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BLINDENMARKT / Ybbstalhalle: DER GRAF VON LUXEMBURG

08.10.2022 | Operette/Musical
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Das Ensemble in paarweiser Aufstellung. Alle Fotos: Herbsttage Blindenmarkt / Lukas Beck

BLINDENMARKT / Ybbstalhalle: Premiere von DER GRAF VON LUXEMBURG

7. Oktober 2022 (Premiere)

Von Manfred A. Schmid

Im Mittelpunkt von Lehárs 1909 im Theater an der Wien unter der Leitung von Robert Stolz uraufgeführte Operette steht Graf René, der aus Geldgründen eine Frau heiratet, die er gar nicht zu Gesicht bekommen und anrühren soll. Ihre Verbindung dient nämlich nur dazu, dass sich die Sängerin Angèle standesgemäß zur Gräfin emporheiratet, um 30 Tage später, nach vollzogener Scheidung, den schon etwas tattrigen russischen Fürst Basil zu ehelichen. „Sie geht links, er geht rechts, Mann und Frau; jeder möcht’s, ideal ist solche Ehe, schmerzlos ohne jedes Wehe!“ ist die Gebrauchsanweisung, die ihnen Basil mit auf den Weg gibt, Doch schon bei der Hochzeit, bei der die beiden nur durch eine Loch in einem Paravent die Hand des jeweils anderen zum Überstreifen des Rings ergreifen dürfen, scheinen sie irgendwie zu ahnen, dass aus der geschäftlichen, gesichtslosen Vereinbarung – Angèle erwartet von Fürst Basil in ihrer künstlerischen Karriere gefördert zu werden – vielleicht doch mehr werden könnte. Dazu genügt allein schon das Hören der Stimme des unsichtbaren Gegenübers, was sie in ihrem ersten, austastenden Duett „Bist du’s, lachendes Glück, / das jetzt vorüberschwebt?“ zum Ausdruck bringen. Eine Melodie, die leitmotivisch immer wieder auftauchen wird  und auf das zu erwartende Happyend zusteuert. Nachdem die beiden im späteren Verlauf der Handlung tatsächlich einmal vis à vis einander gegenüberstehen, beginnt René nach und nach zu entschlüsseln, wer diese bezaubernde Angèle wirklich ist: seine ihm unbekannterweise angetraute Frau!

Clemens Kerschbaumer, im Sommer als Rodolfo in der – ebenfalls unter der Intendanz von Intendant Michael Garschall stehenden – Klosterneuburger La Bohème eingesetzt, ist mit seinem hellen, schmeichelnden Tenor, dem Operetten-Schmelz zu eigen ist, ohne aber in Operetten-Schmalz abzugleiten, eine vortrefflich Besetzung für die Rolle des Graf von Luxemburg und weiß auch darstellerisch zu überzeugen. Die Szene, wenn der „Heiratsgraf“. allein auf der Bühne stehend, Angèles Handschuh vom Boden aufhebt, den von ihr im Raum hinterlassenen Parfümgeruch „Trèfle incarnat“ wahr– und die Bühne mehr und mehr in Beschlag nimmt, bis er schließlich zur schlüssigen Erkenntnis kommt, mit wem er es zu tun hat, gehört zu den bewegendsten des Abends.

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Clemens Kerschbaumer (René) und Kerstin Grotrian (Angèle), rechts Steven Scheschareg (Fürst Basil)

Die hier klar erkennbare exzellente Personenführung zeichnet die traditionelle, den Zauber des Pariser Ambientes voll auskostende Regie von Wolfgang Gosch aus. Turbulent geht es zu, die Balletteinlagen (Choreographie Monica Ivona Rusu-Radman) wirbeln über die Bühne und erzeugen geradezu offenbachiadische Can-Can-Stimmung. In der Szene in der ärmlichen Wohnung des Malers  Armand (Bühne Marcus Ganser) , in der die merkwürdige Hochzeit stattfindet, findet sich ein Nachhall von Zefirellis Wiener La Boheme-Inszenierung wieder, was nicht nur der Handlung entspricht, sondern sich auch in Lehárs Musik findet. Lehárs neuartige Klangfarbenkünste, die gegenüber der Tonsprache in Die Lustige Witwe reichhaltiger und exotischer geworden ist, hat viel seinem Kollegen und Freund Giacomo Puccini zu verdanken, mit dem ihn eine gegenseitige ehrliche Wertschätzung verband. Allein schon die orchestrale Einleitung, die mit ein paar Akkorden direkt in das bunte Treiben einsteigt und der traditionellen Ouvertüre eine Absage erteilt, wäre ohne Puccini kaum zu denken.

Das Kammerorchester Ybbsfeld unter der Leitung von Kurt Dlouhy leistet, nach einem etwas zögerlichen Beginn, gute Arbeit. Die Tanzrhythmen signalisieren Karnevalsstimmung, es gibt aber auch slawische Einsprengsel, wenn etwa Fürst Basil seine einstige Potenz als feuriger Polkatänzer wiederzubeleben sucht: „Ein Löwe war ich im Salon, im Liebeskampf ein Tiger.“  Der wandlungsfähige Bariton von Steven Scheschareg und dessen komödiantisches Talent sorgen für viele Lacher, bis er schließlich erkennen muss, dass aus der Verehelichung mit Angèle nichts wird und er mit seiner urplötzlich angereisten Langzeitliebe, Gräfin Stasi (Susanna Hirschler) vorliebnehmen muss, die mit ihrem Auftrittslied ein Kabinettstück an Komik liefert und so nebenbei den Hotelboy (Kilian Berger) verführerisch in Bedrängnis bringt.

Kerstin Grotrian ist als bezaubernde Angéle Didier eine leichtfüßig dahinschwebende Sängerin und gibt mit dem feschen Graf von Luxemburg ein sympathisches Paar ab. Eigentlich eher mit einem Soubretten-Sopran ausgestattet, bewährt sie sich gut in dieser stimmlich herausfordernden Partie. Dass sie darstellerisch, von Irina Hofer  (Kostüme) bestens ausgestattet, eine Freude ist, war zu erwarten.

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Verena Barth-Jurca (Juliette) und Peter Kratochvil (Armand).

Als Buffopaar sorgen Verena Barth-Jurca (Juliette Vermont) und Peter Kratochvil (Armand Brissard) für abwechslungsreiche, zuweilen durch Eifersuchtsanfälle des erfolglosen Malers gegenüber seiner im Showgeschäft tätigen Verlobten leicht getrübte, Frohsinn verbreitende Stimmung. Stellenweise singt Verena Barth-Jurca etwas zu leise, was auch bei anderen Mitwirkenden zu registrieren ist. Ob vielleicht nicht doch die Installierung einer Tonanlage in der – bis auf den letzten Platz gefüllten Ybbsfeldhalle – überlegenswert wäre?

Der Auftakt der Herbsttage Blindenmarkt ist jedenfalls gelungen. Standing Ovations zeigen, dass das Publikum, vermutlich vorwiegend aus dem Mostviertel kommend, mit Recht auf das um einige Neuerungen angereicherte Festival stolz ist. Seit 33 Jahren ist Intendant Michael Garschall ein Garant für qualitätvolle Unterhaltung. Chapeau und weiter so!

 

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