Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

BIETIGHEIM/ Bissingen/Kronenzentrum: Symphonieorchester des Nationaltheaters Prag

Ein heimwehkranker Liebesgruß

14.12.2018 | Konzert/Liederabende

Symphonieorchester des Nationaltheaters Prag am 13.12.2018 im Kronenzentrum Bietigheim

EIN HEIMWEHKRANKER LIEBESGRUSS

 

Als letzte seiner amerikanischen Arbeiten in der Neuen Welt wurde das Cellokonzert in h-Moll opus 104 von Antonin Dvorak Anfang 1895 vollendet. Die großartigen virtuosen Möglichkeiten wurden von dem Cellisten Wen-Sinn Yang ausgezeichnet herausgearbeitet. Das Symphonieorchester des Nationaltheaters Prag musizierte diese Melodien unter der energischen Leitung von Frantisek Drs (der anstelle des kurzfristig erkrankten Gerd Schaller dirigierte) voller Bewegungskraft und Feuer. Eher gebändigt kam allerdings das Hauptthema des Allegro daher. Der Satz baute sich nach einem großzügig gehandhabten Sonatenschema auf. Dadurch konnte sich die ganze Energie des Hauptthemas voll entfalten. Die Stimme der Sehnsucht machte sich mit lyrischer Empfindungskraft bemerkbar. Im Adagio ma non troppo konnte sie in vielfältiger Weise ausströmen. Die gütig-innige Weise kam nicht zu kurz. Auch die melancholische Melodie des Liedes „Laß mich allein in meinen Träumen gehn“ zeigte sich in eindringlichen klangfarblichen Facetten. Im Finale Allegro moderato gab der temperamentvolle Solist Wen-Sinn Yang den rasanten Auftakt. Lyrische Episoden riefen bemerkenswerte Stimmungsbilder hervor. Das verbreiterte Hauptthema zeigte dann zuletzt seine harmonische Pracht und Kraftentfaltung. Als Zugabe musizierte Wen-Sinn Yang (ein Schweizer Cellist taiwanesischer Abstammung) noch sensibel das Präludium in G-Dur für Violoncello solo von Johann Sebastian Bach.

Anschließend war dann die Sinfonie Nr. 1 in c-Moll op. 68 von Johannes Brahms zu hören. Der Einfluss Beethovens blieb hier unter der Leitung von Frantisek Drs zwar spürbar, doch man merkte auch, wie bemüht Brahms hier war, sich von diesem übermäßig großen Vorbild zu befreien. Bei der Einleitung un poco sostenuto stellte der Dirigent mit dem voluminös musizierenden Symphonieorchester des Nationaltheaters Prag das Hauptthema rasch in den Mittelpunkt. Und mit schmerzlicher Gewalt drängten die beiden Linienzüge auseinander. Halbtonschritte wanderten in die Höhe, losgelöst von den starren Schlägen in Bässen und Pauke. Unter dem ungeheuren Druck aufgestauter Kraft entfaltete sich dann das majestätische Hauptthema, drängte mit verbissener Energie voran und wich daraufhin fast erschöpft dem zweiten Thema, das die Oboen anstimmten. Der Eindruck gewaltigen Ringens blieb bei dieser Interpretation stets vorherrschend, wobei manche Passagen auch noch aufwühlender und elektrisierender hätten sein können. Die schmerzlichen Halbtonschritte der Einleitung mündeten in eine gefasste Klage. Die wunderbar beredte Melodie des Andante sostenuto suchte dann Trost und Frieden. Schmerzlich bog sie sich allerdings im Takt 3 und 5/6 unter dem Druck der Halbtonschritte. Wie eine innige Bitte erschien die Oboenmelodie. Friedlich und verträumt sang das Un poco Allegretto e grazioso des dritten Satzes vor sich hin. Klangfarblich blieb dabei alles im helldunklen Bereich. Mit warmen Farben kamen die Holzbläser daher. Das spielerisch-heitere Trio wurde so in reizvoller Weise abgelöst. Das Adagio des Finales begann dann mit einer ungeheuren Kraftentfaltung, deren unbändige Glut unter die Haut ging. Im milden Leuchten der Streicher ertönte das erdentrückte Hornthema. Erinnerungen an Bruckner und Wagner kamen bei der Choral-Antwort auf die geheimnisvolle Horn-Verheißung auf. Die Dur-Energie konnte sich schließlich mit Macht behaupten – auch Anklänge an Beethovens neunte Sinfonie machten sich bemerkbar. Leidenschaftliche Auseinandersetzungen setzten sich der schicksalhaften Macht der Halbtonschritte entgegen. Das arbeitete Frantisek Drs mit dem Symphonieorchester des Nationaltheaters Prag in aufwühlender Weise heraus.

Als Zugabe war noch der Ungarische Tanz Nr. 5 von Johannes Brahms mit feuriger Glut zu hören. Riesenapplaus.

Alexander Walther

 

Diese Seite drucken