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BERN/ Bühnen: „IDOMENEO“. Sturm im Schnürboden. Premiere

07.02.2022 | Oper international

Wolfgang Amadeus Mozart: Idomeneo • Bühnen Bern • Premiere: 06.02.2022

Koproduktion mit der Opéra national de Lorraine, Nancy

Sturm im Schnürboden

Die Premiere von Mozarts Schlüsselwerk «Idomeneo» an den Bühnen Bern ist Miloš Lolić erste Opernregie und als solche durchaus gelungen. Von groben handwerklichen Patzern und regietheatralen Umdeutungen bleibt das Publikum verschont. Musikalisch überzeugt der Abend auf ganzer Linie.

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Foto © Florian Spring

Miloš Lolić betont in seiner Inszenierung die Konfrontation von Alt und Neu, von Absolutismus und Aufklärung, den Versuch der Protagonisten, die Lasten und die Logik des Kriegs abzulegen, sich aus den althergebrachten Strukturen zu befreien und die Vision einer auf Liebe basierenden Zukunft umzusetzen. Lolić hält sich dabei an das Libretto und lässt die Geschichte als Versuchsanordnung in einem «White Cube» spielen (Bühne: Wolfgang Menardi). Dieser neutrale, weisse Raum wird von einer ganz in Schwarz gehaltenen Bühne, die das Residenztheater als Ort der Uraufführung von «Idomeneo» zitiert, und diversen Prospekten, die meisten barock gehalten, aber auch eine Collage von Fischen und Meeresfrüchten als Chiffre für das Meer, dominiert. Hierfehlt es leider an der Nachvollziehbarkeit, nach welchen Kriterien die einzelnen Szenen auf der schwarzen Bühne oder im White Cube stattfinden. Der Sturm wird durch das wilde Hoch- und Runterfahren der Prospekte und der Bühnenkonstruktion angedeutet. Der Effekt ist allerdings sehr schnell abgenutzt und wüsste man nicht von der noch nicht allzu lang zurückliegenden Renovation der Bühnentechnik, fürchtete man um den Schnürboden. Die Kostüme (Jelena Miletić) ordnen die Figuren anfänglich Alt (antikisierend) und Neu (Idamante trägt ein Mix von Schuluniform und Matrosenanzug) zu und gehen dann mit dem Näherrücken der vermeintlichen Utopie immer mehr in Richtung «Make love, not war».

Musikalisch hält die Aufführung den hohen Standard, den das Berner Theater in den letzten Jahren erreicht hat. Das Berner Symphonieorchester unter Leitung des Chefdirigenten der Oper Bern und Co-Operndirektor Nicholas Carter spielt hochkonzentriert einen wunderbar farbigen, saftigen, kräftigen Mozart. Ein besonderes Lob an diesem Abend verdienen die herrlichen Holzbläser. Der von Zsolt Czetner einstudierte Chor der Bühnen Bern singt mit Masken und erledigt seine Aufgaben tadellos.

Attilio Glaser gibt den Idomeneo mit kräftigem, höhensicherem, wohlklingendem Tenor. Evgenia Asanova überzeugt mit wunderbarem Mezzosopran in der Hosenrolle des Idamante und ist in dieser Regiekonzeption die Idealbesetzung. Giada Borrelli singt die Ilia mit viel Wärme und jugendlich frischem, klaren Sopran. Dazu passt als Kontrast bestens der etwas reifere, dramatischere Sopran von Masabane Cecilia Rangwanasha als Elettra. Filipe Manu als Arbace/Gran Sacerdote und Christian Valle als Voce ergänzen das vorzügliche Ensemble.

Musikalisch wie szenisch ein herrlich frischer «Idomeneo».

Weitere Aufführungen:
Sa 19. Feb., 19:30; So 27. Feb., 18:00; So 06. März, 16:00; Sa 12. März, 19:30; Di 22. März, 19:30;

Sa 26. März, 19:30; So 10. April, 18:00; So 24. April, 18:00; Di 26. April, 19:30; Sa 04. Juni, 19:30;

So 12. Juni, 18:00.

07.02.2022, Jan Krobot/Zürich

 

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