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BERN/ Bühne: IPHIGÉNIE EN TAURIDE. Die ideale Erfüllung der Gluckschen Forderung nach echten Gefühlen statt blosser Virtuosität

26.05.2023 | Oper international

Christoph Willibald Gluck: Iphigénie en Tauride • Bühnen Bern • Vorstellung: 25.05.2023

(2. Vorstellung • Premiere am 14.05.2023)

 Koproduktion mit der Opéra National de Lorraine Nancy

Die ideale Erfüllung der Gluckschen Forderung nach echten Gefühlen statt blosser Virtuosität

Die Musiktheater-Sparte von Bühnen Bern beendet die laufende Saison mit einer Produktion von Glucks Opus summum. Die Übernahme von der Opéra National de Lorraine Nancy bietet einen spannenden Musiktheater-Abend.

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Foto © Janosch Abel

 Sebastian Schwab (Musikalische Leitung) legt bei seiner Interpretation starkes Gewicht auf das Orchester als Spiegel des Bühnengeschehens. Mit dem wunderbar schlank aufspielenden Berner Symphonieorchester gelingt es Schwab die Spannungsbögen derart zu legen, dass die Spannung nie nachlässt und die Sänger die ideale Basis für ihre Rollengestaltung haben. Schon die eröffnende Sturmszene gelingt aussengesprochen farbenreich und eindrücklich. Auch im weiteren Verlauf des Abends sind die Tempi und Lautstärke hervorragend austariert, so dass die Sänger nie Gefahr laufen , zugedeckt zu werden.

Erneut in Höchstform präsentiert sich der von Zsolt Czetner grossartig einstudierte Chor der Bühnen Bern. Besonders den Damen gelingen an diesem Abend mehrfach traumhafte Momente.

Masabane Cecilia Rangwanasha hat sich mit der Iphigénie eine für ihre Stimme ideale Partie erschlossen. Mit vollem, leicht in Richtung Mezzo abgedunkelten Sopran gelingt ihr eine in jedem Moment ehrlich und echt wirkende Interpretation von immenser Bühnenpräsenz. Bariton Robin Adams gibt den Thoas mit eindrücklichen Tiefen und wunderbar voller Stimme. Auch er findet das richtige Mass an Dramatik, so dass der König der Skythen immer glaubwürdig wirkt. Jonathan McGovern ist ein heldentenoral strahlender Oreste, der sich aber auch wunderbar zurücknehmen kann. Michał Prószyński bewältigt die Höhen des Pylade souverän. Die Stimmen von McGovern und  Prószyński harmonieren ideal. Das Quartett der Hauptpartien besticht mit seiner Bühnenpräsenz und der idealen Erfüllung der Gluckschen Forderung nach echten Gefühlen statt blosser Virtuosität. Katharina Willi als Première Prêtresse und Diane, Lucija Ercegovac als Deuxième Prêtresse und Femme grecque und Kai Wegener als Le ministre du sanctuaire und Un Scythe ergänzen das Ensemble. Um die Handlung verständlicher zu machen, wird die Familie Iphigénies stumm dargestellt: Samuel Thompson ist Agamemnon, Kate McNamara ist Clytemnestre, Medan Jamila Messerli ist Iphigénie enfant und Sebastiano Delano Sorpresi ist Oreste enfant.

Silvia Paoli (Regie) legt in ihrer Inszenierung den Fokus auf die Psychologie und inneren Konflikte der Figuren. Entsprechend geführt ist vor allem Iphigénie mit ihren Griechinnen, die das Gefangen sein in der Vergangenheit, in den Erinnerungen ganz wunderbar darstellen und in den wenigen Momenten positiver Erinnerung mit entsprechend lyrischen Passagen brillieren. Die Befreiung am Schluss nutzen sie, um sich genüsslich ihrer Kopfbedeckungen zu entledigen. Die Skythen sind als die Buchhalter der Gewalt gezeigt und die Angst vor den Göttern strömt Thoas aus jeder Pore. Dazwischen agiert das Freundespaar Orest und Pylade. Die Bühne von Lisetta Buccellato entspricht dann nicht so ganz dem im Programmheft geäusserten «Es könnte irgendwo zu irgendeiner Zeit sein»: Zu deutlich sind die Hinweise auf die 50er- und 60er-Jahre. Das Überschneiden von Gegenwart und Vergangenheit ist mit zwei Etagen gut gelöst: unten ein eher allgemeiner Raum, oben das, was heile Welt sein sollte. Die Kostüme von Alessio Rosati sind schlicht gehalten und gut auf die Figuren abgestimmt. Fiammetta Baldiserri setzt das Ganze gekonnt ins rechte Licht.

Ein spannender Musiktheater-Abend, den zu erleben es sich auf jeden Fall lohnt!

Weitere Aufführungen:

Sa. 03.06.23, 19:30; Di. 06.06.23, 19:30; Mi. 14.06.23, 19:30; Fr. 16.06.23, 19:30; So. 18.06.23, 18:00; So. 25.06.23, 18:00.

26.05.2023, Jan Krobot/Zürich

 

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