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BLINDENMARKT/ Herbsttage: EINE NACHT IN VENEDIG

23.10.2023 | Operette/Musical

22.10. 2023 – Herbsttage Blindenmarkt:  „EINE NACHT IN VENEDIG“

herb

     „Nachts sind die Katzen so grau“ lautete der ursprüngliche Text zum „Lagunenwalzer“ bei der Uraufführung der Operette 1883 in Berlin – ein veritabler Durchfall – und erst ab den Wiener Aufführungen wurde die „Nacht in Venedig“ für Johann Strauß, den „Walzerkönig“, der selber nicht tanzen konnte , ein ungeheurer Erfolg, der im „Venedig auf der Kaiserwiese“ im Prater gipfelte, mit künstlichen Kanälen, Nachbauten und Gondeln. Da hieß es aber schon längst „Ach wie so herrlich zu schauen“, Camilo Walzel und Richard Genee waren die Librettisten, die selbst mit umarbeiteten, und wie bei ähnlichen Werken, kursierten im Laufe der Jahrzehnte verschiedene Fassungen mit Ergänzungen und Einlagen – aber durchaus legitim und nicht zu vergleichen mit heutigen Regie-Umdeutungen, Verfremdungen und Exzessen.

    Als ich gelesen hatte, daß eine eigene Fassung für Blindenmarkt erstellt wurde, und der  Herzog kein Adeliger, sondern der Direktor und Besitzer einer Hotelkette inVenedig ist, fuhr ich – ich gestehe es – mit einem gewissen leichten Unbehagen ins schöne Mostviertel um eine meiner absoluten Lieblingsoperetten zu erleben. Erfreulicherweise war dieses aber völlig unbegründet: in der randvollen Ybbsfeldhalle konnte ein begeistertes Publikum einen rundum mehr als gelungenen, exzellenten Operettennachmittag erleben. Gott sei Dank war nichts „grau“  – sondern herrlich bunt und beim Fest in prachtvollen Goldtönen ( Kostüme: Anna-Sophie Lienbacher), es spielte tatsächlich in Venedig – der „Torre del Orologio“ mit dem Glockenspiel war ebenso vorhanden, wie venezianische Bögen (Bühne Marcus Ganser ), eine verschiebbare Wand in der Mitte wo die – man darf es ohne Abstriche sagen – genialen Videoanimationen vom eben Genannten und Andreas Ivancsics vom berühmten silhouttenartigen Blick von der „Giudecca“ Richtung Piazza San Marco über amüsante Liftfahrten  im Hotel bis zur genial illusionierenden Gondelfahrt – mit einer „echten“ Gondel und sich dem im Hintergrund immer weiter entfernenden Stadtzentrum – ein rundum gelungenes Umfeld kreierten, in dem Monica I. Rusu-Radman (Regie und Choreografie) das Treiben flott, und mit Esprit ablaufen ließ – handlungsdienlich, verständlich. Und auch der „Transfer“ vom Herzogspalast in das Hotelambiente gelang ohne Tadel, weil es von Beginn bis Schluß klar durchgezogen wurde. Ein Riesenkompliment dafür  speziell an Andreas Sauerzapf, der die Fassung erstellt – und auch die Dialogregie inne hatte: da war nichts mit dem „Holzhammer“ umgekrempelt, sondern dezent und mit Gefühl um- und ab und zu  mit aktuellen Anspielungen hinzugedichtet worden – alles schlüssig und ohne Brüche!

     Selber schlüpfte der Sänger – und hier auch „Dichter“ –  gleich in die Rolle des Pappacoda – sein Charaktertenor sitzt perfekt in der Maske, hat Durchschlagskraft und war an Wortdeutlichkeit nicht zu überbieten! Zusätzlich  würzte er seine Darbietung mit Humor und Spielwitz- Bravo! Ausgezeichnet auch der sympathische Caramello des Niederösterreichers Martin Mairinger, der seine Stimme schlank und differenziert einzusetzen trachtete und damit auch reüssieren konnte. Clemens Kerschbaumer überzeugte als „Herr Herzog“ durch szenische Präsenz , als „Womanizer“ – ein Wort das zwar nicht zum adeligen Schürzenjäger gepasst hätte, sehr wohl aber zum Manager und Eigentümer, dem die Frauenwelt zu Füßen liegt, und ließ seinen üppigen Tenor fliessen, entwickelte in manchen Phrasen einen schmelzreichen Höhenstrahl und krönte auch das „Zugaben- Finale“ mit einem imposanten Spitzenton. Leider durfte er nicht mit dem von mir so geliebten „Sei mir gegrüßt, o holdes Venezia“ ( das ja tatsächlich nicht von Strauß ist) auftreten, sondern es wurde im der bekannte Walzer „Rosen aus dem Süden“  als „Ihr lieben Gäste“ als Auftrittslied zugestanden. Köstliche Studien boten Georg Kusztrich ( Delacqua),  Andy Hallwaxx (Barbaruccio) und Robert Kolar (Testaccio). Die drei Herren aus dem Gemeinderat erschienen und führten die Frauen von Venedig zum Herzog ( Agricola gab es nämlich keine ) – „Venedigs Frauen anzuführen -So ängstlich sind wir nicht“ – und zwar als Frauen verkleidet! Nun kann sowas sehr rasch peinlich werden – nicht hier, da amüsierte man sich köstlich und Reminiszenzen an die „Golden Girls“ oder an Jack Lemon und Tony Curtis in „Manche mögens heiss“ wurden geweckt! Die Annina Lena Stöckelle war leider von einer schweren Verkühlung geplagt und agierte daher stimmlich ein wenig vorsichtig, im zweiten Akt konnte man ihr apartes Timbre bewundern, szenisch konnte die junge Künstlerin gut gefallen. Als Ciboletta war mit der quirligen Katrin Fuchs  eine hier schon des öfteren bewährte Akteurin aufgeboten, eher blaß blieben Lukas Karzel – dessen „Grabsteinsprüche“, die er bei jedem Auftritt von sich gab- eigentlich das Einzige wirklich entbehrliche des Abends waren – als Enrico und Larissa Winkel als Barbara – aber es wird ihnen ja von den Rollen schon nicht viel zum Profilieren geboten. Die Comprimarii machten ihre Sache ebenso gut wie die vielen weiteren Mitwirkenden. Es gab eine „Crew“, ein Operettenstudio ( Lili Beetz, Stella König, Laura Palden, Alexander Weinheber), den Chor und den Kinderchor der Musikmittelschule Blindenmarkt – ein Pauschallob für die akustischen und sichtbar mit Spielfreude und Engagement ausgeübten Bühnentätigkeiten – in der überwiegenden Mehrzahl junge Damen und Herren, ich nehme an auch aus der Region. Es war einfach erfreulich, wie Operette leben kann.

     Ja und dann war da natürlich noch das Kammerorchester Ybbsfeld im Graben und ganz besonders der musikalische „Kristallisationspunkt“, Maestro Kurt Dlouhy, der wirklich ein „Meister“ seines Faches ist, und die Fäden zog und alles koordinierte – und das schon seit Jahrzehnten. Er feierte Geburtstag, und so gabs am Ende ein Ständchen für ihn, mit der Hoffnung, daß er es noch viele weitere Jahre mit ihm am Pult gibt. Intendant Michael Garschall, ein Sohn der Marktgemeinde Blindenmarkt hat hier unglaubliches für seine Haimatregion des westlichen Niederösterreich er – und bewirkt, man muß ihm dazu von Herzen gratulieren.  Beschwingt verließen die Besucher die Halle – im nächsten Jahr wie Fred Raymond „Die Maske in Blau“ und ein Familienmusical „Frau Holle“ geboten werden .

    Wer die „Nacht in Venedig“ noch sehen möchte, Restkarten gibt es vielleicht vereinzelt noch, aber die Derniere am Sonntag, 29.10. wird ab 17:00 live gestreamt: Wer zuschauen möchte geht das über den Youtube-Kanal der Herbsttage Blindenmarkt.

                Michael Tanzler

 

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