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BERN/ Konzert Theater: DIE FLEDERMAUS. Berner Fassung in einer reduzierten Version. Premiere

03.05.2021 | Oper international

JOHANN STRAUSS: DIE FLEDERMAUS – Konzert Theater Bern, Stadttheater, Premiere: 02.05.2021

Berner Fassung in einer reduzierten Version

Glücklich ist, wer geniesst, was doch nicht zu ändern ist

Nach gut sechs Monaten Zwangspause startet die Musiktheatersparte mit der «Mutter aller Operetten» erfolgreich ihren Spielbetrieb. Die Inszenierung von Alexander Kreuselberg hält sich an die Vorgaben des Libretto und setzt interessante Akzente. Auch unter Corona-Bedingungen ist die Aufführung ein wahres Vergnügen!

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Foto: Annette Boutellier

Regisseur Alexander Kreuselberg verlegt seine Inszenierung in die 1910er-Jahre, die Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg, als die von Haffner und Genée beschriebene Gesellschaft kaum noch dekadenter werden konnte. Die zeitliche Verlegung wie auch der zusätzliche Geschlechterwechsel des Prinzen Orlofsky, die Hosenrolle ist klar ersichtlich weiblich angelegt, und die Gefängniswärterin Frosch aktualisieren die Sozialkritik, machen sie Nicht-Wienern verständlicher, ohne dem Libretto zuwider zu laufen. Frank Lichtenberg hat Kreuselberg dazu grandiose Bühnenbilder geschaffen. Der grosszügige Salons ist zweigeschossig in ländlichem Jugendstil: die zweiflüglige Treppe lässt bestens für das komische Spiel nutzen. Der Ball bei Orlofsky ist eine Motto-Party «Unter Wasser» und so ist sein Palast als Unterwasserwelt gestaltet. Die Fels-Kulissen, die farbenfrohen Kostüme des Chors und das an die Decke projizierte bewegte Wasser ergeben in Kombination mit der Beleuchtung von Bernhard Bieri faszinierende Eindrücke. Das Gefängnis ist «klassisch» gestaltet: sechs freistehende einzelne Gitterkäfige, staubige Aktenberge und ein Pult mit Stuhl für Frosch. Die Stahltür mit Riegel und Schiebeluke im Hintergrund wird rege für Auftritte und Abgänge benutzt.

Die Fledermaus | Konzert Theater Bern
Foto: Annette Boutellier

Da die Pandemie noch keine Aufführungen ohne Einschränkungen zulässt, haben Roger Niese und Enrico Delamboye für die aktuellen Aufführungen die «Berner Fassung in einer reduzierten Version» geschaffen: Das Orchester ist auf 16 Musiker reduziert und der Chor wird eingespielt und agiert «nur» szenisch. Lobend zu erwähnen ist, dass die Dialoge wohltuend wenig auf die Pandemie Bezug nehmen. Die Reduktion des Orchesters bringt keinerlei Einbussen, sondern wirkt sich unerwartet positiv aus: der Klang läuft nicht Gefahr ins Breiige abzurutschen und die einzelnen Instrumente sind immer perfekt hörbar. Die Mitglieder des Berner Symphonieorchesters unter Leitung von Enrico Delamboye nutzen die Chance und brillieren mit höchst aufmerksamem, klarem Spiel. Die Chorpassagen wurden unter Wahrung der Corona-Vorschriften aufgezeichnet und werden eingespielt. Der Chor Konzert Theater Bern (Leitung: Zsolt Czetener) kann sich ganz auf die Tänze (Choreographie: Vanni Viscusi) auf Orlofskys Ball konzentrieren und die gelingen absolut grossartig. Bravi!

Die Fledermaus | Konzert Theater Bern
Foto: Annette Boutellier

Beau Gibson gibt einen stimmkräftigen, darstellerisch zurückhaltenden Gabriel von Eisenstein. Sofie Jensen singt eine intensive Rosalinde Philipp Mayer beeindruckt mit schönem Bariton und perfekter Sprechstimme. Den dritten Akt macht er so zu seinem grossen Auftritt. Sarah Mehnerts Rolle des Prinzen Orlofsky wird zur Prinzessin Orlofsky: Sie ist als Frau nicht nur wirtschaftlich emanzipiert, sondern hat sich auch von den gesellschaftlichen Normen der Vorkriegszeit emanzipiert. Hoch geschlossene Kleider sind ihr Ding nicht. Nazariy Sadivskyy brilliert als Alfred und begeistert mit Einlagen aus «Rigoletto», «La Traviata» und einem wunderbar vorgetragenen «Nessun dorma». Todd Boyce und Andries Cloete erweisen sich mit den mustergültigen Interpretationen der Doktores Falke und Blind einmal mehr als Säule des Ensembles und punkten gerade auch in Sachen Bühnenpräsenz und Textverständlichkeit. Réka Szabó gibt eine Adele, die mit beiden Beinen im Leben steht. Vesela Lepidu singt ihre Schwester Ida. Irina Wrona gibt der Rolle des Frosch, Gefängnisdirektor Frank nennt sie liebevoll Froscherl, ein durch und durch sympathisches Profil. Findet Froscherl in einem der seltenen Momente Zeit für ein kurzes Nickerchen, so hängt sie sich mit den Beinen am oberen Rand eines der Gitterkäfige ein. Sie schläft von der Decke hängend – wie eine Fledermaus.

Perfekte Unterhaltung!

Weitere Aufführungen:

Di, 04. Mai 2021, 19:30, Stadttheater; Sa, 08. Mai 2021, 19:30, Stadttheater;

So, 16. Mai 2021, 18:00, Stadttheater; Di, 18. Mai 2021, 19:30, Stadttheater;

Sa, 29. Mai 2021, 19:30, Stadttheater.

 

03.05.2021, Jan Krobot/Zürich

 

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