CD BOHUSLAV MARTINU: DOPPELKONZERTE, RHAPSODY KONZERT, PENTATONE
Orchestre Philharmonique de Marseille, Lawrence Foster
Für Deborah und Sarah Nemtanu, die beiden Geigen-Solistinnen des zweisätzigen Konzerts für zwei Violinen und Orchester H. 329, ist diese osteuropäisch grundierte Musik in ihrer tänzerischen Freude und folkoristischen, dennoch modernen Natur nichts weniger als eine Offenbarung an passionierter Eingebung für ihr Instrument. Anders sehen die Schwestern Momo und Mari Kodama am Klavier das als „barockes“ Concerto grosso angelegte Doppelkonzert für zwei Klaviere und Orchester H. 292: Sowohl musikalisch als auch spieltechnisch ungemein anspruchsvoll für die Solisten, ist Martinus Konzert eine hochkomplexe Konstruktion von beißender Ironie, ein mysteriöser Dschungel, in dem man trotz aller emotionalen und rationalen Strenge leicht verloren gehen kann. Intuition in der konzentrierten Interpretation, ein perfekt austariertes Timing und ein wild kräftiges Klangbild lassen all diese Klippen umschiffen.
Schon diese beiden Statements zeigen, was für ein „undogmatischer Nomade“ Bohuslav Martinu war. Äußerst heterogene Elemente haben Martinus Musikschaffen neben den Wurzen der großen tschechischen Traditionen beeinflusst, von Honegger, Stravinsky und der Schule des Neoklassizismus bis hin zu Jazz und englischen Madrigalen. Dennoch hat Martinu einen so unverwechselbaren Stil geschaffen, dass zumindest nach und nach das auf den ersten Blick eklektische Werk sich final in ein ständiges Suchen nach der Bedeutung des Lebens, der Wahrheit bzw. einen Kampf gegen Uniformismus und Mechanisierung wandelt.
Der in Böhmen geborene Komponist studierte zuerst (nicht wirklich erfolgreich) Violine und Orgel. Nach dem ersten Weltkrieg spielte er in in der Tschechischen Philharmonie Geige, bevor er mit einem Stipendium bewaffnet nach Paris ging, um bei Albert Roussel neue Impulse zu suchen. Aus drei Monaten wurden 17 Jahre Frankreich. Erst die Invasion der Deutschen 1940 zwang Martinu, in die USA zu fliehen, wo er die auf dieser CD eingespielten fantastischen Konzerte schuf. Das verspielte und experimentelle Rhapsody Konzert für Viola und Orchester H. 337 (mit poetisch sonorem Violaspiel Magali Demesse) komplettiert eine tolle CD nach wie vor selten gespielten Repertoires.
Dank des Engagements Lawrence Fosters, der Qualität des Klangkörpers aus Marseille und hochvirtuoser, musikantisch leidenschaftlicher Solistinnen bietet das Album nichts weniger als eine freudvolle und erkenntnisreiche Hörerfahrung, die uns Neues über das Musikschaffen im 20. Jahrhundert aber auch unsere Gegenwart erzählt.
Dr. Ingobert Waltenberger