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BIETIGHEIM/Kronenzentrum: Mitsuko Uchida & Mahler Chamber Orchestra

27.01.2019 | Konzert/Liederabende

Mitsuko Uchida & das Mahler Chamber Orchestra am 27.1.2019 im Kronenzentrum/BIETIGHEIM-BISSINGEN

MIT SPHÄRENHAFTER LEICHTIGKEIT

Den Charakter des Konzerts für Klavier und Orchester Nr. 19 F-Dur KV 459 von Wolfgang Amadeus Mozart erfasste die Pianistin Mitsuko Uchida mit verzauberndem Anschlag und nicht nachlassender Energie. Seinen Höhepunkt erreichte es bei dieser dezenten Wiedergabe mit dem Mahler Chamber Orchestra nach dem Allegro, das seinem Marschrhythmus eine oft militärische Geste nicht nur der Bläser anpasste und den Ton einer fast schneidigen Frische kaum aufgab. In dem bezaubernden Allegretto konnte sich Mitsuko Uchida voll entfalten. Verschwiegene Sehnsucht und süße Wehmut gingen nahtlos ineinander über. Es kam schließlich als zärtliches Nachtstück daher. Das Schlussrondo, Allegro assai, huschte bei dieser Interpretation köstlich unbeschwert daher. Man ahnte bei Mitsuko Uchidas reifer Interpretation, wieviel Kunst in diesem übermütigen Spiel steckte. Noch überzeugender interpretierte Mitsuko Uchida dann zusammen mit dem Mahler Chamber Orchestra das Konzert für Klavier und Orchester Nr. 20 in d-Moll KV 466 von Wolfgang Amadeus Mozart, dessen Nähe zu Beethoven bei dieser Wiedergabe hervorgehoben wurde. Die persönliche Note und die dramatische Zuspitzung wurden wirkungsvoll herausgearbeitet. Die Holzbläser gefielen mit ihrem schmeichlerischen Seitenthema. Die drängende Erregung wurde so stilvoll gedämpft. Nur langsam ebbte der Sturm ab – und Mitsuko Uchida hatte hier als Solistin ganz allein das Wort mit seiner beschwichtigenden „Klage“. In der Durchführung prallten die Themen wie von Dämonen gejagt aufeinander. Deswegen kam es zu einer dynamisch geschickt gestalteten Verschärfung der Gegensätze. Einstein meinte hierzu: „Wenn der Satz im Pianissimo ausklingt, ist es, als ob die Furien sich lediglich ermüdet, aber immer noch grollend zur Ruhe legten, bereit, in jedem Augenblick wieder aufzufahren.“ Berührend milde setzte die Romanze mit ihrer friedevollen Melodie ein, die Mitsuko Uchida in sensibler Weise gestaltete. Im Mittelteil stach wiederum schmerzliche Leidenschaft hervor, was die Pianistin in hervorragender Weise gestaltete. Die Beschwichtigungen der Holzbläser ließen die Romanzen-Melodie in bewegender Weise wiederkehren. Schließlich entschwebte sie bei dieser Wiedergabe wie eine unsagbar schöne Vision. Und das Finale rief sofort wieder den dämonischen Aufruhr des ersten Satzes wach. Immer wilder, leidenschaftlicher und energiegeladener spielte Mitsuko Uchida dieses Werk hier mit dem Mahler Chamber Orchestra. Das Rondo-Thema beherrschte das Geschehen nach dem ersten Allegro-Thema wieder mit erheblicher Kraft. Das Zwischenspiel der Holzbläser wirkte ausgesprochen versöhnlich. Der Druck geballter Energien zeigte sich auch bei der Kadenz.

Bei den drei Sätzen aus der „Lyrischen Suite“ für Streichorchester von Alban Berg imponierte das Mahler Chamber Orchestra (Konzertmeister: Matthew Truscott) mit nie nachlassender Energie und harmonischer Durchsichtigkeit. Die Zwölftontechnik blitzte hier zwischen zahlreichen Tempo- und Taktwechseln eindringlich hervor. Flautando- und Flageolett-Töne wechselten sich in geheimnisvoller Weise ab. Außerdem wirkten das Schlagen mit dem Bogenholz sowie das Spielen am Griffbrett und am Steg immer wieder verblüffend. Man begriff, wie stark Alban Berg auf die moderne Musik des 20. Jahrhunderts gewirkt hat. Einige Passagen erinnerten etwa an die Cluster-Bildungen bei Penderecki. Der Titel dieser „Lyrischen Suite“ spielt auf Alexander von Zemlinskys „Lyrische Symphonie“ an, dem das Werk auch gewidmet ist. Eigentlich ist es jedoch Ausdruck der Liebe Bergs zur verheirateten Schwester seines Freundes Franz Werfel. Die breiten Steigerungen wurden vom Mahler Chamber Orchestra ausgezeichnet herausgearbeitet. Und auch die gespenstische Hintergründigkeit des Allegro misterioso ließ nichts zu wünschen übrig.

Alexander Walther

 

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