SPRACHE ALS STOLPERSTEIN
Theatergastspiele Kempf mit „The King’s Speech“ am 24. Februar 2016 im Kronenzentrum/BIETIGHEIM-BISSINGEN
Copyright: Theatergastspiele Kempf
Der Film „The King’s Speech“ nach David Seidlers gleichnamigem Schauspiel kam 2010 in die Kinos. Bei der Oscarverleihung 2011 gewann er vier Auszeichnungen. Später wurde er sogar als erfolgreichster britischer Film aller Zeiten ausgezeichnet. „Wir sind eine Firma. Und auf den Thron zu steigen ist unser Business“ – so lautet das Motto des britischen Königshauses. Ein persönliches Drama wird hier durch das Massenmedium Radio noch verstärkt: Herbert Schäfer mimt hier sehr temperamentvoll den Herzog von York, den zweitgeborenen Sohn des englischen Königs George V. (ausdrucksvoll gespielt von Harald P. Wieczorek). Bei der Abschlussrede der Empire-Ausstellung bringt er nichts heraus. Per Radio wrd diese live um den Globus übertragen. Die Blamage ist perfekt. Albert Herzog von York ist notorischer Stotterer.
Diese Tragik beherrscht auf skurrile Weise dieses Erfolgsstück in der subtilen Regie von Christoph Brück (Bühnenbild: Thomas Pekny; Kostüme: Gabriele Schumacher). Die Inszenierung ist schlicht, besteht nur aus einem kargen Bühnenbild. Das mindert vielleicht manchmal die Wirkungskraft, dennoch können sich die Darsteller überzeugend entfalten. Aus Albert (genannt „Bertie“) wird dann 14 Jahre später aufgrund der Abdankung seines Bruders Edward VIII. der britische König George VI., der Vater der heutigen britischen Königin Elizabeth II. Er wird den Bürgern via Radio mitteilen, dass Großbritannien Deutschland den Krieg erklärt. Die Royals lassen sich deswegen das Leben nicht verderben und bekennen: „Wir sind zu Schauspielern geworden“. Das ist die beste Lösung.
Daraus ergibt sich auch die groteske Situationskomik des Stücks. Man hört zudem die Stimme Adolf Hitlers, der im Gegensatz zum britischen Monarchen die Massen aufgrund seiner flammenden Reden in wahre Begeisterungsstürme versetzt. Die entscheidende Wende kommt hier allerdings durch den australischen Sprachlehrer Lionel Logue (facettenreich: Steffen Wink), der dem König mit einer speziellen Sprachtherapie hilft, die Krise zu überwinden. Daniela Kiefer als Alberts Frau Elizabeth (die spätere legendäre „Queen Mum“) hat diesen Sprachkünstler für ihren Mann entdeckt. Gut arbeitet Christoph Brück als Regisseur hierbei die Kämpfe zwischen „Bertie“ und seinem virtuosen Sprachlehrer heraus, der dessen innere Blockaden zu lösen vermag. Der König beschimpft ihn trotzdem als hergelaufener „Cowboy“ und „Arschloch“. Mona Perfler spielt Lionels Frau Myrtle mit vielen Nuancen, die ihre liebe Not hat, das unglaubliche Temperament ihres Mannes zu zügeln, der den König in Raserei zu versetzen vermag.
Hier explodiert auch der Spannungsbogen dieser Inszenierung, die nur kleine szenische Schwächen besitzt. Fazit des Stückes ist die Geschichte eines Mannes, der durch eine Freundschaft erkennt, dass er nicht in seinem Schicksal gefangen ist, sondern sich selbst verändern kann. Harald P. Wieczorek spielt dabei durchaus humorvoll den Politiker Winston Churchill, dessen zuweilen bissige Anmerkungen über Wallis Simpson (wegen der Edward VIII. dann zurücktritt) für Gelächter sorgen. Christian Claaszen zeigt als Erzbischof von Canterbury („Cosmo Lang“) viele Gesichter. Dadurch gewinnt die Handlung an Farbe und Esprit. Marcus Widmann mimt schließlich ebenfalls packend David Prince of Wales, der mit seinem Bruder nicht nur wegen der Geliebten Wallis Simpson heftige Auseinandersetzungen hat. Dadurch wird das Stück mit Pfeffer gewürzt: „Royals haben kein Geld bei sich!“ Für Aufsehen sorgt außerdem Lionel Logue als König Richard III., der bei einer Vorsprechprobe durchfällt. Doch gerade dieser gescheiterte Schauspieler rettet dann die Monarchie. Als das Vereinigte Königreich nach dem deutschen Angriff auf Polen dem Deutschen Reich 1939 den Krieg erklärt, steht Logue dem unsicheren König zur Seite. So gelingt George VI., seine Rede im Rundfunk fehlerfrei zu halten. Marcus Widmann überzeugt ferner als völlig ratloser Premierminister Stanley Baldwin, der mit Rücktrittsgedanken spielt. Ferner sind Achim Zeppenfeld als Nachrichtensprecher, Christian Jungwirth, Marcus Widmann als Theaterregisseure, Christoph Wöß als Chamberlain und Florian Pilz als Würdenträger in Einspielungen zu hören. Die passende musikalische Einrichtung besorgt Achim Zeppenfeld.
Im Programmheft erfährt man, dass der Sprachlehrer Lionel Logue vom König zum Dank die Mitgliedschaft im Royal Victorian Order erhielt.
Alexander Walther