Friedrich Smetana: Die Verkaufte Braut, Konzert Theater Bern, Vorstellung: 11.03.2020
(2. Vorstellung seit der Premiere am 08.03.2020)
Das Biotop Dorf konzentriert in der Turnhalle
Für einmal hat das Insel-Dasein der Schweiz auch sein Gutes: Unsere Theater spielen (noch).
Im Stadttheater Bern ist die Erfahrung zu machen, wie spannend in Zeiten, in denen die Werke in aller Regel in der Originalsprache aufgeführt werden, eine Opernaufführung in deutscher Sprache sein kann. Konzert Theater Bern zeigt Smetanas Meisterwerk als «Die verkaufte Braut» in der Übersetzung von Kurt Honolka. Honolkas Übersetzung ist in sprachlicher Hinsicht wenig elegant, orientiert sich aber stark am Sinn des tschechischen Textes und lässt so den Zuschauer die vermeintlich altbekannte Oper neu erleben.
Ganz wesentlich zur neuen Erfahrung tragen die raschen Tempi, die der 1. Kapellmeister und Musikalische Leiter des Musiktheaters ad interim Matthew Toogood an der Spitze des höchst konzentriert aufspielenden Berner Symphonieorchesters anschlägt, bei. Smetanas Musik klingt so enorm luftig, frisch und lebendig und Toogood gelingt es so das süsslich-zähflüssige vieler MoldauInterpretationen zu vermeiden.
Ensemble; Foto: © Janosch Abel.
Die kroatische Regisseurin Adriana Altaras liess sich für ihre Inszenierung sehr frei von Milos Formans legendärem Film «Der Feuerwehrball» inspirieren. Christoph Schubiger (Bühne) hat ihr als Einheitsbühnenbild eine Turnhalle geschaffen, die so in jedem Dorf zu finden sein dürfte – egal ob in der Schweiz oder in Böhmen. Wie Altaras diesen Raum, der nicht nur als Turnhalle genutzt wird, mit Leben füllt, zeigt von der hohen Qualität ihrer künstlerischen Arbeit. Jeder auf der Bühne, weiss, wo er zu stehen und was er zu tun hat. Gerade die Mitglieder von Chor Konzert Theater Bern und Extrachor Konzert Theater Bern (bestens vorbereitet von Zsolt Czetzner) überzeugen mit ihrer Leidenschaft im Spiel, vollmundigem Klang und besonders den tänzerischen Fähigkeiten (choreographiert von der Regisseurin, kein Choreograph ausgewiesen). Neben der eigentlichen Handlung gibt es eine Menge zu beobachten. Die Einführung der Liebe von Hans und Marie findet hier in und um einen Auto-Scooter statt, der als Verbildlichung der Utopie einer glücklichen Zukunft dient.
Nazariy Sadivskyy als Hans, Evgenia Grekova als Marie; Foto: © Janosch Abel.
Der Heiratsvermittler Kecal betreibt sein Geschäft in Altaras Inszenierung als Nebenerwerb, hauptberuflich ist er Dorfpolizist. Altaras hat sich gegen den Briefträger entschieden, denn als Dorfpolizist hat Kecal die grössere Machtposition und kann zusätzlich korrupt gedacht werden. Klingelt hingegen der Briefträger zweimal… Die ideal zur Inszenierung passenden Kostüme (Nina Lepilina) nutzt Altaras auch zur Beschreibung und Charakterzeichnung der Figuren. Die Elternpaare stechen auf den ersten Blick nicht aus der Dorfgemeinschaft heraus, auf den zweiten Blick zeigt sich dann die gleichermassen klare wie subtile Unterscheidung. Für den Chor hat sich Lepilina grosszügig bei osteuropäischen Trachten bedient. Der Auftritt der Zirkustruppe, frei gestaltet und vom Direktor mit Bezügen zur Aktualität angereichert, überzeugt durch die Darbietungen der Artistin/Vertikalkünstlerin/Feuerartistin (Azucena Fabbri) und des Artistenkind (Neil Fabbri), sei es als Artisten oder als Pudel-Duo…
Durchgehend hervorragend besetzt sind die solistischen Rollen. Evgenia Grekova überzeugt mit vollem, runden, nie scharfen Sopran als Marie. Nazariy Sadivskyy, der sein Dorf im jugendlichen Alter verlassen hat, als Zimmermann auf die Walz ging und nun zurückgekommen ist, brilliert mit wunderbaren Höhen und intensivem Spiel.
Andries Cloete als Wenzel; Foto: © Janosch Abel.
Höhepunkt des Abends ist der Wenzel von Andries Cloete. Mit traumhafter Sicherheit zeichnet er mit seinem prächtigen, hellen Tenor den dörflichen Aussenseiter, wie Smetana ihn sich vorgestellt haben könnte. Philipp Mayer gibt einen prächtigen Kecal, der auch auf Grund seiner Jugendlichkeit durchaus an Rossinis Figaro erinnert. Florian Marignol und Sarah Mehnert sind Krušina und Ludmila, die Eltern von Marie, und Young Kwon und Claude Eichenberger stehen als Micha und Hata, Eltern von Hans und Wenzel auf der Bühne. John Uhlenhopp, Orsolya Nyakas und Salvador Pérez ergänzen das formidable Ensemble als Direktor, Esmeralda und Indianer.
Auf nach Bern! Es wartet ein rundum beglückender Abend.
Jan Krobot/ Zürich
Weitere Aufführungen:
Sa, 21. März 2020, 19:30 – 22:10, Stadttheater;
So, 05. April 2020, 18:00 – 20:40, Stadttheater;
Do, 09. April 2020, 19:30 – 22:10, Stadttheater;
Do, 23. April 2020, 19:30 – 22:10, Stadttheater;
So, 26. April 2020, 16:00 – 18:40, Stadttheater;
Mi, 29. April 2020, 19:30 – 22:10, Stadttheater;
So, 10. Mai 2020, 18:00 – 20:40, Stadttheater;
Di, 19. Mai 2020, 19:30 – 22:10, Stadttheater;
Di, 09. Juni 2020, 19:30 – 22:10, Stadttheater;
So, 21. Juni 2020, 18:00 – 20:40, Stadttheater.