Klavierabend Joseph Moog am 17. Oktober 2019 im Kronenzentrum/BIETIGHEIM-BISSINGEN
ANSPRUCHSVOLL UND VIRTUOS
Das ästhetische, fast körperlose Spiel mit italienischen Melodien betonte der Pianist Joseph Moog bei Franz Schuberts Adagio und Rondo in E-Dur D. 506 op. 145 sehr dezent. Auch die chromatischen Figurationen gewannen immer mehr Intensität. Eine sehr überzeugende Interpretation bot Moog dann bei Franz Liszts berühmter Sonate h-Moll, wo er insbesondere die gewaltige harmonische Architektur plastisch herausstellte. Die sinfonischen Strukuren dieses Werkes kamen so nicht zu kurz. Das hymnische Grandioso in D-Dur und das fein ausgesponnene lyrische Seitenthema in D-Dur erreichten so eine ungeahnte Intensität. In der Durchführung wurden dann beide Themenkomplexe facettenreich herausgearbeitet. Auch das klopfende Motiv der Unruhe akzentuierte Joseph Moog hervorragend. Und das kontrapunktisch meisterhafte Fugato erreichte hier geradezu glühende Ausdrucksregionen, die sich immer mehr steigerten. Neben den eruptiven Klangmassen beeinruckten bei dieser Interpretation vor allem auch die lyrischen Passagen, wobei die religiöse Grundidee geheimnisvoll hindurchschimmerte. Menschliche Leidenschaften und Kämpfe wurden dabei mit starker pianistischer Emotion unterstrichen. Neben dem hymnischen Akkordmotiv fesselten die Verwandlungen des trotzigen Kampfmotivs zu sieghaften Fanfaren. Von den ersten stockend absteigenden Oktaven bis hin zu den verklärten Schlussakkorden interpretierte Joseph Moog dieses Meisterwerk mit fieberhafter Emphase. Gabriel Faure gehört nach Moogs Worten zu seinen Lieblingskomponisten – was man der subtilen Wiedergabe der beiden Barcarolen Nr. 1 op. 26 in a-Moll und Nr. 3 op. 42 in Ges-Dur deutlich anmerkte. Elegant und arabeskenhaft kamen diese ausgesprochen sensibel gespielten Stücke daher, wobei die geheimnisvollen thematischen Zusammenhänge reizvoll offengelegt wurden. Grazie, poetische Inspirationen und impressionistische Passagen verdeutliche Joseph Moog ausgezeichnet. Die intimsten und verborgensten Bezirke des französischen Charakters wurden bei dieser Interpretation tatsächlich ausgeleuchtet. Zum Abschluss bot Joseph Moog dann eine mitreissende Wiedergabe von Maurice Ravels „Gaspard de la nuit“. Das Tremolo der zauberhaften Wassernixe „Ondine“ geriet Moog ausgesprochen einfühlsam und nuanciert. Die motivischen Spielfiguren wurden hier mit erstaunlicher Präzision herausgearbeitet. Das Schicksal eines im Wind baumelnden Gehenkten erreichte bei „Le Gibet“ eine schauerliche Ausdruckskraft, die Joseph Moog exzellent spielte. Um den statischen Oktavklang b-b1 kreisten hier die Akkorde mit großer Dynamik und Spannweite. Den vielen Anschlagsarten wurde Moog dabei sehr klangfarbenreich gerecht. Der Spukgeist „Scarbo“ entfesselte dann zuletzt ungeheure dynamische Kräfte, die Joseph Moog bis zur großen Septime eindringlich ausleuchtete. Da blieb nichts dem Zufall überlassen. Der Wirbel exaltierter Melodien geriet fast nie aus dem Gleichgewicht. Und die ostinaten Totenglocken von „Le Gibet“ läuteten bei diesem dämonischen Stück schräge Walzer-Rhythmen und pseudo-spanische Redobles ein. Als Zugaben interpretierte der hochbegabte Pianist noch sensibel und sinnlich Frederic Chopins Nocturne op. 15 Nr. 2 in Fis-Dur sowie Franz Liszts bis zur Raserei gesteigerten „Hartnäckigen Csardas“. Das war fast eine Hommage an den legendären Vladimir Horowitz. Großer Beifall und „Bravo“-Rufe.
Alexander Walther