Festival Young Euro Classic 17.8.-3.9.2016 Konzerthaus Berlin
Eröffnungskonzert mit dem European Union Youth Orchestra unter Vasily Petrenko, Konzerthaus Berlin, 17.8.2016
© YEC_Mutesouvenir_Kai Bienert
Auf dem Programm des mit Reden und einem Geburtstagsständchen des vision string quartett zum 40. Geburtstag des Orchesters fett gespickten Eröffnungskonzerts standen Wolfgang Amadeus Mozarts Klavierkonzert für 2 Klaviere Es-Dur KV 365 (316a) und Gustav Mahlers Symphonie Nr. 1 D-Dur. Als Solistinnen waren keine Geringeren als die großartigen ewig jungen Pianistinnen Katia und Marielle Labèque aufgeboten. Als Zugabe boten die in schwarz gehüllten schlanken Diven solistisch ein Stück von Philipp Glass (Waves). Stand Mozart ganz im Zeichen einer delikaten, fein gezeichneten, quirlig fließenden und durch das Spiel der beiden Französinnen geadelten Interpretation, ließ es Dirigent V. Petrenko, seit 2015 neuer Chefdirigent des Orchesters, beim Mahler’schen „Titan“ ganz schön krachen. So dynamisch und faszinierend die jungen Musikerinnen und Musiker in ihrer unendlichen Energie anzusehen sind, wenn sie sich wild schwingend in die Schlacht um Mahlers die Natur beschwörenden Klangwelten werfen, so glich der Streichersound nicht immer philharmonischem Samt, sondern im Forte und Fortissimo eher einem Lambswool Pullover. Die elf Damen und Herren auf den Kontrabässen und die Celli einmal ausgenommen. Holz und Blech machten ihre Sache schon sehr gut. Es gibt auch sieben MusikerInnen aus Österreich in diesem europäischen Orchester (Tobias Kausel, Magdalena Sammer, Elisabeth Gansch, Valerie Fritz, Raphaela Pachner, Klara Wincor, Sophie Keiler), dem die Europäische Kommission die Subventionen streichen wollte. Für das Jahr 2016 ist erst einmal alles gerettet, die europäischen Kulturminister kämpfen um den Fortbestand dieses wichtigen künstlerischen Ensembles, wie Staatsministerin für Kultur und Medien Monika Grütters in ihrer sympathischen Ansprache versicherte.
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Aber wer will angesichts von so viel Einsatz und ehrlichem unverbrauchtem Sentiment der Teilnehmenden schon allzu sehr beckmessern? Ist doch das Festival an sich eine ganz außerordentlich schöne Sache. Das zeigt sich schon an den Siedegraden des Applauses, der nur noch in Popkonzerten getoppt wird. Auch wenn so mancher Jubelansatz nach dem ersten Satz der ersten Mahler verriet, dass da manche im Publikum noch nicht ganz vertraut mit den Konzertusancen sind.
Young Euro Classic ist nämlich die nach Worten der Veranstalter „weltweit wichtigste Plattform des internationalen Orchesternachwuchses für die europäische klassische Musiktradition und ihre Entwicklungen.“ Jeden Sommer spielen mehr als zwei Wochen lang Orchester aus aller Welt im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt, dieses Jahr zum 17. Mal. Seit dem Gründungsjahr 2000 sind nahezu 20.000 junge Musiker aus 56 Nationen aufgetreten. Sie sind im Schnitt 18-28 Jahre, Ausnahmetalente gibt es schon ab 11 Jahren. In diesem Jahr werden ca. 1.500 Musiker beteiligt sein, es wird 12 Ur- und deutsche Erstaufführungen geben. Die Kartenpreise sind in drei Kategorein von 16,– bis 25,– Euro extrem moderat. Für viele der Pre-Professionals zählen die Auftritte im Konzerthaus oder der Philharmonie zu den prägendsten Ereignissen ihrer Karriere. Das Prinzip der Neugründungen von bi- und multinationalen Jugendorchestern, welches von Barenboim und Said initiiert und von Young Euro Classic intensiviert und verbreitet wurde, ist mittlerweile extrem wichtig für die Jugendorchesterszene geworden. Das Orchester als utopisches Miteinander, als Gesellschafts- und Gemeinschaftsmodell der Teilhabe. Hier wird auf höchstem Niveau von jungen Musikern das gepflegt, was die europäische Orchester-Kultur seit Jahrhunderten auszeichnet, nämlich ihre grenzüberschreitende und integrative Funktion – im Zeichen von Begegnung, von Austausch, von einem Miteinander in friedlicher Koexistenz. In diesen krisenhaften Zeiten sind diese Werte – von Nahost bis Russland/Ukraine – eine wichtige Botschaft.
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Young Euro Classic könnte auch für die Zukunft des Klassikpublikums von Bedeutung sein – mit einer Auslastung von mindestens 96% und jährlich über 28.000 Besuchern, deren Altersdurchschnitt deutlich unter dem „normaler“ Konzertbesucher liegt. Der Erfolg von Young Euro Classic basiert auf seinem generations- und gesellschaftsübergreifenden Partnerschaftsmodell: Musiker, Publikum, Unterstützer, bürgerschaftlich Engagierte, Staat und Sponsoren sind Teil eines inzwischen weltumspannenden Netzwerkes, dessen besondere Saura und Konzertatmosphäre sich auf die gesamte Festival-Atmosphäre überträgt.
Für Umweltbewusste: Das digitale Programmheft gibt es jeweils kostenlos zum Download und Drucken oder für das Smartphone. Ab dem 10. August konnten sich Konzertbesucher damit schon auf ihre Wunschabende vorbereiten. Mit teuren gedruckten Versionen vor Ort dürfte damit auch bei anderen kulturellen Veranstaltungen bald Schluss sein.
Dr. Ingobert Waltenberger