: Andrea Matzker
Gleich darüber in der Exposition zeigt einer der ersten handkolorierten Filme aus dem Jahr 1895 die Choreografie und innovative Inszenierung mit farbigen Lichtprojektionen der amerikanischen Tänzerin Loie Fuller (1862-1928), die den Serpentinentanz entwickelte, besondere Lichtspiele einführte und somit eine Wegbereiterin des modernen Tanzes war. Das Werk trägt den Titel Annabelle Serpentine Dance.
Farbe ist Programm: Annabelle Serpentine – Dance 1895. Foto: Andrea Matzker
Die Avantgardistin der Klassischen Moderne, Sophie Taeubner-Arp, lebte von 1889-1943 und setzte eine abstrakte Formensprache und kompositorische Farbvariationen ein. Sie gehört zu den Protagonisten des Dadaismus. In der Ausstellung wird eine von ihr und unter anderem auch ihrem Ehemann Hans Arp entworfene Foyer-Bar aus dem Straßburger multifunktionalen Vergnügungszentrum Aubette in einer Teilkonstruktion wieder zum Leben erweckt, und ist somit als Kunstwerk in der Ausstellung begehbar.
Farbe ist Programm: Begehbares Kunstwerk von Sophie Taeubner-Arp.Foto: Andrea Matzker
Helen Frankenthaler war eine US-amerikanische Künstlerin, lebte von 1908-2011, gehört zu den Abstrakten Expressionisten und gilt als Farbmagierin mit ihren Werken, die sie meistenteils auf dem Boden liegend malte. 1952 erfand sie die Soak Stained Method, die Technik von Schüttbildern, bei der sie stark mit Terpentin verdünnte Farbe auf eine ungrundierte, am Boden liegende Leinwand goss und dadurch leuchtende Farbbilder schuf.
Farbe ist Programm: Zarathustra Helen Frankenthaler 1988. Foto: Andrea Matzker
Ein gesamter tiefvioletter Raum ist dem Künstler Carsten Fock, geboren 1968, und seinem Werk mit dem Titel Every Day is a Day (or Rebellion) aus dem Jahre 2022 gewidmet.
Farbe ist Programm: Every day is a Day or Rebellion. Carsten Fock, 2022. Foto: Andrea Matzker
Auch der herrlichen Blumenpracht von Willem de Rooij, geboren 1969, ist ein gesamtes Kabinett gewidmet. Das weiße Bouquet IX in dunklem Ambiente aus dem Jahre 2012 besteht ausdrücklich aus weißen Lilien, Rosen, Gerbera, Chrysanthemen, Gladiolen und Anthurien, die alle regelmäßig ausgetauscht und sorgsam nach klaren Vorgaben neu gesteckt werden. Das dreidimensionale Stillleben huldigt der Schönheit der Natur und offeriert zugleich eine olfaktorische Wahrnehmungsebene, besonders durch den starken Duft der Lilien. Zum Konzept des Künstlers gehört eine Interaktion mit dem Werk und eine gemeinsame Fürsorge. Trotz des Monochronismus sei auf die feinen Unterschiede und die Nuancen der Farbe Weiß verwiesen.
Farbe ist Programm: BouquetIX 2012. Willem de Rooij. Foto: Andrea Matzker
Andrea Matzker & Dr. Egon Schlesinger