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BERN: TANNHÄUSER – Neuinszenierung

02.04.2017 | Oper

Bern: TANNHÄUSER am 1.4.2017 im Konzert Theater Bern

tann
Copyright: Philip Zinniker

Dieser Tannhäuser in Bern ist eine Koproduktion mit Vlaamse Opera Gent und Felice Venedig, in beiden Häusern fanden bereits die Aufführungen statt. Die erste Vorstellung in Bern war bereits am 25.3.2017

Der Fokus der Regie Calixto Bieitos liegt in der Hysterie und der Apokalypse. Wie er im Interview beschreibt stellt Tannhäuser die Frage nach dem Sinn des Lebens. Im Zentrum ist Tannhäuser, ein hoffnungsloser depressiver Mann in einer verwirrten Gesellschaft. Die Gesellschaft befindet sich in einer Situation der Hysterie die in einer Apokalypse endet. Diese Tannhäuser Produktion endet in einem Inferno, einer apokalyptischen Atmosphäre, ähnlich wie er es bereits im Holländer und Parsifal in Stuttgart produzierte. Für ihn herrschen in diesen Werken das Gefühl gesellschaftlicher Blutarmut, eines vorherrschenden Niedergangs. Er begründet dies, mit der generellen starken Faszination Wagners für den Tod, des Welt- oder Epochenendes.

In diesem Kontext wirkt die Inszenierung entsprechend dunkel, zerstörerisch und deswegen auch entzaubert. Der Venusberg ist ein karger schwarzer Raum mit einer schwarz gekleideten lasziven Venus die im Wald lebt, umgeben von Urwaldpflanzen von dominierender Präsenz. Claude Eichenberger gibt eine stimmgewaltige und glänzend disponierte Venus zum Besten. Sie hat die Nötige körperliche Präsenz und eine Stimme die mühelos über das Orchester hinaus erklingt. Eine Venus voller Verve und einer Kehle voller gegurgelter Vokale.

Die Flucht Elizabeths in die Religion im dritten Akt ist eine Form der Hysterie, eine mentale Flucht aus einer Gesellschaft, die sie letztendlich umbringt. Sie erträgt die Welt der Wartburg nicht mehr, sie geht daran zugrunde und wird verrückt, so die Interpretation des Regisseurs. Die schauspielerische und sängerische Leistung der Lettin Liene Kinca ist beeindruckend. Sie verfügt über eine sehr grosse Stimme mit der sie Inbrunst und feurige Dramatik spielend ausdrücken kann. ihr Sopran ist zwar etwas zu gross für dieses Haus der Landeshauptstadt und wirkt deshalb in einigen Passagen etwas hart in den Ohren. Doch jeder Satz sitzt, wie sie es im Lento-Gebet „Allmächt’ge Jungfrau, hör‘ mein Flehen“ beweist. „Dich teure Halle“ singt sie kühl aber mit der nötigen Dynamik und mit der geforderten Attacke.

Daniel Frank ist ein gut disponierter Tannhäuser. Die Romerzählung liegt ihm gut in der Stimme, wie auch der Gesang in der Venusgrotte. Sein Tenor ist offen, klingt angenehm und wird überaus genau geführt. Er meistert die Partie glänzend, setzt seine Stimme intelligent ein, sodass er bis zum letzten Ton über die nötigen Ressourcen verfügt.

Jordan Shanahan ist vokal ein aufregender Wolfram und ein toller Schauspieler dazu. Sein „Oh du, mein holder Abendstern“ ist sehr schön, liedhaft und gefühlvoll vorgetragen. Kai Wagner einadäquater röhrender Landgraf. Andries Cloete als Walther „Den Bronnen, den uns Wolfram nannte“verfügt über einen nasalen klangschönen Tenor. Als Biterolf etabliert sich Andreas Daum „Heraus zum Kampfe mit uns allen!“ als energischer Tugendbold. Ralf Simon singt Heinrich den Schreiber, Carl Rumstadt den Reinmar, Emilie Inniger (Mitglied des Chores der Musikschule Köniz) den wohlklingenden Hirten.

Am Pult ein toller Kevin John Edusei. Er setzt mit dem Berner Symphonieorchester auf gemässigtfokussierte Tempi mit höchster Präzision. Zsolt Czetner hat den Chor und Extrachor vom Konzert Theater Bern wunderbar vorbereitet und gut einstudiert.

Obwohl diese Inszenierung etwas Zwiespältiges hat, lässt sie einem nicht kalt. Als Landgraf Hermann, Walther, Wolfram, Heinrich, Biterolf und Reinmar von der Jagd zurückkommen und Tannhäuser erspähen endet der Begrüssungs- und Versöhnungsakt des ersten Aktes in eine urwaldähnliche bzw. tierisches Begrüssungsritual. Mit blutüberströmten Körpern schreien sie ins Publikum und schlagen sich auf den Torso. Am Ende der Oper jubelt das Berner Publikum, feiert seine Sänger und vielleicht auch diese Regiedeutung als erfolgreiche Neuproduktion.

Marcel Paolino

 

 

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