Don Giovanni, Stadttheater Bern am 18.10.2017
Copyright: Philipp Zinnicker
Nimm dir, was du kriegen kannst! Wie der Baron Ochs im Rosenkavalier ist auch Don Giovanni kein Sympathieträger. Aber er beeindruckt und entwaffnet seine Mitspieler durch die Unverfrorenheit, mit der er sich alles nimmt, was er kriegen kann.
Der Regisseur zeichnet in Bern ein schlüssiges Konzept, indem die Geschichte in einen einzigen fensterlosen Raum versetzt wird, wo es keinen Tag und Nacht gibt, in einem abgeschlossenen Kosmos ohne Fenster. Traditionell ist Don Giovanni vielerorts unterwegs, bei dem der Ort unsicher ist und bei dem die meisten Szenen draussen auf der Strasse oder auf öffentlichen Plätzen abspielen. Die Regie hat die unterschiedlichen Charaktere an einem Ort zusammengeführt, an dem Don Giovanni über extreme Macht verfügt. Als Casinomanager führt er ein Imperium in Las Vegas. Sein Umfeld besteht aus Geld die ihn zu grosser Macht verhilft, physische Gewalt ein Teil seiner Alltagsrealität darstellt, die Regeln des Gesetzes für ihn keine Umsetzung erfahren und die Ehe zum Wegwerfprodukt wird. Das Casino ist der Ort der Vergnügungssucht, wo Spielen, Alkohol, Drogen und Sex ihren Platz haben und die Obsessionen die Don Giovanni in seinem Leben beherrschen versinnbildlicht.
Die Inszenierung von Mathew Wild, inspiriert vom Las Vegas Casino Konzept, hat hohe Qualität und streicht den dekadenten kokainsüchtigen Don Giovanni stark hervor, indem er eine unaufhörliche Party durchlebt. Die beiden Bildschirme auf der Bühne projizieren die Bettgeschichten und der runde grosse Casinotisch versammelt die spielenden und süchtigen dieser Gesellschaft an einen Tisch. Die farbigen Anzüge und Kostüme der frühen 80er Jahre, den vielen Glitzer lichtern und dem überdimensionalen Spiegel über der Bühne vereinen die ganze Dekadenz und Voyeurismus zu einem schlüssigen Bild.
Don Giovannis Untergang beginnt, als er den Komtur umbringt. Todd Boyce verkörpert einen gut aussehenden, muskulösen Hauptdarsteller der schauspielerisch gefällt und mit gut geführter Stimme überzeugt.
Bedrängt wird er von spannenden Charakteren und Stimmen. Andries Cloete wertet mit lautstarkem Tenor den Don Ottavio zum gefälligen Gegenspieler auf. Elissa Huber gibt seine Verlobte Donna Anna mit kristallklarem Sopran. Die gedemütigte Donna Elvira Evgenia Grekova spielt mit bezaubernd leichter Stimme eine verletzte immer noch verliebte Frau. Carl Rumstadt als Masetto und Eleonora Vacchi als Zerlina sind gefällig und amüsieren das Publikum durch ihre extravagante Verliebtheit im Country Stile. Michele Govi als alternder Chef-Croupier sorgt als Leporello für handfeste Komik, dem Komtur verleiht Young Know imposante Wirkung. Und das Orchester der Berner Symphonieorchester macht unter Kevin John Edusei die Partitur glanzvoll und mit viel schneidender Hochspannung zum Ereignis.
Marcel Paolino