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BIEL/ SOLOTHURN/Stadttheater Solothurn: ORPHÉE ET EURIDICE von Cristoph Willibald Gluck. Premiere. Zwiebeln Schälen wird nie mehr sein wie früher…

01.04.2023 | Oper international

Christoph Willibald Gluck: Orphée et Euridice • Theater Orchester Biel Solothurn • Stadttheater Solothurn • Premiere: 01.04.2023

Zwiebeln Schälen wird nie mehr sein wie früher…

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Die letzte Musiktheater-Premiere der Saison findet traditionell in Solothurn statt. Und wieder kann das TOBS mit Barock-Oper punkten.

Musikalisch gelingt die Produktion überragend. Das Sinfonie Orchester Biel Solothurn unter musikalischer Leitung von Francis Benichou (eingesprungen für den erkrankten Jan Tomasz Adamus) schwelgt historisch informiert in Glucks Partitur. Die Tempi sind bestens abgestuft, ebenso die Lautstärke. Besonders gut gelingen die für ihre Zeit ungewohnt modernen Passagen der Partitur. Im intimen Rahmen des Stadttheaters Solothurn sind nicht nur die einzelnen Instrumente bestens vernehmbar, sondern auch ihre spezifischen Klangfarben.

Hervorragend auch der Chor des TOBS (vorbereitet von Valentin Vassilev). Rhythmisch ausgesprochen präzis und mit kompaktem Klang agiert er meist hinter der Bühne.

Einmal mehr ist es dem TOBS gelungen, hervorragende Solisten zu engagieren, die bestens harmonieren. Juan Sancho gibt den Orphée mit seinem hellen, kräftigen, leicht metallischen Tenor. Höhensicherheit ist beim ihm selbstverständlich und so ist er für diese für einen Haute Contre geschriebene Partie eine Idealbesetzung. Mustergültig gelingt ihm das «J’ai perdu mon Euridice», der Hit der Oper. Marion Grange ist eine Euridice mit überragender Bühnenpräsenz und begeistert mit ihrem vollen, runden, souverän geführten Sopran. Mira Alkhovik als L’Amour komplettiert das Trio und bietet mit ihrem schlanken, jugendlich frischen Sopran einen guten Kontrast.

Die Szene (Bühne und Kostüme: Tatjana Ivschina), der Vorhang ist von Anfang an offen und die Ouvertüre inszeniert, bietet Möbelhaus-Chic im Altbau. Küche, Bad, Bett und TV. Was man in einer Wohnung erwartet. Orphée und Euridice, beide, was heute längst nicht mehr üblich ist, korrekt angezogen, kommen von einem gesellschaftlichen Anlass nach Hause und können es kaum erwarten. Zum Ende der Ouvertüre verschwinden sie gemeinsam unter der Bettdecke. Nach einer langen Pause schrillt plötzlich der Wecker. Orphée brüht Kaffee auf und presst Orangen aus. Über Nacht ist alles anders und Euridice schwer depressiv geworden. Orpheus als ihr Gatte pflegt sie, L’Amour kommt von der Spitex (Spitalexterne Hilfe, Helvetismus für ambulanter Pflegedienst). Szenisch passiert nun nicht mehr viel, abgesehen davon, dass sich mit steigender Belastung von Orphée, zwecks deren Visualisierung, ganz unerwartet, die Decke zu sinken beginnt. Orphée und Euridice bleiben bis zum Schluss auf der Bühne.

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Foto © Joel Schweizer

Zentrales Thema des Stückes sei, so Anna Drescher (Regie) im Programmheft, der Verlust. Der antike Mythos müsse in die Gegenwart übersetzt werden, und dabei stelle sich die Frage, welche Gestalt der Verlust habe, ob er nur im Tod oder auch im Leben existiere. Für Drescher existiert er auch im Leben und so stirbt Eurydike nicht, sondern rutscht stattdessen in eine tiefe Depression. Das ist die Krux der Inszenierung, denn hier setzt Drescher einen endgültigen Verlust mit einem Vorübergehenden gleich und relativiert die Gleichsetzung gleich wieder mit dem Glauben an die «Kraft der Liebe» («Es ist der Glaube an die Liebe, der sie gemeinsam ins Leben zurückkehren lässt»). Würde sie den Tod mit einer unheilbaren psychischen Krankheit gleichsetzen, wäre die Sache eine andere. Man würde annehmen, es sei hinlänglich bekannt, dass depressiv Erkrankte ihr Leben mit geeigneter Behandlung und Medikation ihr Leben in den Griff bekommen können und für ihre Umwelt nicht zum Verlust werden. Die postulierte Visualisierung des gesellschaftliche Themas wird so aber zu einer Bagatellisierung. Orphées Rolle als Pfleger seiner Gattin und deren dauernde Präsenz auf der Bühne generieren zahlreiche vermeidbare Unstimmigkeiten. So verliert Orphée Euridice nicht und das fatale Zurückschauen findet ebenso wenig statt. Der einsame Höhepunkt ist dann das gemeinsame Zwiebel schälen zum neuen Start in die Liebe («Es ist der Glaube an die Liebe, der sie gemeinsam ins Leben zurückkehren lässt …»).

Zwiebeln Schälen wird nie mehr sein wie früher…

Weitere Aufführungen:
Aufführungsdaten Biel:

Fr. 21.04.2023, 19:30; So. 23.04.2023, 15:00; Di. 09.05.2023, 19:30;

So. 21.05.2023, 19:00; Mi. 24.05.2023, 19:30; Fr. 26.05.2023, 19:30.

Aufführungsdaten Solothurn:

Mi. 05.04.2023, 19:30; Do. 06.04.2023, 19:30;

Mi. 10.05.2023, 19:30; Fr. 12.05.2023, 19:30.

Auswärtige Vorstellungen:

Casino Theater Burgdorf, Do. 04.05.2023, 19:30

01.04.2023, Jan Krobot/Zürich

 

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