Stuttgarter Philharmoniker unter Dan Ettinger am 2. Oktober 2019 im Kronenzentrum/BIETIGHEIM-BISSINGEN
Mit markanten Akzenten
Mit seinem spritzigen ungarischen Finale erinnert das Klavierkonzert D-Dur Hob. XVIII:11 von Joseph Haydn an dessen ungarische Dienstzeit beim Fürsten Esterhazy. Der junge, begabte Pianist Maximilian Schairer betonte die virtuosen und arabeskenhaften Momente dieser Komposition sehr gut, wobei ihn die Stuttgarter Philharmoniker unter der facettenreichen Leitung von Dan Ettinger einfühlsam begleiteten. Das Hauptthema mit seinem ausdrucksvollen Quartensprung wurde jedenfalls genau getroffen – und auch die kontrastierenden Passagen wurden hier nicht vernachlässigt. Auffallend war der Klangfarbenreichtum bei dieser Interpretation, wobei dynamische Kontraste und Dissonanzen oftmals hervorblitzten. Melodische Ausdruckskraft stand bei dieser Wiedergabe jedenfalls immer wieder deutlich im Zentrum. Rasante Läufe und chromatische Spitzfindigkeiten wechselten sich in reizvoller Weise ab.
Eine ganz hervorragende Interpretation bot der Dirigent Dan Ettinger dann zusammen mit den kompakt musizierenden Stuttgarter Philharmonikern bei der Sinfonie Nr. 4 in Es-Dur „Romantische“ von Anton Bruckner. Dabei wurden vor allem die zahlreichen dynamischen Spannungsmomente in ausgezeichneter Weise herausgearbeitet. Dass diese „Romantische“ aber in erster Linie eine „Natursymphonie“ ist, wurde an diesem besonderen Konzertabend einmal mehr deutlich. Die zarten Echo-Rufe der Waldstimmung wurden hier genau getroffen. Das geheimnisvolle Quint-Intervall des Hornthemas besaß markante Klarheit. Die ruhige Fortspinnung mit Umkehrung erhielt eine präzise Struktur, die dank Dan Ettingers konzentrierter Wiedergabe nirgends nachließ. Im Bass schwoll die harmonische Bewegung zu wilder Urgewalt an. Das zweite Thema in den Bratschen besaß eine bemerkenswerte Ausdruckstiefe. Es mündete in eine neue Steigerung mit dem Schlussmotiv des ersten Themas. Stimmungsvoll leitete der erste Hornruf dann in die vielgliedrige Durchführung über. Der feierliche Choral der Blechbläser führte zu einem imposanten Coda-Triumph. Das Vorbild Schuberts wurde dann im zweiten Satz Andante quasi Allegretto bemerkbar. Unter stockender Streicherbegleitung stimmten die Celli den dunklen Gesang an. Das Quint-Intervall besaß eine wichtige Klarheit. Die in sich gekehrte Bratschenmelodie wurde bei dieser Wiedergabe jetzt zusammen mit der Streicherbegleitung zum intensiven Doppelthema verschmolzen. Der energische Aufschwung erfolgte in immer weiteren Intervallen. Trotz Intonationsschwankungen in den Bläsern machte Dan Ettinger zusammen mit den Stuttgarter Philharmonikern die mystische Ausdruckstiefe dieses Satzes deutlich. Im bewegten Scherzo des dritten Satzes konnte sich die enorme dynamische Crescendo-Steigerung bestens entfalten. Gefühlvoll-besinnliche Töne ließen die Bratschenmelodie regelrecht aufblühen. Das Trio stach mit einer bewegenden Harmonierückung hervor. Unheimlich und geheimnisvoll begann das Finale, das Dan Ettinger mit den Stuttgarter Philharmonikern in grandioser Weise aufbaute. Ferne Hornrufe drohten hier in die Nacht hinein – das Grauen der „Wolfsschlucht“ war unüberhörbar. Die Wucht des gesamten Orchesters schleuderte schließlich das gewaltige Hauptthema hinaus. Die Intervalle und der Fünfer-Rhythmus mit der Triole erinnerten deutlich an den ersten Satz. Das zweite Thema führte zwar zur Beruhigung der Elemente, aber das dröhnende Posaunenthema meldete sich gebieterisch. Immer neue Themenprägungen führten letztendlich zur überwältigend gestalteten Coda. Es war eine Wiedergabe, die neue Sichtweisen und Aspekte eröffnete.
Alexander Walther