Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

BERN/ Konzert Theater: LA BOHÈME . Premiere

25.11.2018 | Oper

Giacomo Puccini: La Bohème, Konzert Theater Bern, Premiere und besuchte Vorstellung: 24.11.2018

Die Aufführung im Stadttheater Bern vor fast ausverkauftem Haus beginnt nicht mit den gewohnten Tönen sondern mit Puccinis Streichquartett „Crisantemi“ (Chrysanthemen: in Italien die Blume des Todes; entstanden 1890 aus Anlass des Todes von Herzog Amadeus von Savoyen, einem engen Freund des Komponisten). Die Musik akustisch durch Rauschen verfremdet, begegnet das Publikum einem alten Mann mit Begleitung und Enkel. Die Bühne stellt den sterilen Innenraum eines modernen Museums dar, in grossen Lettern prangt „Retrospektive Marc“. Die Gäste der Vernissage (Statisterie Konzert Theater Bern) trudeln ein.

Regisseur Matthew Wild inszeniert Puccinis „La Bohème“ am Konzert Theater Bern als Rückblende des alten, schon fast etwas hinfällig wirkenden Marcello (hervorragend verkörpert von John Uhlenhopp als alter Mann im Rollstuhl inklusive Sauerstoffgerät). Der alte Marcello ist zur Eröffnung einer Retrospektive geladen und erinnert sich in diesem Rahmen an seine jungen Jahre als Künstler. Nach dem obligaten, lieblos überreichten Blumenstrauss, den Marcello bei erster Gelegenheit wegschleudert, flackert das Licht und die gewohnte „Bohème“ beginnt. Das Herz in der Vitrine beginnt zu schlagen, die Wand der hölzernen Transportkiste klappt herunter und wir erleben nun Rodolfo (wunderbar geschmeidig Peter Lodahl) und den jungen Marcello (Todd Boyce optisch inspiriert von Andy Warhol, manchmal leider im Orchester untergehend). Nicht nur mit dem Herzen, das in der Pause als Projektion auf dem Vorhang weiterschlägt, sondern auch mit der Konservendose der Marke „Campbell‘s“, die zu Schaunard’s (Michal Marhold als Transvestit) Beute gehören, wird auf Warhol als Inspirationsquelle verwiesen. Young Kwon als Verkörperung John Lennons ergänzt das eindrückliche Quartett.

Sämtliche Vorurteile, die einen bei der Lektüre der Inhaltsangabe beschleichen, werden von der Inszenierung enttäuscht. Das Konzept der Inszenierung funktioniert hervorragend und ist handwerklich perfekt umgesetzt, was kleine Details wie das Herz, das mit dem Eintrudeln der Gäste der Vernissage zu schlagen beginnt, die Konservendose aus Schaunard‘s Einkäufen oder der zu Konfetti gewordene Schnee aus dem zweiten Bild zeigen. So wie Paris die Kulturhauptstadt des 19. Jahrhunderts war, kann New York diesen Titel für das 20. Jahrhundert beanspruchen. Wild inszeniert eng am Text und setzt jede Szene stimmig um. Geradezu beeindruckend gelingt es ihm, den Umgang der Jugend mit dem Alter zu zeigen. John Uhlenhopp wird als Benoit, Parpignol und Alcindoro Teil der Erinnerungen und erlebt nun die Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Alter, die er früher vielleicht selbst ausgeübt hat. Manchmal möchte er auch, mit der Weisheit des Alters, in die Handlung eingreifen, bleibt aber erfolglos. Grossartig das vierte Bild, wo nun die Künstler, Musetta (Orsolya Nyakas, besonders bemerkenswert der quirlige Streit im dritten Bild) und dann auch die krebskranke Mimi (absolut beeindruckend Evgenia Grekova) vereint sind. Mimi stirbt auf einem Sofa mit Stricküberzug in Popfarben und erhält auch ihr Häubchen und den Muff. Das Knistern der Spannung im Raum ist zu hören, selbst die Schulklasse im Publikum ist ruhig und konzentriert. Als Mimi gestorben ist, erhebt sich Mimi nochmal, nun die Verkörperung des Todes, umarmt den alten Marcello und verschwindet mit ihm in einer Gasse. Marcello kann nun, nach der Retrospektive seines Lebens, gefasst sterben.

Zum Theaterabend der Extraklasse tragen das perfekt aufspielende Berner Symphonieorchester unter Ivo Hentschel, Chor Konzert Theater Bern, Extrachor Theater Bern und der Kinderchor der Singschule Köniz ihren Teil bei.

Ein neuer Blick auf ein „altbekanntes“ Werk handwerklich hervorragend umgesetzt. Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall.

Weitere Aufführungen: Fr, 30. November, 19:30; Mi, 12. Dezember, 19:30; Mi, 19. Dezember, 19:30; Sa, 22. Dezember, 19:30; Do, 27. Dezember, 19:30; Mo, 31. Dezember, 19:00; Do, 03. Januar 2019, 19:30; So, 06. Januar 2019, 18:00; Sa, 12. Januar 2019, 19:30; Do, 17. Januar 2019, 19:30; Do, 28. Februar 2019, 19:30; So, 10. März 2019, 18:00; Di, 12. März 2019, 19:30; So, 28. April 2019, 16:00; So, 19. Mai 2019, 18:00.

26.11.2018, Jan Krobot

 

Diese Seite drucken