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BIETIGHEIM/ BISSINGEN/ Kronen-Zentrum: „WUNSCHKINDER“ von Lutz Hübner und Sarah Nemitz

Antriebslose Erwachsene

18.01.2019 | Theater


Plakatmotiv. Copyright: Konzertdirektion Landgraf

Schauspiel „Wunschkinder“ von Lutz Hübner und Sarah Nemitz mit dem Euro-Studio Landgraf am 17. Januar 2019 im Kronenzentrum/BIETIGHEIM-BISSINGEN

ANTRIEBSLOSE ERWACHSENE

In dem Schauspiel „Wunschkinder“ von Lutz Hübner und Sarah Nemitz geht es um größere Kinder, die die Grundschulzeit und den Übergang ins Gymnasium längst hinter sich gelassen haben. Die Probleme sind entsprechend größer und unlösbarer. So sind aus den unreifen Sprößlingen antriebslose Erwachsene geworden, die sich in der Welt nur schwer zurecht finden. In der Regie von Volker Hesse werden die teilweise komplizierten Personenkonstellationen überzeugend herausgearbeitet. So entsteht eine plausible Zustandsbeschreibung unserer Zeit und eine subtile Analyse menschlicher Befindlichkeiten. Steffen Gräbner mimt hier ausdrucksstark Gerd, der mit seiner Frau Bettine (facettenreich: Ulla Wagener) ein dickes Problem hat. Denn ihr Sohn Marc, den Lukas Schöttler mit vielen Emotionen verkörpert, der nur mit Mühe sein Abitur bestanden hat, hängt seit dieser Zeit ziellos zu Hause herum. Schlafen, Fernsehen und Kiffen sind seine Lieblingsbeschäftigungen. Das Wäschewaschen übernehmen komplett die Eltern. Vater Gerd ist als leitender Bauingenieur lösungsorientiertes Handeln gewohnt: „Mein Sohn ist total lebensuntüchtig.“ Mit Druck und Stress kommt er bei seinem aufbegehrenden Sohn jedoch nicht weiter. Bettines alleinerziehende Schwester Katrin (burschikos: Claudia Wenzel) macht den genervten Eltern einfach den Vorschlag, sich ganz aus Marcs Problemen herauszuhalten und ihn die Dinge einfach machen zu lassen: „Hör auf dir leid zu tun, verdammt nochmal…“ Als Marc schließlich die von Josepha Grünberg nuancenreich gemimte Selma kennenlernt, verändert sich sein schwieriges Leben schlagartig. Im weiträumigen Bühnenbild von Rolf Spahn läuft er seinem inzwischen jähzornig gewordenen Vater Gerd im Gitterkäfig regelrecht davon. Selma ist hinsichtlich Zielstrebigkeit und Ehrgeiz das genaue Gegenteil von Marc. Sie holt am Abendgymnasium ihr Abitur nach, hat zudem zwei Jobs und kümmert sich um ihre psychisch kranke Mutter Heidrun (im Schwebezustand: Katharina Heyer), die immer wieder ausflippt. Sie wird ihrer Arbeit als Köchin in der Werkskantine kaum gerecht. Lukas Schöttler gelingt es sehr gut, Marcs zunehmende Antriebskraft und enorme Lebensenergie herauszuarbeiten. Aus den beiden 19jährigen wird ein Liebespaar. Als die beiden den Eltern plötzlich eröffnen, dass sie zusammenziehen wollen, entsteht bei den konsternierten Erwachsenen eine große Konfusion, die bei der Inszenierung plausibel hervorsticht. So gibt es hier kaum szenische Schwachstellen. Hinzu kommt noch, dass Selma plötzlich schwanger wird, was bei Marc einen paranoiden Zustand auslöst. Er zertrümmert das Auto seines Vaters und verschwindet über alle Berge. Der Fürsorge-Wahn der Eltern hat ihn vertrieben. Gleichzeitig wird von Marcs Vater Gerd aber auch eine Abtreibung ins Spiel gebracht, was Selma zur Weißglut treibt. In den betont lässigen Kostümen von Franziska Born und der suggestiven Bühnenmusik von Bojan Vuletic können sich die Darsteller gut entfalten. Der tragischste Moment ist erreicht, als Selma ihr Kind schließlich verliert. Hier kommt es zu einem berührenden und bewegenden Wiedersehen mit Marc, der sie endlich in den Arm nimmt. Das Paar hat sich trotz aller Probleme wieder neu gefunden. Es ist ein Moment, den diese inszenierung gut einfängt.

Alexander Walther

 

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