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BOLOGNA/ Teatro Comunale : SALOME – Alternativbesetzung

Doris Soffel als Herodias-Urgestein!

21.02.2019 | Oper

BOLOGNA: SALOME – 20. Februar 2019

Doris Soffel als Herodias-Urgestein!


Doris Soffel. Foto: Andrea Ranzi/Sudio Casaluci

 Am Abend nach der großartigen „Salome“-Aufführung (Bericht weiter unten) sah ich mir auch noch die Dernière der fünf Aufführungen am Teatro Comunale mit der Alternativbesetzung in drei zentralen Rollen an. Da der Bericht vom 19. Februar recht ausführlich war, werde ich mich mit dem 2. Bericht zur Produktion auf diese drei Rollen beschränken. Als erste ist Doris Soffel zu nennen, die – das darf man in diesem Zusammenhang wohl sagen – bereits 70 ist, eine Charakterstudie der Herodias gab, die man nur selten zu sehen und hören bekommt. Immer noch bei kräftiger Stimme, verfügt Soffels Mezzosopran über starke Attacke und eine Phrasierungskunst, mit der sie die ganze Exzentrizität und Zickigkeit, aber auch die Boshaftigkeit der Frau des Herodes nahezu perfekt darzustellen vermag. Da spielte keine Rolle mehr, dass man nicht jedes Wort verstand. Bei ihrem Auftritt kann man Salome einmal nicht glauben, die den Einfluss der „Stimme meiner Mutter“ auf ihren Wunsch, den Kopf des Jochanaan zu haben, kleinzureden versucht. Herrlich, wie Soffel jeden Versuch des Herodes, Salome von anderen „Gütern“ zu überzeugen, der Lächerlichkeit preisgibt. Der Tetrarch ist wahrlich nicht zu beneiden um diese Gattin… Während Lioba Braun am Vorabend vor allem auf die gesangliche Linie setzte und dabei ebenfalls eine gute Herodias verkörperte, überwogen bei Soffel stimmliche Erratik und schauspielerische Exaltiertheit. Noch immer klingt mir ihr „Heiss‘ sie schweigen!“ im Ohr…


Tuomas Pursio. Foto: Andrea Ranzi/Sudio Casaluci

Der junge Finne Tuomas Pursio sang diesmal den Jochanaan und konnte vor allem darstellerisch durch starkes physisches Engagement und einen guten mimischen Ausdruck, wie im Prinzip auch stimmlich überzeugen. Letztes Jahr erlebte ich ihn in Leipzig noch als „Rheingold“-Wotan, „Siegfried“-Alberich und Gunther, wobei er mir schon durch seinen prägnanten Bassbariton auffiel. Den konnte er auch hier wieder einsetzen, fand aber bei der ja viel komplexeren Rolle des Jochanaan nicht immer zur besten Atemtechnik, wobei es dann auch zu etwas unkontrolliert vornehmlich laut klingenden Tönen ohne breiteres stimmliches Fundament kam. Als „Rheingold“-Wotan gefiel Pursio mir wesentlich besser, verlangt dieser doch kein solch hohes Maß an Facettenreichtum in der Phasierung wie der Jochanaan, bei dem sie sich zwischen enormer Expressivität in der Ablehnung der Herodias und Salomes sowie lyrischem Legato in der Galiläa-Erzählung spannt. Und dabei kommt es auch auf eine satte Tiefe des Bassbaritons an. Ich bin aber sicher, dass der noch recht junge Pursio weiter in diese Rolle hineinwachsen wird.


Ausrine Stundyte. Foto: Andrea Ranzi/Sudio Casaluci

Last, but definitely not least, gab es mit der jungen Lettin Ausrine Stundyte auch eine andere Salome, ein ganz andere. Schon ihr Timbre ist viel tiefer als das von Elisabet Strid, die am Abend zuvor zu hören war. Das wirkt somit bisweilen etwas charaktervoller, die Stimme verliert aber schnell an vokaler Prägnanz, wenn man die undeutliche Tongebung bei einer wirklich verbesserungsbedürftigen Diktion in Rechnung stellt. Man verstand oft selbst bei ruhigeren Phrasen kein Wort. Manches klang auch so, als würden Töne einzig und allein um ihrer Entwicklung willen gebildet, nicht aber, um mit der jeweiligen Phrase etwas Bestimmtes auszudrücken. Auch klang Stundytes Stimme wie gedeckt – sie öffnete sich nicht zu einem prägnanten vokalen Ausdruck. Mimisch, was ja bei dieser Rolle und ihren vielen Facetten im Wechselspiel mit Jochanaan, Herodes und Herodias, ja selbst noch mit Narraboth so bedeutsam ist, erinnerte man sich immer wieder an die Kunst Strids. Möglicherweise ist deren Perfektion auf dem Gebiet des mimischen Ausdrucks aber auch nicht zu toppen. So blieb Stundyte doch erheblich hinter dem Eindruck des Vorabends zurück und damit auch diese zweite „Salome“.

Zum positiven Gesamteindruck dieser beiden Abende trug aber auch bei, dass man sie in einem Bologna erleben konnte, welches mit vielen Kirchen und Profanbauten aus dem Quatro- und Cinquecento, ja zum Teil auch noch aus dem Mittelalter, den charakteristischen beiden Geschlechtertürmen (Due torri) und den endlosen Kolonnaden nur so strotzt. Auch ohne Teatro Comunale ist diese historisch bedeutsame Stadt immer eine Reise wert, wobei man keinesfalls einen Besuch der Pinakothek auslassen darf, die die großartige Escola Bolognese der Malerei zeigt. Sie ist mit Sicherheit besser als das, was der geschätzte Dottore in „Gianni Schicchi“ mit seiner Escola Bolognese der Medizin meint… Das traditionsreiche Teatro Comunale wird unterdessen nun für Wochen in einen Tiefschlaf versinken, bevor wieder eine Oper in stagione gespielt werden wird. Wie schade, dass man ein solches Haus, in dessen Foyer es sogar zu einer visuellen Begegnung von Richard Wagner und Giuseppe Verdi kommt, die sich über dem Eingang zum Parkett auf zwei Bronzetafeln herrschaftlich anblicken, nur an etwa 50 Abenden im Jahr mit Oper bespielt. Immerhin nahm diese ja ihren Ursprung nicht weit von hier, in Florenz. Allein wegen dieser beiden Bronzetafeln sollte der Opernliebhaber dann doch schonmal herkommen…

Klaus Billand aus Innsbruck

 

 

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