Wolfgang Amadeus Mozart: Die Zauberflöte • Theater Orchester Biel Solothurn im Stadttheater Solothurn • Vorstellung: 01.10.2025
(7. Vorstellung • Premiere in Biel am 11.09.2025)
«Ein Weib tut wenig, plaudert viel»
Musikalisch überzeugt die Zauberflöte rundum. Szenisch ist der Abend leider weniger gelungen.
Foto © Joel Schweizer
Die Geigerin, Dirigentin, Musikvermittlerin und Spezialistin für historisch informierte Aufführungspraxis Meret Lüthi hat für ihr Operndebüt als Dirigentin das Sinfonieorchester Biel Solothurn! (SOBS!) so perfekt vorbereitet, dass der Eindruck aufkommen kann, im Graben spiele eine «Alte Musik-Formation». Unter musikalischer Leitung von Riccardo Fiscato spielt das SOBS! wunderbar klar mit herrlich herbem, griffigen Klang. Es werden Phrasen und Passagen hörbar, die sonst häufig unterzugehen drohen. In dieser Hinsicht überzeugen an diesem Abend besonders die Flöten.
Remy Burnens gibt den Tamino mit wunderbar lyrischem, perfekt fokussiertem Tenor und empfindsamem Spiel. Marion Grange ist ihm mit sauberem, höhensicherem Sopran eine sympathische Pamina. Nathanaël Tavernier gibt mit sicheren, ungewöhnlich vollen Tiefen einen beeindruckenden Sarastro. Rebekka Maeder überzeugt mit glasklaren Höhen und tadellosen Koloraturen als diskret gezeichnete, noble Königin der Nacht. Wolfgang Resch ist stimmlich wie szenisch eine Idealbesetzung des Papageno. Im schwarzen Federkostüm agiert er als Rabe mit grossem komischem Talent. Den unbekümmerten Naturburschen nimmt man ihm und seinem perfekt geführten Bariton jederzeit ab. Giulia Ferraldeschi überzeugt im Flamingo-Kostüm als sympathische Papagena. Das Trio der drei Damen ist mit Noabelle Chegaing, Sara Janeva und Mirjam Fässler tadellos besetzt. Konstantin Nazlamov als Monostatos, Flurin Caduff als Sprecher und zweiter geharnischter Mann und Roberto Santos Luy als 1. geharnischter Mann. Sympathisch im Auftreten ist bei den Die drei Knaben, besetzt aus den Singknaben der St. Ursenkathedrale Solothurn, vor allem in der Abstimmung mit dem Graben noch viel Luft nach oben. Die Stimme aus dem Off, oft von der Regie gewollt gehetzt und schwer verständlich, gehört Anna Blumer. Valentin Vassilev hat den Chor TOBS! akkurat präpariert.
Die Regie des Abend überzeugt leider nicht. «Anders als Mozarts zeitlose Musik ist dieses Textbuch das Kind einer vergangenen Zeit, in der anders Werte galten. … Einige Aussagen Sarastros und der Priester konnten [1791] als Ausdruck von freiheitlichen Werten verstanden werden, nach denen viele Menschen damals verlangten und die zugleich so allgemein formuliert waren, dass sie keinen Anstoss erregen konnten: Man spricht von Liebe, Vergebung und menschlicher Würde. Zugleich steht gerade diese Priestergilde für ein patriarchalisches und frauenfeindliches Weltbild, das damals weit verbreitet war und als selbstverständlich galt, jedoch heute in klarem Widerspruch zu unseren Wertvorstellung-en steht. Die Auseinandersetzung mit dieser Thematik gehört weiterhin zu den grössten Herausforde-rungen jedes Regieteams, das sich heute mit der «Zauberflöte» auseinandersetzt. Seit Iangem wird darüber diskutiert, wie mit solchen Inhalten umzugehen ist. Manche Produktionen entfernen proble-matische Textstellen, andere schaffen neue Dialoge oder Kommentierungen, um den Stoff zeitgemäss zu verankern. (Zitat aus dem digitalen Programmheft). Auch wenn zu begrüssen ist, dass man die problematischen Textstellen nicht einfach ersatzlos entfernt hat: Die Herausforderung sich mit dem patriarchalischen und frauenfeindlichen Weltbild auseinanderzusetzen, bewältigt das Regieteam nicht. Die neue Sprechtexte des Dramaturgen Maximilian Hagemeyer (entstanden in Zusammenar-beit mit Regisseurin Anna Drescher und Ausstatterin Tatiana Ivschina) setzen sich kaum mit der Thematik auseinander. Anstatt Stellung beziehen, fassen sie im ersten Teil die Handlung im Stile einer «Zauberflöte für Eilige» zusammen. Mit der Idee, dass die Figuren ihre Position im Handlungs-gefüge hinterfragen, zerfällt die Handlung im zweiten Teil, der so unnötig lang wirkt. Die fehlende, «aufmerksame» Auseinandersetzung manifestiert sich im musikalischen Teil, wenn Phrasen wie «Ein Weib tut wenig, plaudert viel» oder «Ein Mann muss eure Herzen leiten, denn ohne ihn pflegt jedes Weib aus ihrem Wirkungskreis zu schreiten» unkommentiert wiedergegeben werden (im Programm-heft: «die musikalische Substanz des Stückes wird dabei nicht verändert»). Ein Kontrast würden nur bei behutsam angepassten Sprechtexten funktionieren. Ohne entsprechende Pendants und gesprochen von nur einer Stimme ist der neue Text nur ein Streichen der inkriminierten Textpassagen, so, wie wenn (in Zürich) bei einem Altstadthaus der Name «Zum Mohren» «nur» unkenntlich gemacht werden soll, ohne «Mehrwert». Zudem dürften die wenigsten Besucher die originalen Sprechtexte so gut kennen, dass sie den Vergleich eigenständig vornehmen können. Eine «Auseinandersetzung mit dem kulturellen Gedächtnis» oder «Existenzielle Sinnfragen» ist nicht auszumachen.
Anna Drescher arbeitet mit Transportkisten als visueller Metapher (Bühne und Kostüme: Tatjana Ivschina) für die Bilder, die die Zauberflöte in wohl jedem Operngänger hervorruft. Aus den Kisten schlüpfen die sichtbar mehr oder weniger «klassischen Charaktere» (der Prinz mit Krone, Papageno mit Federn, die Königin der Nacht als Blondine mit Zigarettenspitze), die, ihrer Dialoge beraubt, nur noch singend agieren. Oberflächlich ist «die musikalische Substanz des Stückes … nicht verändert»: faktisch entsteht aber der Eindruck, vokalen Partien seien nicht mehr als eine «Ansammlung von Liedern». Mario Bösemann beleuchtet die weitgehend schwarz gehaltene Bühne.
Musikalisch ein Genuss.
Weitere Aufführungen im Stadttheater Biel:
Mi. 12.11.2025 19:30, Do. 13.11. 2025 19:30, Sa. 15.11. 2025 19:00, So. 16.11. 2025 15:00.
Weitere Aufführungen im Stadttheater Solothurn:
Mi. 05.11. 2025 19:30, Fr. 07.11.2205 19:30, So. 09.11. 2025 15:00.
Auswärtige Vorstellungen:
Fr. 17.10.2025, 19:30, Stadttheater Langenthal; Sa. 25.10.2025, 19:30, Kurtheater Baden;
Sa. 01.11.2025, 19:30, Podium Düdingen; Do. 20.11.2025, 19:00, Theater Casino Zug;
Sa. 22.11.2025, 20:00, Tonhalle Wil; Do. 04.12.2025, 19:30, Stadttheater Olten;
Di. 09.12.2025, 19:30, Stadttheater Schaffhausen; Do. 11.12.2025, 19:30, Casino Theater Burgdorf;
Sa. 13.12.2025, 19:30, KKThun; Sa. 20.12.2025, 19:00, LA POSTE Kultur- und Kongresszentrum;
Mi. 14.01.2026, 19:30, Graf-Zeppelin-Haus Friedrichshafen;
03.10.2025, Jan Krobot/Zürich