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BERN/Bühnen (Oper): „SIEGFRIED“. Derniere

23.06.2024 | Oper international

Bern / Bühnen-Oper: „SIEGFRIED“ – Derniere 21.06.2024

lewis
Copyright: Rob Lewis

Wollte ich´s nach der Premiere im April (Merker 05/2024) der Szene wegen beim einmaligen Besuch belassen, juckte mich erneut das Fell und ich musste nochmal hin zur letzten Aufführung. Sperrte der Augen trübes Paar sowie die elektronisch verstärkten Lauscher weit auf, blendete das überflüssige Personen- und Ballett-Spektakel weitgehend aus, konzentrierte mich lediglich auf die musikalischen Komponente und wurde reichhaltig, überschwänglich belohnt, gewann den Eindruck zur letzten Vorstellung waren alle Künstler*innen geradezu euphorisch motiviert, ließen sich zu optimalen Höchstleistungen hinreißen und verliehen dem Abend Glorie, die Aura des Außergewöhnlichen.

Unglaublich steigerte sich Jonathan Stoughton in die Verkörperung des Jung-Siegfrieds, schenkte dem unbekümmerten Naturburschen glaubwürdige ungekünstelte Natürlichkeit.

Vom ersten bis letzten Jubel-Ton ließ der exzellente Tenor  sein prächtiges heldisches Material schonungslos voll Power erklingen. Wie viel Belkanto in Wagners Werken zu vernehmen ist und ganz speziell im Siegfried, legte Stoughton auf wunderbare Weise dar, changierte mit dunklen, weichen Couleurs seines herrlichen Timbres, schwelgte in Lyrismen, steigerte sich insbesondere im dritten Aufzug mit seiner exzellenten Partnerin  ekstatisch in die unendlichen Weiten des Eros-Kosmos, erzeugten beim Zuhörer Wonneschauer pur,  die erwünschte Seligkeit, stumm und staunend saß ich da und vergaß schier das Atmen.

Auf gleichem hohen Weltklasse-Niveau bot Stéphanie Müther Siegfried Paroli. Brünnhildes Erwachen glich vokal zur Textur einem hellen Sonnenstrahl, versah die zur Liebe erweckte Walküre mit herrlich ausladendem, alles überstrahlendem Sopran sowie einer Fülle vokalen Wohllauts. Großartig verband die intelligente Sängerin in ultimativer Dichte warme Goldtöne, legatoreiche Piani mit silbernem Höhenglanz und umriss unverwechselbar die göttliche Provenienz. In warmen Farben des Mittelbereichs unterstrich Müther aussagekräftig sanglich  die neu gewonnene Weiblichkeit auf wunderbare Weise, eine mustergültige Interpretation. Bravo!

Wiederum betörte mit weich strömend-pastosem Altregister Freya Apfellstaedt als sehr präsente Erda. Hellstrahlend zwitscherte ebenso Patricia Westley als Waldvogel munter drauflos.

Darstellerisch, statuarisch in jeder Hinsicht von göttlichem Format phrasierte mit Präzision Claudio Otelli  einen  imposanten Wanderer. In bester Diktion modulierte der sympathische Bassbariton die Gesangslinie mit gefühlvollen Nuancen. Vortrefflich mit markantem Bariton imponierte wieder Zoltan Nagy als intensiver Alberich. Formativ präsentierte wiederum Thomas Ebenstein den Mime in gestalterischer Beweglichkeit, vokal jedoch behandelte der Tenor mit auftrumpfenden Qualitäten die Intonation zuweilen jenseits der Toleranzgrenze. Mit klangvollem Basspotenzial ergänzte der  neue Fafner (Christian Valle) das hervorragende Ensemble.

GMD Nicholas Carter zauberte mit dem bestens disponierten Berner Symphonieorchester glutvolle funkelnde Farben in die narkotische Wagner-Partitur, kostete die orchestralen Kontraste von unheilvoll tiefer Instrumentierung und luftig leicht flirrenden Höhenflügen spannungsvoll aus. Koordinierte mit temperamentvoller Klarheit die kammermusikalischen wie großartigen Sediments genüsslich  zu Wagners phänomenaler Erzähltaktik.

Das Publikum im nur zu zwei Drittel besetzten Haus feierte alle Beteiligten vehement mit lautstarker Begeisterung.                                                 

Gerhard Hoffmann

 

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