Nationale Kammerphilharmonie Prag am 13. 3. 2024 im Kronenzentrum/BIETIGHEIM-BISSINGEN
Stümische Kapriolen
Foto: Jan Malý
Zunächst erklangen mit elektrisierenden Rhythmen die Rumänischen Volkstänze für Streichorcheter von Bela Bartok mit der geradezu stürmisch musizierenden Kammerphilharmonie Prag unter der energischen Leitung von Tomas Brauner. Exotische Tonskalen spielten hier mit transsilvanischem Feuer. Dabei drang die Nationale Kammerphilharmonie Prag immer tiefer in den melodischen, rhythmischen und harmonischen Kern dieses Werkes vor, von dem es auch eine Klavierfassung gibt. Die kunstvolle polyphone Arbeit blieb so immer erkennbar. Träumerisch sinnende Passagen wechselten sich in reizvoller Weise mit einer rhapsodisch-schweifenden Grundhaltung ab, die Tomas Brauner als Dirigent wirkungsvoll unterstrich. Wirbelnder Schwung gipfelte immer wieder in einem elementaren Rhythmus. Danach musizierte der aus Augsburg stammende Sandro Roy (Violine) die berühmten Zigeunerweisen op. 20 von Pablo de Sarasate. Leidenschaftliche und sehnsuchtsvolle Melodien wechselten sich rasant und atemlos ab. Große Intervallsprünge, virtuose Läufe, raffinierte Pizzicati, Tremoli, Glissandi und Flageoletts sorgten hier immer wieder für ein akustisches Feuerwerk. Sehr melodiös und harmonisch zeigten sich Sandro Roys eigene Kompositionen Suite pour Sarasate und Waltz for Prinzo. Die stürmischen Kapriolen wollten gar nicht enden. Eine Melange aus allen Stilrichtungen erwartete die Zuhörer bei der Suite pour Sarasate, wo sich Gypsy, Jazz und Klassik in aufregender Weise mischten. Den Waltz for Prinzo widmete Roy seinem fünfjährigen Neffen, er trägt deswegen die Opuszahl fünf. Auch das Klavier tritt dabei solistisch hinzu. Streichquartett-Passagen und ein rasantes Jazz-Finale sorgten für eine mitreissende Stimmung. Erstaunlich war die harmonische Durchsichtigkeit und filigrane Virtusität bei beiden Werken. Sandro Roy trat als Shootingstar der Violine im Bereich Jazz und Klassik auch schon beim Schleswig-Holstein-Musikfestival sowie im WDR Fernsehen auf.
Nach der Pause folgte eine elegisch-poetische Wiedergabe der „Pastorale d’ete“ („Sommerliche Pastorale“) des schweizerischen Komponisten Arthur Honegger. Mondän-reizempfindliche Feinnervigkeit stach bei dieser konzentrierten Wiedergabe deutlich hervor, die zudem von eleganter Klarheit beherrscht war. Impressionistisch schillernde Polytonalität traf sich zuweilen sogar mit ausladenden Strauss-Kantilenen, selbst die Nähe zu bitonalen Passagen blitzte auf. So entstand eine Klangvision höchster Poesie. Zum Abschluss war noch die Symphonie Nr. 5 B-Dur D 485 von Franz Schubert aus dem Jahre 1816 zu hören, deren klassische Form bei dieser Interpretation nicht geleugnet wurde. Diese kleine Besetzung (ohne Klarinetten und vom Blech nur zwei Hörner) hat Schubert für ein Liebhaberorchester geschrieben. Haydn und Beethoven leuchteten hervor – ebenso lichte Frische und Heiterkeit. Dies zeigte sich gleich zu Beginn beim elastisch-koketten Kopfthema des ersten Satzes mit der Akkord-Einleitung in den ersten vier Takten. Auch das Seitenthema gelang hier überaus kapriziös. Was dem ersten Thema des Andante con moto noch an Innigkeit fehlte, besaß dann das zweite Thema als geheimnisvoller Dialog zwischen den Violinen und der Oboe. Später kam zu den dezent musizierenden mittleren Streichern noch die Flöte hinzu. Energisch trat das moll-dunkle Menuett auf – umrahmt vom sorglosen Dur-Trio. Der überwältigende Humor des Finales, Allegro vivace, ging richtig unter die Haut.
„Bravo“-Rufe und Begeisterung des Publikums.
Alexander Walther