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BERN/ Bühnen: NORMA – Konzertante Aufführung: «Melodie lunghe lunghe lunghe» die man lang lang lang nicht vergessen wird

01.09.2025 | Oper international

Vincenzo Bellini: Norma • Bühnen Bern • Konzertante Aufführung: 31.08.2025

«Melodie lunghe lunghe lunghe» die man lang lang lang nicht vergessen wird

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Nombulelo Yende. Foto: Nadia Antonova/tact4art.com

 

Wer diesen Abend erleben durfte, wird ihn, frei nach Verdis Äusserung über Bellini, lang lang lang nicht vergessen. «Die Oper muss durch ihren Gesang weinen, schaudern, sterben machen», so Bellini über seine Opernästhetik. So mancher Zuhörer der Aufführung dürfte an diesem Abend mehrere Tode gestorben sein, so nahe bewegte sie sich an dem, was Bellini sich vorgestellt haben dürfte. Bühnen Bern nutzt die Gelegenheit, dass der Chor des Hauses «Norma» für Aufführungen am 22. August in Gstaad und am 24. August in Baden-Baden schon vorbereitetet hat und bietet dem heimischen Publikum, mit neuer Besetzung und neuem Orchester, eine Weltklasse-Aufführung von Bellinis Meisterwerk.

Andrea Sanguineti (Musikalische Leitung) dirigiert La Banda Storica, die im Sommer 2022 gegründete Formation des Berner Symphonieorchesters, die sich der historischen Aufführungspraxis widmet. Es macht schlicht Stauen, welche Perfektion die noch relativ junge Formation in so kurzer Zeit erreicht hat. Die Streicher klingen seidig weich, die Holzbläser samten warm und die Blechbläser agieren mit perfekter Sicherheit (die man so nur in ganz wenigen Orchestern finden dürfte) und sattem Klang. Das Zusammenspiel von Musikern und Dirigent ist von einem Vertrauen geprägt, das eine jahrelange gemeinsame Arbeit vermuten lassen würde. Sanguineti ist der ideale Dirigent für diesen Abend: mit dem phänomenalen Orchester gestaltet er das ganze Spektrum von Bellinis Musik in Perfektion und mit hoch musikalisch gestalteten Kadenzen und Verzierungen gibt er den Solisten die Möglichkeit zu brillieren und erweist sich als idealer Sängerbegleiter.

Schon in der Sinfonia kommen die Vorzüge von La Banda Storica und von Sanguinetis Einstudierung voll zur Geltung. Zum ersten brillieren die Holzbläser und der Gegensatz zwischen den dramatischen und schwelgenden Passagen. Mit «Ite sul colle, o Druidi» stellt sich William Meinert als Normas Vater Oroveso vor. Die Stimme trägt tadellos und bleibt auch in den dramatischen Ensembles immer hörbar. Sie überzeugt mit charakteristischen Farben und natürlicher Autorität. So gerät die Darstellung des Vaters weit aus natürlicher, als es die Bühnenerscheinung vermuten lassen würde. Schon in der Auftrittsarie «Meco all’altar di Venere» überzeugt der Pollione von Joseph Dahdah mit überragender Atemtechnik und tadelloser Textverständlichkeit. Als sich nach dem Ausmessen des Raumes die Stimme eingependelt hat, kommen schwebende Piani hinzu, wie man sie von Tenören nur ganz selten zu hören bekommt. Dadahs Tenor kommt eindeutig vom dramatischen Fach her, kann aber lyrisch, belcantistisch schwelgen wie nur wenige seiner Zunft. Schlicht weg überragend, von allererster Güte, ist die Norma der Haus- und Rollendebütantin Nombulelo Yendes. In einer Rolle, die, so Lilli Lehmann, «So anstrengend wie zehn Leonoren oder wie drei Brünnhilden!» ist, auf diesem Niveau zu debütieren ist einfach atemberaubend! Die Preghiera «Casta Diva» gelingt mit erschütternder Intensität und ergreifender Emotionalität. Die Stimme ist voll und rund mit einer Farbe, die sie sofort erkennen lässt, die Register sind perfekt verblendet, die Höhen kristallklar und von selten erlebter Fülle. Die Wechsel vom Schwelgen zum Drama, so wenn Norma im Finale des ersten Akts erkennen muss, dass Aldagisas Liebhaber und der ihrige ident sind, gelingen perfekt. Für Yendes tiefe Durchdringung der Partie steht die Gestaltung zweier Worte: «Dormono entrambi» (Zweiter Akt, erste Szene). Hier gelingt es Yende die ganze Zerrissenheit der Norma mit diesen zwei Worten erschütternd intensiv klarzumachen. Kurz: Diese Stimme hat alles, diese Stimme kann alles. Mit der Auftrittsarie «Sgombra è la sacra selva» der Adalgisa präsentiert Simone McIntosh alle Vorzüge ihrer perfekt fokussierten, warmen, weichen Stimme, die hinabreicht bis in die Lagen des Alts. Ihre Stimme harmoniert gleichermassen ideal mit Yende wie mit Dahdah und so reiht sich hier Höchstgenuss an Höchstgenuss und beim Duett «Sì, fino all’ore estreme compagna tua m’avrai» stirbt der Zuhörer einen weiteren Tod. Die Rollen der Clotilde und des Flavios sind mit Patricia Westley und Giacomo Patti tadellos besetzt.

Gewohnt hochkarätig ist die Leistung des Chors der Bühnen Bern (Chorleiter: Zsolt Czetner). Wunderbar satt und kompakt der Klang und rhythmisch präzise. Mit dem wuchtig dargebotenen Chor «Guerra, guerra!» wird vom ersten Moment an klar, warum dieses Stück zur «Musik des Risorgimento» gehört (und eben nicht Verdis Gefangenenchor).

Ein grosser grosser grosser Opernabend!

Keine weiteren Aufführungen.

01.09.2025, Jan Krobot/Zürich

 

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