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BIOLEK FOREVER

10.08.2021 | Feuilleton

Biolek forever

Von Andrea Matzker und Egon Schlesinger

Wer eventuell betrübt darüber sein sollte, dass er von dem beliebten Talkmaster nicht persönlich Abschied nehmen konnte, findet in Köln mindestens zwei Örtlichkeiten, wo er sich ihm auch nach seinem Tod ganz nahe fühlen kann.

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Alfred Bioleks Grabstätte auf dem Kölner Melatenfriedhof. Foto: Andrea Matzker

Neben seiner Grabstätte auf dem Melaten Friedhof, wo er auf einem idyllischen Platz mit Bänken rundherum im engsten Familienkreis bestattet wurde und neben seinem langjährigen Freund Leo Fritz Gruber an dessen wunderschönem schwarzen Obelisken ruht, gibt es in Köln-Deutz die zauberhafte Bio‘s Bar im Hotel Stadtpalais gleich gegenüber der Lanxess Arena. Sie ist geschmückt mit vielen originalen Zeugnissen und Trophäen seiner langjährigen Karriere, die der beliebte Fernsehmoderator dem Hotel Stadtpalais überlassen hatte.

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Biolek in „Bios Bar“. Foto: Andrea Matzker

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Bioleks „Bambi“ aus 1994. Foto: Andrea Matzker

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Eine der Goldenen Kameras der „Hör-Zu“.Foto: Andrea Matzker

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„Der Goldene Löwe“ – Deutscher Fernsehpreis 1998. Foto: Andrea Matzker

Nach seinem Ausflug in die Bundeshauptstadt kehrte er an den Rhein zurück und wohnte kurzfristig im Hotel Stadtpalais, bis er wieder eine neue Wohnung gefunden hatte. Die Bar wurde so zu seinem Wohnzimmer, in dem er sich von seinen geliebten Erinnerungen und Preisen umgeben sah, sich in diesem Ambiente sehr wohl fühlte, dort viele Treffen vereinbarte und Interviews führte. Unter den dort ausgestellten Schätzchen befinden sich der Bambi aus dem Jahre 1994, die Goldene Kamera aus dem gleichen Jahr für die beste Fernsehunterhaltung und im Speziellen die Sendung „Boulevard Bio“, die Goldene Kamera 2008 für sein Lebenswerk, der Fernsehpreis 2009 für sein Lebenswerk und andere Auszeichnungen. Unter den mannigfachen gerahmten Kunstwerken befinden sich neben Fotos aus seinen Sendungen ganz entzückende Karikaturen, Zeichnungen und anderweitige Widmungen vieler seiner Freunde, wie zum Beispiel der Kölner Karikaturistin Franziska Becker. Der Grandseigneur der Fernsehunterhaltung überließ diesem persönlichen und nach ihm benannten Boudoir ausschließlich originale Exponate.

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Biolek-Karikatur von Franziska Becker 1997. Foto: Andrea Matzker

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Biolek als Alfredtschpsut 2003 von Franziska Becker. Foto: Andrea Matzker

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Biolek-Karikatur. Foto: Andrea Matzker

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Alfred Biolek als Gustav Mahler. Foto: Andrea Matzker

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Biolek zu seinem Geburtstag 2012 Theres only a today. Foto: Andrea Matzker

Alfred Franz Maria Biolek wurde am 10. Juli 1934 im heute tschechischen Freistadt geboren. Nach einer behüteten und glücklichen Kindheit mit zwei älteren Brüdern wurde die Familie vertrieben und kam 1946 nach Waiblingen bei Stuttgart. Sein Jurastudium schloss er mit der Doktorarbeit „Die Schadensersatzhaftung des Herstellers und Verkäufers mangelhafter Ware nach englischem Recht“ ab und ging zunächst als Justitiar zum Zweiten Deutschen Fernsehen nach Mainz. Er verfügte über große Redegewandtheit und, ganz nebenbei, über ein Repertoire von 100 Witzen, die er jeweils bei Gesellschaften gerne zum Besten gab. Bald wurde ihm eine erste Fernsehsendung anvertraut, und er gab fortan „Tipps für Autofahrer“. Darauf folgte die Moderation der „Drehscheibe“. Für den Westdeutschen Rundfunk produzierte er die Sendung „Am laufenden Band“ mit Rudi Carell. Er entdeckte die britische Komikergruppe Monty Python und brachte sie als erster nach Deutschland. Im renommierten Senftöpfchen Theater von Köln entwickelte er den Vorläufer zum „Kölner Treff“. Darauf folgte die legendäre Sendung „Bio’s Bahnhof“ (1978-1982) mit 30 Episoden, die in einem ausrangierten Eisenbahndepot von Köln-Frechen produziert und zur prägenden und beliebtesten Unterhaltungssendung im deutschen Fernsehen wurde. Zum ersten Mal kamen in einer Sendung gleichzeitig E- und U-Musik vor. Superstar Sammy Davis junior nannte sie „die am besten zusammengestellte Sendung mit dem interessantesten Show-Mix“, die er jemals erlebt habe. Äußerst sehenswert ist eine Hommage von Klaus Michael Heinz mit dem Titel „Bahnhof für Bio“ mit besonderen Momenten dieser einmaligen Kultsendung. Dem Entertainer, der im Übrigen auch selbst hervorragend Klavier spielte, gelang es in einzigartiger Weise, Künstler spontan zusammen auftreten zu lassen, die sich ohne ihn vielleicht nicht einmal kennen gelernt hätten. Das sensationelle Duett von Adriano Celentano und Elke Sommer vom 3. Mai 1979, zum Beispiel, ist unvergesslich. Auch entdeckte er viele neue Talente, die ihm anschließend eine große internationale Karriere verdanken. Dazu gehören Namen wie Kate Bush, Helen Schneider, Sting, Anke Engelke und viele andere.

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Biolek mit Sammy Davis jr. bei Bios Bahnhof. Foto: Andrea Matzker

1983 erhielt er für diese fantasievollen Produktionen den Adolf-Grimme-Preis in Gold. Mit diesem Konzept gelang ihm auch der große Erfolg der anschließenden Sendung mit dem Titel „Mensch Meier“ (1985-1991), in der bis heute denkwürdige Auftritte von Milva oder Eros Ramazzotti stattfanden. Seine daraufhin folgende Talkshow „Boulevard Bio“ (1991-2003) wurde von allen Größen aus Politik, Kunst, Musik, Sport und Mode mit großer Freude besucht, da er es verstand, immer respektvoll, nie penetrant und stattdessen mit viel Humor mit seinen Gästen zu plaudern. Selbst die internationalen Größen kamen sämtlich ohne, wie sonst allgemein üblich, große Gagen zu verlangen. Selbst Helmut Kohl, der sonst nie Fernsehsendungen dieser Art besuchte, machte ihm die Ehre, und es entstand daraus eine äußerst humorvolle Sendung. Der damalige Bundeskanzler verriet, dass er drei Eier pro Person in den selbst von ihm gemachten Karamellpudding gäbe, und dass er gerne kalte Markklößchen esse. Als Biolek ihn fragte, wie er denn die Arbeitsbelastung seines Amtes aushalten könne, meinte der ehemalige Bundeskanzler: “Ich kann überall schlafen. Ich könnte hier gut schlafen.“ Großes Gelächter im Publikum. Man hatte ihn fünf Jahre lang angefragt, ohne Erfolg. Biolek hatte infolgedessen einen kleinen Trick benutzt, und Hannelore Kohl in seine Kochshow eingeladen. Daraufhin hatte sie ihren Mann ermuntert, dass er zu Bio gehen könne. Die Sendung mit dem Kanzler klang damals aus mit einem 95er Deidesheimer Paradiesgarten Kabinett, kurz, einem gepflegten Riesling. Die anschließenden Aftershow Partys an Tafeln bis zu 30 Metern Länge mit allen an der Sendung beteiligten Mitarbeitern und Gästen im Alten Wartesaal des Kölner Hauptbahnhofs waren regelmäßig der krönende Abschluss einer jeden Sendung, und es war eine Ehre, daran teilnehmen zu dürfen. Mit der Kochshow „Alfredissimo“ (1994-2007) folgte der letzte große Höhepunkt seiner Fernsehkarriere. In ihrer Begleitung entstanden viele opulente Kochbücher, die die ganze Nation erfreuten, zuletzt ein riesiges Buch mit dem Titel „Die Rezepte meines Lebens“ in einer Deluxe-Edition. In Deutschland dürfte es kaum einen Haushalt geben, in dem nicht mindestens eines seiner Bücher benutzt wird. Alfred Biolek erhielt neben vielen weiteren, unzähligen Auszeichnungen in seinem Leben das Große Bundesverdienstkreuz und war unter anderem Honorarprofessor der Kunsthochschule für Medien in Köln. Zuletzt lebte er zurückgezogen in seiner Kölner Wohnung mit seinem Adoptivsohn Scott Biolek-Ritchie. Am 23. Juli 2021 schlief er dort friedlich ein.

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Alfred Biolek am 2.8.2020 im MAKK von Köln. Foto: Andrea Matzker

Die Nahaufnahme zeigt Alfred Biolek am 2. August 2020 im Kölner Museum für Angewandte Kunst, dem er an diesem Tag zwei Kleinode für die Schmuckausstellung des Hauses zum Geschenk machte. Einmal eine Brosche für die Ehrung  „Köpfchen des Jahres 1993“ von Wolf-Peter Schwarz mit einer Lokomotive und weiteren Attributen zur Sendung „Bio’s Bahnhof“, und zum zweiten einen Herrenring, den er selbst jahrelang trug, unter anderem auch zu sehen in der sehr zu empfehlenden Dokumentation „Mensch, Bio!“ von Sandra Maisberger und Hendrik Fritzler aus dem Jahr 2014, den die amerikanische Künstlerin Lorna Brown 1983 für ihn gestaltet hatte mit einem kleinen Stückchen Holz seines Rhöntisches, den er vor fünfzig Jahren in Bayern erstanden hatte, und an dem er regelmäßig alle seine Stars der Sendungen bei sich zu Hause bekocht hatte.

 

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