Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

BÖHMERWALD – WÄRME FÜR WIEN UND FÜR URLAUBER

02.09.2013 | KRITIKEN, REISE und KULTUR

Böhmerwald – Wärme für Wien und für Urlauber, 01.09.2013 von Ursula Wiegand

Sanfte Bergketten, liebliche Täler – so harmonisch präsentiert sich Mitteleuropas größtes Waldgebiet auf der österreichischen Seite. Hier heißt es Böhmerwald und ist die Fortsetzung des Bayerischen Waldes. Schroffer und felsiger zeigt es sich im tschechischen Teil und trägt dort den slawischen Namen Šumava, was dichter Wald bedeutet.

Böhmerwald, abends an den Hochbuchetfelsen nahe Aigen Böhmerwald, abends an den Hochbuchetfelsen nahe Aigen. Foto: Ursula Wiegand

In meinen Ohren klingt dieses Wort wie das Rauschen der Baumwipfel, das Murmeln der Bäche und Summen der Bienen. All’ das findet sich auch im Böhmerwald. Insbesondere im Dämmerlicht vereinen sich Klang und Landschaft zu einem herzerwärmenden Erlebnis. Natürlich gibt es hier Holz in Hülle und Fülle, und lange Zeit hat es das frierende Wien erwärmt. Denn in der Reichshauptstadt, die im 18. Jahrhundert stark gewachsen war, mangelte es an Brennholz. Es aus dem Böhmerwald herbeizuschaffen, bot sich an.  Problematisch war nur das Wie. Die zündende Idee hatte Joseph Rosenauer, ein äußerst findiger Forstingenieur im Dienst von Fürst Schwarzenberg. 1774 legte ihm der 39Jährige den Entwurf für einen Schwemmkanal vor, der den Holztransport von der Moldau zur Donau ermöglichen sollte. Ein schwieriges Unterfangen, musste dabei doch die 790 m hoch gelegene kontinentale Wasserscheide überwunden werden.

Böhmerwald, Holzflößen im Schwarzenbergischen Schwemmkanal Böhmerwald, Holzflößen im Schwarzenbergischen Schwemmkanal. Foto: Ursula Wiegand

Fünf  Jahre später stimmte Schwarzenberg zu, doch erst 1789 begann der Bau. 1.200 Leute schufteten 3 Jahre lang rund um die Uhr. Mit Erfolg. Von 1792 bis 1888 wurden 8 Millionen Raummeter Holz auf dem Schwarzenbergischen  Schwemmkanal befördert. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs erweckte man dieses technische Wunderwerk zu neuem Leben. Nun veranstaltet Ewald Fuchs viermal jährlich ein  Schauschwemmen an der nun offenen österreichisch-tschechischen Grenze. Wie einst werfen die Männer 1 m lange Holzstücke ins dahinströmende Wasser. Die Frauen, ausgestattet mit Schwemmstangen, achten darauf, dass sie sich nicht verkeilen. Traditionelles zu beleben, zu pflegen und neue Ideen zu entwickeln. ist offenbar ein Charakterzug der Böhmerwald-Bewohner. So bietet Agnes Hüttner in ihrer Erlebnisimkerei in Peilstein, nicht nur Blüten-, Wald- und Ingwerhonig oder Gelee Royal. Sie und ihr Mann Heinrich haben sogar eine Bienenluftkur entwickelt. Das Einatmen der Dämpfe aus dem Bienenstock soll Asthma heilen oder lindern helfen, speziell bei Kindern. Einige Skilangläufer, die sportbedingt unter Asthma leiden, kommen nach ihren Worten jedes Jahr.

Böhmerwald, Waldpädagogin Berta Pfoser kocht Pechsalbe Böhmerwald, Waldpädagogin Berta Pfoser kocht Pechsalbe. Foto: Ursula Wiegand

Der Natur auf der Spur ist auch die Waldpädagogin Berta Pfoser. Die erklärt den Besuchern anhand der Nadeln den Unterschied zwischen Fichte und Tanne. „Die Fichte sticht, die Tanne nicht,“ lautet ihr Merksatz. Dann wird Pech, sprich Baumharz gesammelt. Daraus köchelt sie unter Zusatz von Schweineschmalz (oder Olivenöl) die keineswegs schwarze, sondern weiße Pechsalbe. Ein altbekanntes, desinfizierendes Wundheilmittel für Mensch und Tier. Selbst die frühere „Sommerfrische“ kommt wohl wieder in Mode. „Der Böhmerwald ist ein Ziel für Ruhe-Suchende,“ beobachtet Reinhold List, Geschäftsführer vom Tourismusverband. Doch der Billig-Urlaub der 1970’er Jahre ist passé und nicht mehr gefragt.

Böhmerwald, Aigen im Mühlviertel Böhmerwald, Aigen im Mühlviertel. Foto: Ursula Wiegand

Die heutigen Gäste erwarten Komfort und finden ihn beispielsweise im Superior Wellnesshotel Almesberger (www.almesberger.at) in Aigen, einem hübschen Ort im Tal der Großen Mühl. Von der einstiger Bedeutung als Handelsstadt kündet noch die ansehnliche Häuserreihe am Marktplatz. 1901 hat man sich sogar eine neogotische Kirche geleistet. Die freundliche Umgebung tut gut, und dazu gehört auch das Stift Schlägl.

Blick auf das Stift Schlägl Blick auf das Stift Schlägl. Foto: Ursula Wiegand

Als geistig-kulturelles Zentrum des Oberen Mühlviertels prägt es auch optisch die Landschaft. Seit 1218 tun hier die Prämonstratenser ihr Werk. Die ersten Ordensleute kamen aus dem niederbayrischen Kloster Osterhofen und mussten erstmal den Urwald roden. „Wir leben nach den Regeln des Hl. Augustinus,“ erklärt Martin Felhofer, seit 1989 Abt des Chorherrenstifts. Diese lauten: communio (in der Gemeinschaft leben), contemplatio (beten und meditieren) und actio (tätig sein). Das Kloster betreut 24 Pfarreien und ein Krankenhaus, sorgt für Religionsunterricht in den Schulen, veranstaltet Seminare und bietet auch Urlaubern Zimmer mit Verpflegung (www.stift-schlaegl.at).

Stift Schlägl, Abt Martin Felhofer in der Krypta, I Stift Schlägl, Abt Martin Felhofer in der Krypta, I. Foto: Ursula Wiegand

„Das Kloster soll in unserer Zeit ein Wegweiser sein,“ betont der Abt. Gerne zeigt er uns die romanische Krypta, die Bibliothek, die Gemäldesammlung und schließlich die prächtige Stiftskirche mit ihren zwei Altären und den beiden Orgeln. Die Doppelorgelkonzerte sind berühmt. Musikalisch untermalt wird auch die Vesper. „Musik ist für uns sehr wichtig,“ sagt Felhofer. „Wer singt, betet doppelt,“ zitiert er St. Augustinus.

Schlägl, Karl Schiffner, Biersommelier Weltmeister Schlägl, Karl Schiffner, Biersommelier Weltmeister. Foto: Ursula Wiegand

Manchen Menschen ist das im Kloster gebraute Schlägl-Bier ebenso wichtig. Vielerorts wird es ausgeschenkt, so im Gasthof Schiffner gegenüber vom Kloster. Doch damit nicht genug. Karl Schiffner ist Biersommelier Weltmeister (!) und hat rd. 150 Biersorten parat, darunter auch durchaus eigenwillige Kreationen. (www.biergasthaus.at)   Ob Martin Felhofer die auch mal kostet? Jedenfalls trinken er und seine 41 Mitbrüder (im Alter von 20 – 84 Jahren) zu den Mahlzeiten Bier. „Aber immer mäßig,“ lächelt der Abt. „Wir leben aus dem Glauben, stehen aber mitten im Leben,“ fügt er an, und das müssen sie auch. Immerhin besitzt und bewirtschaftet das Stift 6.000 Hektar Wald und finanziert damit  sämtliche Renovierungsmaßnahmen. Das 1338 m  hoch gelegene Skigebiet Hochficht mit seiner Drei-Bergeskischaukel nahe dem Dreiländereck gehört ebenfalls dem Kloster. Hier schwingt der sportliche 66Jährige gerne die Hänge hinunter.

Böhmerwald, auf dem Aussichtsturm Moldaublick Böhmerwald, auf dem Aussichtsturm Moldaublick. Foto: Ursula Wiegand

An den Wochenenden kommen auch viele Tschechen in dieses Skigebiet. Andererseits strömen die Böhmerwäldler im Sommer zum Schwimmen und Paddeln an den tschechischen Lipno-Stausee, den sie früher nur vom Aussichtsturm Moldaublick (137 Stufen) bestaunen konnten.

Böhmerwald, ideal zum Wandern Böhmerwald, ideal zum Wandern. Foto: Ursula Wiegand

Schlagbaumfrei pendeln Wanderer und Radler hin und her. „Wir sind nicht mehr an der Grenze, sondern mitten in Europa,“ bringt es Abt Felhofer auf den Punkt. Die offenen Grenzen sind ein Gewinn für alle.

Böhmerwald, zweisprachiger Wegweiser Böhmerwald, zweisprachiger Wegweiser. Foto: Ursula Wiegand

Auch die bis zum 3. November laufende Oberösterreichische Landesausstellung „Alte Spuren – neue Wege“ hat die Chance ergriffen und die Zisterzienserabtei Hohenfurth – das heutige Vyšší Brod – mit eingebunden. So wächst kulturell wieder zusammen, was jahrhundertelang zusammengehörte. Der Besuch der großartigen, drinnen frisch restaurierten Stiftskirche und der Ausstellung wird zu einem berührenden Erlebnis.

Zisterzienserabtei Yissí Brod (Hohenfurth), 1 Zisterzienserabtei Yissí Brod (Hohenfurth). Foto: Ursula Wiegand

Großen Anteil an den dortigen Instandsetzungen hat der oberösterreichische „Verein zur Förderung des Zisterzienserstiftes Hohenfurth“. 24 Privatpersonen und 22 Unternehmen aus Österreich, Tschechien, Deutschland, Kanada und Brasilien engagieren sich für dieses 1259 von den Rosenbergern als letzte Ruhstätte gegründete Kloster.

Seit der „Samtenen Revolution“ von 1989 beten und arbeiten dort wieder einige Mönche, und wie durch ein Wunder ist das im Mittelalter sehr verehrte Gnadenbild der Madonna von Hohenfurth ebenso erhalten geblieben wie die Rokoko-Bibliothek mit ihren 70.000 Bänden. Überlebt hat dort auch die Beutekunst, die die Nazis im Kreuzgang gelagert hatten. 

Zisterzienserabtei Yissí Brod, Hohenfurther Madonna von 1420 Zisterzienserabtei Yissí Brod, Hohenfurther Madonna von 1420. Foto: Ursula Wiegand

Das weitaus kostbarste Stück ist jedoch das Zawisch-Kreuz aus dem 13. Jahrhundert, hochfein gefertigt aus reinem Gold und besetzt mit zahlreichen Edelsteinen. Experten des Metropolitan Museum in New York zählen es zu den 10 wertvollsten Kunstschätzen weltweit. Für gläubige Menschen verleiht ihm anderes einen unschätzbaren Wert: die darin befindliche Reliquie – ein Holzsplitter (angeblich) vom Kreuz Christi. Dass dieses Holz  2.000 Jahre alt ist, haben Untersuchungen Prager Wissenschaftler schon zu kommunistischer Zeit  ergeben.

Zisterzienserabtei Yissí Brod (Hohenfurth), Zawisch-Kreuz, 13. Jahrhundert Zisterzienserabtei Yissí Brod (Hohenfurth), Zawisch-Kreuz, 13. Jahrhundert. Foto: Ursula Wiegand

Das Zawisch-Kreuz ist nun zum ersten Mal seit 70 Jahren  (von zwei  kurzen Ausnahmen in Prag und Moskau abgesehen) unter hohen Sicherheitsvorkehrungen im Rosenberger-Oratorium der Stiftskirche Hohenfurth zu sehen. Eine schmale mittelalterliche Wendeltreppe führt hinauf in diesen Raum. Dr. Klaus Zerbst, Obmann des Fördervereins, erwähnt vorab den „splendor mysticus“, den mystischen Schein, den dieses Kreuz ausstrahlt. Tatsächlich können sich auch eher rationale  Besucher der Faszination dieses einmaligen Kunstwerks und seinem warmen Glanz nicht entziehen. So wird der Besuch von Hohenfurth zu einem Highlight unserer  Böhmerwald-Reise.

Infos zur Ferienregion Böhmerwald unter www.boehmerwald.at, zu Offerten für Gäste unter www.bohmerwaldschule.at.  – Infos zur Abtei Hohenfurth (Vyšší Brod) unter www.klastervyssibrod.cz und http://www.mestovyssibrod.cz/zemska/. Beginn der letzten Führung um 16.00 Uhr, an Sonntagen erste Führung um 12.30 Uhr, nach der Messe um 10 Uhr. Bestellung von Kombi-Tickets für oberösterreichische Ausstellungsorte plus Hohenfurth per Mail m.office@landesausstellung-ooe.at

 

Diese Seite drucken