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BIETIGHEIM-BISSINGEN/ Kronen-Zemtrum: SPATZ UND ENGEL – Schauspiel mit Musik von Daniel Große Boymann und Thomas Kahry

24.04.2024 | Theater

„Spatz und Engel“ mit dem Tournee-Theater Thespiskarren (Produktion Fritz Remond Theater im Zoo, Frankfurt) am 24.4.2024 im Kronenzentrum/BIETIGHEIM-BISSINGEN

Berührende Momente

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Heleen Joor, Susanne Rader. Foto: Helmut Seuffert

Edith Piaf und Marlene Dietrich stehen hier im Schauspiel mit Musik von Daniel Große Boymann und Thomas Kahry als zwei Göttinnen des Chansons im Mittelpunkt des Geschehens. Und es ist gar nicht so bekannt, wie eng die beiden miteinander befreundet waren. In der Regie von Daniel  Große Boymann sieht man dann auch Originalfotos, die die engen Beziehungen der beiden Frauen belegen. Sie begegneten sich zum ersten Mal 1948 in New York und schlossen abseits von Presse und Öffentlichkeit Freundschaft. Dabei setzte sich Edith Piafs Motto „Man kann nur von der Liebe leben“ durch. Der szenisch-musikalische Reigen mit Welterfolgen wie „La vie en rose“, „Je ne regrette rien“ oder „Frag nicht, warum ich gehe“ werden von den beiden fulminanten Schauspielerinnen Susanne Rader als Marlene Dietrich und Heleen Joor als Edith Piaf wirkungsvoll in Szene gesetzt. Die beiden Chanteusen imponieren auch bei weiteren Nummern wie „When The World Was Young/Le Chevalier de Paris“ oder „Wenn die beste Freundin“, die sie zusammen singen (musikalische Leitung: Markus Herzer, Klavier; Akkordeon: Vassily Dück).  Das Bühnenbild von Tom Grasshof schwankt mit weißen Vorhängen und Fotomontagen zwischen Fiktion und Realität (Kostüme: Ulla Röhrs). Die beherrschte, kühle Schönheit Marlene aus preußisch-bürgerlichem Milieu trifft hier auf die leidenschaftliche kleine Gossen-Göre Edith, die ihre Kindheit in einem Bordell in der Normandie verbracht hat. Diese Gegensätze werden in der Inszenierung sehr gut herausgestellt. Das Stück wurde nicht umsonst mit dem 1. INTHEGA-Preis DIE NEUBERIN 2023 ausgezeichnet. Marlene träumt stets von der großen Liebe, Edith dagegen wechselt ständig ihre Liebhaber. Mondän sind sie aber irgendwie beide. Die Liebe und innige Freundschaft zwischen Marlene Dietrich und Edith Piaf wird hier nicht verklärt und es gibt auch keine falschen Sentimentalitäten. Selbst zu lesbischen Tendenzen schweigen beide nicht. Das legendäre Flair von Paris schimmert immer wieder durch: „Dann rufen wir Ludwig XIV. an!“ Susanne Rader überrascht als Marlene wiederholt mit entwaffnender Burschikosität – und Edith Piaf stellt manchmal ihre ordinäre Seite ungeniert zur Schau, was Heleen Joor ausgezeichnet verdeutlicht. So lässt Daniel Große Boymann das Leben der beiden exzentrischen Diven in rasant-atemloser Weise Revue passieren – vom ersten Kennenlernen in New York über Erfolge und Misserfolge in Baden-Baden und Las Vegas bis zu Piafs frühem Tod 1963 in Südfrankreich und Marlenes letzten Jahren in ihrer Pariser Wohnung, wo sie 1992 bettlägerig stirbt. Ein packender szenischer Höhepunkt ist der Auftritt der betrunkenen Edith Piaf in Marlene Dietrichs Wohnung, der in einem Eklat endet: „Ich will dich nie mehr sehen!“ Später werden sich die beiden Künstlerinnen wieder im Krankenhaus begegnen, wenn Marlene die morphiumsüchtige Edith besucht. Ein starker berührender Moment ist außerdem die imaginäre Begegnung Marlenes mit der toten Edith in den 90er Jahren in Paris. Jetzt liegt Marlene im Bett und philosophiert mit ihrer Freundin über das Leben, das sie hauptsächlich in luxuriösen Hotels wie dem „Plaza“ verbracht hat. Der „Spatz von Paris“ und die mit dem Film „Der blaue Engel“ berühmt gewordene Dietrich ergänzen sich auch bei „La vie en rose“ hervorragend. „Awake in a Dream“ (Marlene), „Padam Padam“, „Mon manege a moi“ (Edith) oder „Land, Sea And Air“ (Marlene/Edith) sind weitere mitreissende Glanzpunkte dieser Aufführung, die sehr authentisch wirkt. Marlene hat dann noch einmal mit Federboa und weißem Gala-Kostüm einen wunderbaren Auftritt mit dem Song „Sag mir, wo die Blumen sind“, der eine tiefe Wirkung hinterlässt. Das gleiche gilt für „Just A Gigolo“. Edith triumphiert natürlich mit „Milord“ und „Non, je ne regrette rien“, das ihr im Krankenhaus von Charles Dumont zum ersten Mal vorgespielt wird, obwohl Marlene dagegen ist. Ihr legendäres Comeback am 30. Dezember 1960 im Pariser Olympia findet damit Erwähnung. In weiteren Rollen überzeugen Arzu Ermen als Marguerite Monnot, Simone „Momone“ Berteaut sowie Steffen Wilhelm als Liebhaber Marcel Cerdan sowie Noel Coward. „Die Freunde, die man um vier Uhr morgens anrufen kann, die zählen“, lautet der Wahlspruch Marlenes. Viele „Bravo“-Rufe und Jubel im Publikum. Eine Aufführung, deren Besuch sich lohnt.

Alexander Walther

 

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