Fabian Müller: Heidi feiert Weihnachten • Theater Orchester Biel Solothurn • Stadttheater Solothurn • Solothurner Premiere: 06.12.2023
(3. Vorstellung • Bieler Premiere am 01.12.2023)
Heidi heute
Nach «Eiger» bringt Theater Orchester Biel Solothurn eine weitere Oper von Fabian Müller und Tim Krohn zur Uraufführung. Mit «Heidi feiert Weihnachten» findet die Romanfigur Johanna Spyris erstmals überhaupt Eingang ins Musiktheater und das in einer kongenialen Umsetzung.
Graphik © TOBS Foto © Konstantin Nazlamov
Die Zürcher Schriftstellerin Johanna Spyri gehört zu jenen Künstlern, die heute nur noch für ein Werk bekannt sind. «Heidis Lehr- und Wanderjahre» (1880) und «Heidi kann brauchen, was es gelernt hat» (1881) hat vor allem den Film zu zahlreichen Umsetzungen animiert. Besonders bekannt sind die japanische Anime-Serie («Arupusu no Shojo Haii») und die ersten deutschsprachigen Heidi-Verfilmungen der Praesens Film. Tim Krohn ist bei seiner Arbeit an der zeitgenössischen Neufassung der Heidi-Romane aufgefallen, dass in Spyris Werk keinerlei Feste, weder Weihnachten noch Ostern oder Geburtstage, vorkommen. So hat er für seine eigenen Kinder, aber nicht nur die, eine Heidi-Weihnachtsgeschichte erfunden. Nach der erfolgreichen Zusammenarbeit bei «Eiger» kam Tim Krohn auf Fabian Müller und Dieter Kägi (Intendant TOBS) mit der Idee zu, die Heidi-Weihnachtsgeschichte als Oper umzusetzen.
Am vierten Advent kehrt Heidi nach einem Krankenbesuch bei Peters Grossmutter ins Dörfli. Aus Mitleid, und gegen Öhis erklärten Willen, hat sie der Grossmutter versprochen ihr am Heiligabend ein Geschenk vorbeizubringen. Am Heiligen Abend steht dem nun aber ein heftiger Schneesturm entgegen. Als der Öhi gegangen ist, um Käse und Krippenfiguren auszuliefern, holt Heidi die beiden Geissen Bärli und Schwänli in die Stube. Schliesslich missachtet sie Öhis Verbot und macht sich trotzdem auf den Weg zur Grossmutter. Vor dem Haus der Grossmutter trifft sie auf Peter, von dem sie sich die jungen Geissen zeigen lässt. Eines davon möchte sie dem Öhi zu Weihnachten schenken. Als sie es unter ihren Mantel stecken will, springt es ihr aus der Hand und läuft davon. Als Heidi es wieder einfangen will, verläuft sie sich im Schneesturm. Sie findet den Weg nicht mehr und sucht in einer durch eine Schneeverwehung entstandenen Höhle Schutz. Peter rennt voll von Angst zum Öhi ins Dörfli. Als der die Haustür öffnet, reisst sich Schwänli los und verschwindet im Sturm. Nun machen sich, mit Bärli an der Leine, Peter und der Öhi zum Berg auf, um Heidi zu suchen. Heidi wacht in ihrer Höhle auf, als sie das Glöckli von Schwänli hörte, das sie zu einer Lichtung mit Futterkrippe führte. Dort hörte sie dann ein weiteres Glöckli, das von Bärli: Peter und der Öhi hatten sie gefunden. Auf dem Heimweg hören sie die Weihnachtsglocken.
Anna Drescher (Inszenierung) inszeniert eng an der Geschichte und führt die Personen kindgerecht. Wie von Tim Krohn vorgegeben ist ihre Heidi frei von Kitsch und Klischees. Das ganze Gewicht liegt auf Heidis Wesenszug die Herzen der anderen zum Schmelzen zu bringen, alles zum Positiven zu wenden. Sie wendet alles zum Positiven und macht sich, um mit einer anderen Kinderbuch-Figur zu sprechen, die Welt, wie sie ihr gefällt. Protagonist des Abends ist aber der Schneesturm, der von den Bergwesen (Kinderchor TOBS kostümiert als widderartige Fabelwesen) immer weiter angetrieben wird. Tatjana Ivschina (Bühnenbild und Kostüme) nutzt die Drehbühne, auf der sie eine Schräge installiert hat, die Steilhang, Schneehöhle, Geissenpeters Hütte oder Futter-Krippe ist. Die Kostüme sind wunderbar dezent und absolut passend, mit zeitgenössischem Einschlag.
Die Bieler Sopranistin Chelsea Marilyn Zurflüh ist als Heidi eine Idealbesetzung. Die kräftige, jugendliche Frische ihres Soprans (mit makelloser Textverständlichkeit und tadellosen Übergängen vom Sprechen zum Singen) spiegelt sich ihrem tief sympathischen, positiven Spiel. Seit ihrem professionellen Debüt im Oktober 2020 als Frau Binz in Paul Burkhard’s Oper «Casanova in der Schweiz» und der Zeit im Internationalen Opernstudio Zürich hat sich die Stimme prächtig entwickelt. Bahnt sich hier eine Karriere an, wie bei jener Sopranistin (Lisa della Casa), die vor gut 82 Jahren am damaligen Städtebundtheater als Cio-Cio-San debütierte? Remy Burnens tadelloser Peter ist nicht ganz so jugendlich wie sein Heidi, passt aber bestens in das Umfeld. Robert Koller mit sonorem Bass-Bariton als Öhi und Susannah Haberfeld mit warmem Mezzo ergänzen das phänomenale Ensemble.
Grossvater
Das Sinfonie Orchester Biel Solothurn unter seinem ehemaligen Chef-Dirigenten Kaspar Zehnder setzt Müller farbige, hoch atmosphärische Musik so herrlich um, das ein wahrer Sog entsteht.
Heidi heute: Ein Wurf!
Aufführungsdaten Biel:
So. 10.12.2023, 14:30; Mo11.12.2023, 10:15; So. 17.12.2023, 19:00; Mo. 18.12.2023, 10:15;
Do. 28.12.2023, 15:00; Do. 28.12.2023, 19:30; Mi. 03.01.2024, 19:30; Fr. 05.01.2024, 19:30;
Di. 09.01.2024, 19:30; So. 14.01.2024, 17:00.
Aufführungsdaten Solothurn:
Do. 07.12.2023, 10:15; Do. 07.12.2023, 19:30; Do. 14.12.2023, 10:15; Do. 21.12.2023, 19:30;
Fr. 29.12.2023, 19:30; Sa. 30.12.2023, 15:00; Sa. 30.12.2023, 19:00.
Auswärtige Vorstellungen:
Sa. 09.12.2023, 17:00, Stadttheater Langenthal;
Sa. 16.12.2023, 15.00 und 19:30; Casino Theater Burgdorf;
Mi. 20.12.2023, 17:00, Theater Thun; So. 24.12.2023, 14:00, Theater Casino Zug.
07.12.2023, Jan Krobot/Zürich