29.10.2023: Gefeierte Dernière von “Eine Nacht in Venedig” bei den Herbsttagen Blindenmarkt
Am Sonntag feierten die Herbsttage Blindenmarkt in der ausverkauften Ybbsfeldhalle mit einer berauschenden Dernière der “Nacht in Venedig” die Operettenkunst, ‘Spaß, Tollheit und Lust’, einen Geburtstag und nicht zuletzt den gelungenen Ausklang einer erfolgreichen 34. Saison der Herbsttage.
Mairinger, Stöckelle, Kerschbaumer, Fuchs, Sauerzapf. Foto: Lukas Beck
Am Programm stand eine eigens angefertigte Neufassung der Operette von Johann Strauß. So wurde zum Beispiel aus dem für seine Frauengeschichten berüchtigten Herzog von Urbino ein dandyhafter Hoteldirektor, in und um dessen Hotel ‘Venezia’ sich auch die Handlung abspielte. In diesen Rahmen der Neu-Interpretierung passte auch das Bühnenbild, in dessen Zentrum eine große LED-Leinwand stand, mithilfe derer die Szenerien, prunkvolle Hotelzimmer und die Kanäle Venedigs, nahtlos ineinander übergingen. Für Bühne und Videoanimation zeichneten Marcus Ganser und Andreas “Ivo” Ivancsics verantwortlich. Die moderne Technologie war nicht nur um ihrer selbst willen angebracht, sondern wurde dynamisch in das Spiel integriert und war somit eines der absoluten Highlights dieser rundum gelungenen Neufassung, die erfreulich spritzig und farbenfroh war. Die Kostüme von Anna-Sophie Lienbacher waren aufregend und erinnerten an poppige Mode aus den 50er Jahren, ohne dabei den Prunk & Protz zu verlieren, in dem sich die Handlung großteils abspielt.
Aus dem Orchestergraben erklang wie immer das großartige Kammerorchester Ybbsfeld unter dem Dirigat des ‚Maestro’ Kurt Dlouhy, ein Gondoliere im eigenen Sinn, der die Strauß’schen Kompositionen gut zu lenken wusste. Die Regie übernahm dieses Jahr Monica I. Rusu-Radman und sie schaffte es, die doch durchaus komplizierte Handlung flüssig, gut verständlich und mit viel Esprit ablaufen zu lassen.
An ihrer Seite stand Andreas Sauerzapf, an den an dieser Stelle ein dreifacher Glückwunsch gerichtet sei: Zunächst für die sehr gelungene Neufassung und Dialogregie, denn die Aufführung sprühte nur so vor Witz und Aktualität. Weiters spielte er selbst den Makkaronikoch Pappacoda und ging in der Buffo-Rolle komplett auf. Er konnte seine stimmlichen Stärken als Charaktertenor perfekt ausspielen und bestach von Sekunde Eins an auch durch seine einnehmende Bühnenpräsenz. Umso erfreulicher, dass Sauerzapf das Geburtstagskind des Abends war!
Katrin Fuchs, die seine Partnerin Ciboletta gab, war leider von einer Verkühlung heimgesucht, machte die dem Umstand geschuldete Schüchternheit in der Stimme aber mit umso mehr Spielfreude mehr als wett und gewann im dritten Akt mit einem umgedichteten Trinklied (“Auf einmal ist alles so leicht”, im Original: “Im Krapfenwald’l” von J. Strauß) das Publikum für sich.
Veritable Höhepunkte bekam man geliefert von Clemens Kerschbaumer, der den Herzog von Urbino alias Hoteldirektor Guido Herzog spielte und von Martin Mairinger, dem Caramello Blindenmarkts. Die beiden versierten Tenöre imponierten mit Stimmglanz und gefühlvollen Darbietungen.
Die Partie der schönen Annina übernahm Lena Stöckelle; erstmals Solistin bei den Herbsttagen und mit einer bravourösen wie charmanten Leistung wohl auch nicht das letzte Mal.
Die Rollen der Barbara Delacqua (Larissa Winkel) und ihrer Affaire Enrico Mortadella (Luksa Karzel) waren zwar klein gehalten, aber werden in Erinnerung bleiben; vor allem wegen Karzels immer wieder angebrachten ‘Grabsprüchen mit Humor’, die im Publikum für großes Gelächter sorgten.
Die mit Abstand fulminanteste komödiantische Leistung brachten allerdings Georg Kusztrich, Andy Hallwaxx und Robert Kolar als Delacqua, Barbaruccio und Testaccio auf die Bühne. Die drei gehörnten Gemeinderäte auf der Jagd nach einer Beföderung stolperten, witzelten und stolzierten (in Stöckelschuhen) durch die Szenerie, in einem Tempo und mit Timing, dass jeder Gag zündete und kein Auge trocken blieb.
Ein Lob gilt auch dem Ensemble, dem Chor, den Tänzern und Tänzerinnen, die mit merklich viel Spielfreude und ‘Operettenherz’ auftraten. Ohne sie könnten die Herbsttage Blindenmarkt nicht zum 34. Mal eine derartig erfolgreiche Saison feiern. Bei dieser Dernière wurde aber auch eine Premiere gefeiert: Zum ersten Mal wurde die Aufführung per Videostream im Internet gezeigt. Über 2000 Menschen haben dort die letzte Aufführung der “Nacht in Venedig” verfolgt! Ob sie zuhause auch Standing Ovations gaben, kann man nicht wissen. In Blindenmarkt jedenfalls war der Applaus nicht enden wollend. Dem Intendanten Michael Garschall ist nur zu gratulieren. Nächstes Jahr gehen die Herbsttage unter seiner Leitung mit “Maske in Blau” von Fred Raymond in die 35. Runde – man kann getrost ein weiteres Operettenfest erwartet werden, mit viel Herzblut für Theater und Musik.
Laurenz Rogi