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BERN/ Bühnen: DON CARLOS. Derniere. Es dominieren die Egos und nicht das Werk: Regietheater!

29.01.2022 | Oper international

Giuseppe Verdi: Don Carlos • Bühnen Bern • Dernière: 29.01.2022

(12. Vorstellung • Premiere am 16.10.2021)

Es dominieren die Egos und nicht das Werk: Regietheater!

Die musikalische Qualität einer Produktion verbessert sich im Laufe einer Aufführungsserie in aller Regel. Bei der Inszenierung ist das bis jetzt noch nicht vorgekommen.

berca

Foto © Janosch Abel

Positiv festzuhalten ist, dass die Schweizer Opernliebhaber in der laufenden Saison in den Genuss von gleich zwei Produktionen von Verdis «Don Carlos» kommen. Die Produktion am Theater Basel hat am 13. Februar 2022 ihre Premiere. Die Produktion der Bühnen Bern ist abgespielt und bietet Gelegenheit zum Rückblick.

Das Berner Symphonieorchester unter Leitung seines Chefdirigenten Nicholas Carter spielt eine zündenden, mitreissenden, hervorragend konturierten Verdi. Besonders beeindruckt haben an diesem Abend die herrlichen Streicher. Der von Zsolt Czetener einstudierte Chor der Bühnen Bern hat seine Aufgabe mit grosser Spielfreude erledigt. Die Schönheit des Klangs und die Textverständlichkeit (trotz Auftretens mit Maske) haben von Mal zu Mal zugenommen. Bravi!

Vazgen Gazaryan gab mit elegantem Charakter-Bass den Philippe II. Der kurzfristig für Raffaele Abete eingesprungene Tadeusz Szlenkier sang den Don Carlos vom Bühnenrand aus, Regieassistent und Abendspielleiter Alexander Kreuselberg verkörperte den Don Carlos auf der Bühne. Szlenkiers Tenor steht ein weites Spektrum von samtweichen lyrischen Tönen bis zu heldenhafter Attacke zu Verfügung und so konnte er dem Publikum eine interessante Interpretation bieten. Gustavo Castillo hat im Laufe der Serie immer besser in die Rolle des Rodrigue gefunden und konnte an diesem Abend mit der rundum gelungenen Interpretation im Stile eines grossen Verdi-Baritons begeistern. Matheus França war mit wunderbar dunklem Bass szenisch der Dominator und musikalisch ein würdiger Partner Philipps II. Masabane Cecilia Rangwanasha als Elisabeth hat von Mal zu Mal mit immer differenzierteren, gefühlvolleren Interpretationen überzeugt. Die gross gewachsene Jordanka Milkova als Eboli war optisch kein «typischer» Mezzo, stimmlich dafür umso mehr. Julia Anderson gab einen szenisch zurückhaltenden Thibault: angesichts des «Initiationsrituals», das er (der Page Thibault) erdulden muss, kein Wunder. Die flämischen Gesandten sind mit Kimon Barakos, Vinicius Costa da Silva, Christoph Engel, Félix Le Gloahec, Yurii Strakhov und Jiachewng Tan endlich einmal so besetzt, dass man ihn den Freiheitskampf auch abnimmt. Giada Borelli als Eine Stimme von oben, Christian Valle als Ein Mönch, Filipe Manu als Graf Lerma, Michał Prószyński als Ein königlicher Herold und György Antalffy, Iyad Dwayer, Chanho Lee und Louis Morvan als Mönche ergänzen das Ensemble bestens.

Marco Štormans Regie bleibt auch bei der Dernière der Berner Produktion wenig überzeugend. Die zeitgeistige Umdeutung zum Befreiungsschlag von Elisabeth, Eboli und dem aus Unkenntnis der Institution des Pagen (Edelknabe, der bei einem Ritter sein Handwerklernte) Frau gewordenen Thibault bleibt ein Fall für sich. Eine Personenführung ist kaum auszumachen (gut, das mag pandemiebedingt sein) und die für die Gattung der Grand Opéra charakteristischen Kontraste der Szenen werden durch ausbleibende Vorhänge gnadenlos nivelliert. Wie unmusikalisch muss man sein, den Chor während des Beginns von «Elle ne m’aime pas» abtreten zu lassen? Allein schon der Respekt vor den ausführenden Künstlern hätte hier eine Pause geboten. Der schwarze Bühnenraum mit den schwarzen und farbigen Stoffbahnen sagt wenig (über das Werk) aus und lässt viel offen (Bühne: Frauke Löffel). Das Spektrum der Kostüme (Axel Aust) reicht von wenig ästhetisch bis verheerend (zu Ostern gibt es wieder diese grossen mit Pralinen gefüllten Schokoladeneier zu kaufen…). Es dominieren die Egos und nicht das Werk: Regietheater!

Keine weiteren Aufführungen.

30.01.2022, Jan Krobot/Zürich

 

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