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BLINDENMARKT/Herbsttage/Ybbsfeldhalle: MASKE IN BLAU von Fred Raymond als fulminantes Spektakel

14.10.2024 | Operette/Musical

Michael Garschall feiert für sein Publikum „35 Jahre Blindenmarkter Herbsttage“ – Fred Raymonds „Maske in Blau“ als fulminantes Spektakel

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Fotos: Lukas Beck

Das speziell der Musikgattung Operette gewidmete Mostviertel-Festival „Herbsttage Blindenmarkt“ wurde vor 35 Jahren vom einheimischen Kulturmanager Michael Garschall gegründet. Das Konzept Garschalls: Er bietet seinem Publikum nicht nur die Palette der seinerzeit von Marcel Prawy als bleibende Repertoire-Hits bezeichneten Standardwerke, nein! Er bietet seinen Fans etwa heuer Fred Raymonds „Maske in Blau“ und 2025, dem „Johann-Strauss-Jahr“, ein eher unbekanntes Werk von Oscar Straus: den „Schokoladensoldat“.

Als Dauergast der letzten 35 Jahre konnte ich diesmal krankheitsbedingt nicht die Premiere besuchen, sondern nahm an einer der Folgevorstellungen – ausverkauft wie die gesamte Serie – mit Autobuszubringer teil. Der Intendant begrüßte dabei zahlreiche Seniorenbünde samt ihren Organisatoren.

Die „Maske in Blau“ wurde am 27. September 1937 im Metropoltheater Berlin erstaufgeführt. Direktor Heinz Hentschke schrieb das Libretto, die wesentlich wichtigeren Liedtexte verfasste Günther Schwenn. Viele der damaligen KünstlerInnen, wie etwa der Dirigent Nico Dostal sowie viele KomödiantInnen, dienten dem NS-Regime zur Aufheiterung der Bevölkerung in fälschlich optimistisch, einheitlich diktatorisch und kriegerisch ablaufenden Zeiten. Die Scheinwelt zerbrach, Raymond schrieb noch weitere Erfolgsoperetten und verstarb 1954 mit 54 Jahren als gebürtiger Wiener in Überlingen am Bodensee.

Schauplätze der „Maske in Blau“ sind das italienische San Remo sowie der argentinische Rio Negro. Enthalten sind in der Operette eine an Emmerich Kálmáns „Csárdásfürstin“ erinnernde Zahl an Hits, wie etwa „Die Juliska, die Juliska aus Buda – Budapest“ oder „Ja das Temprament“.

Für diese Operette ist fraglos Isabella Gregor die geeignetste Regisseurin. Gemeinsam mit Choreographien Lisa-Marie Rettenbacher und Julia Pschedezky, als Schöpferin vielseitig eindrucksvoll farbiger Kostüme, laufen die Arien samt Chören sowie die Bewegungsorgien von Crew, Studio, Chor und Kindergruppe phänomenal ab. Maske (Tina Feßl) und Lukas Siman (Licht) ergänzen den optischen Gesamteindruck. Bühnenbildner Walter Vogelweider ist aufgrund der sechs verschiedenen Schauplätzen arg gefordert – aber er meistert diese Aufgabemit Bravour dank eines Einheitsbühnenbilds, das sich mittels einfach zu „händelnder“ Versatzstücke aller Art ohne „Vorhang zu“ in Blitzeschnelle verändern kann.

Am Pult des von Kurt Dlouhy geschulten Kammerorchester Ybbsfeld stand an diesem Nachmittag – als Gast aus der Wiener Volksoper – Thomas Böttcher, der als souveräner Begleiter der SängerInnen agierte und sich bei konzertanten Einlagen wie beim „Walzer in Blau“ oder der berühmten „Maxixe“ auf die vom Chefdirigenten Kurt Dlouhy einstudierten Klänge verlassen konnte. Apropos Kurt Dlouhy, der vor der Vorstellung für wenige Minuten in den Orchestergraben stieg, um seine Musiker nochmals zu motivieren: 35 Jahre lang war „Klang-Doyen“ Dlouhy erfolgreicher musikalischer Leiter der „Herbsttage Blindenmarkt“, die ihn am 27. Oktober nach der letzten Vorstellung feierlich verabschieden werden. Als Augen- und Ohrenzeuge der letzten 35 Jahre darf ich feststellen: Besser, schöner und der jeweiligen Inszenierung angepasst kann man Operetten nicht dirigieren. Hoffentlich wird der vielseitige Maestro, wenn auch nicht in Blindenmarkt, so doch in weniger exponierten Musikstätten sein Wissen weitergeben. Danke, „Klang-Doyen“ Kurt Dlouhy!

Die Damenriege der komödiantischen SängerInnen- und KomikerInnen-Stars auf der Bühne glänzte zunächst durch ihre einheitliche Schönheit, alle DarstellerInnen durch typgemäß richtig vertretene und genützte komödiantische Feinheiten, die bis ins kleinste Detail einstudiert waren. Stimmlich ist allerdings eindeutig Tenor Clemens Kerschbaumer als grenzenlos verliebter Wartender, als sturer Beleidigter und schließlich als Hochzeitsanwärter – leider ohne Arie – unschlagbar. „Schau einer schönen Frau nie zu tief in die Augen“ erinnert an Johannes Heesters. Die argentinische Plantagenbesitzerin Evelyne Valera wird durch Andrea Zidaric als starke Persönlichkeit verkörpert, die mit Engelsgeduld stimmlich souverän alle Intrigen des starken Georg Kusztrich als Erbschleicher abwehrt. Die zierliche Mariella Hofbauer ist, ähnlich der legendären Marika Rökk, eine hinsichtlich Tanz und Gesang zu Höhepunkten ausgebaute Idealbesetzung. Dies gilt auch für den Skurril-Komiker Lukas Karzel, eine mächtige nahezu riesenhafte Buffo-Persönlichkeit. Für die restliche Besetzung müsste man obige Lobesworte wiederholen: Elisabeth Engstler, Stefano Bernardin und Michael Zallinger.

Eine eigene Betrachtung wollen wir der als Einspringerin für Gabriele Schuchter durch die Überredungskünste Michael Garschalls in gleich zwei Partien zu bewundernden Dany Sigel, Professorin und aktive Präsidentin der Raimundgesellschaft, widmen. „Mit der Signora d’Argento habe ich weniger Freude als nach der Pause mit der Hosenrolle des Wirten. Ich bin so froh, im 35. Jahr der Blindenmarkter Herbsttage mein Debüt zu feiern“, so Dany Sigel.

Alle nicht erwähnten Mitwirkenden sind in das Lob eingebunden. Das überwiegend an Verständnis und Begeisterung sowie an Jahren reife Publikum jubelte der KünstlerInnenschar zu. Und alle freuen sich auf die Blindenmarkter Herbsttage 2025 mit Oscar Straus‘ „Schokoladensoldat“. Premiere ist am 3. Oktober 2025. Ein Johann-Strauss-Konzert anlässlich seines 200. Geburtstags am 26. Oktober 2025 (Konzert für Alle VI) ergänzt das nächstjährige Programm.

I.R./ Stefanie Brunner

 

 

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