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BERN: Adolf Müller: Wiener Blut • Berner Sommer-Operette

05.09.2024 | Operette/Musical

Adolf Müller: Wiener Blut • Berner Sommer-Operette • Vorstellung: 01.09.2024

(2. Vorstellung • Premiere am 30.08.2024)

Operette, wie man sie sich wünscht:  Unbeschwertheit, Lebensfreude und Frivolität

Es ist ein gerades Kalenderjahr und so begeistert die Berner Sommer-Operette mit einer fulminanten szenischen Produktion von «Wiener Blut» mit Musik von Johann Strauss. Szenisch wie musikalisch bleibt nichts zu wünschen übrig.

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Foto © Berner Sommer-Operette

«Wiener Blut» ist eine der am häufigsten gespielten Strauss-Operetten. Im Unterschied zu «Die Fledermaus» oder «Eine Nacht in Venedig» war Johann Strauss Sohn hier nicht direkt beteiligt. Adolf Müller der Jüngere (1839-1901), Operetten-Komponist, Kapellmeister unter anderem am Theater an der Wien und vor allem versierter Theater-Praktiker, hat die Musik aus Strauss reichem Oeuvre zusammengestellt. Das Libretto, auf das normalerweise die Musik komponiert wird und nicht wie hier umgekehrt, stammt von den Bühnenprofis Victor Léon (1858-1940) und Leo Stein (1861-1921), bewährten Meistern ihres Fachs, die gemeinsam zu Lehárs Welterfolgen beitrugen. Ähnlich wie «La Traviata» oder «Carmen» fiel «Wiener Blut» bei der Uraufführung durch. Nachdem das Theater an der Wien und dessen Direktorin Alexandrine von Schönerer das Interesse verloren hatte, konnte das «Wiener Blut» den Konkurs des Carl-Theaters und den Suizid dessen Impresarios Franz Jauner nicht verhindern, wurde dann aber zum Welterfolg. Dazu trugen der eingängige, geheimnisvolle Titel und die Unbeschwertheit, Lebensfreude und Frivolität, in erster Linie aber natürlich Strauss unsterbliche Musik bei.

Das Orchester der BernerSommerOperette unter Michael Kreis spielt hochkonzentriert und bringt das Best of der Straussschen Melodienrhythmisch prägnant mit vielen Farben zum Klingen. Es geht völlig vergessen, und das ist in diesem Fall das grösstmögliche Kompliment, wie schwierig das vermeintlich Einfache zu spielen ist. Der Chor der BernerSommerOperette ist mit grosser Spielfreude und purem Wohlklang am Werk, perfekt choreographiert von Stefanie Verkerk und Martin Schurr.

Andrea Suter gibt eine stimmstarke, mit Farbreichtum bezaubernde Gabriele Gräfin von Zedlau. Ulla Westvik bereichert die Rolle der Probiermamsell Pepi Pleiniger mit atemberaubenden Koloraturen.

Und Stephanie Bühlmann bezaubert mit ihrer Natürlichkeit als Demoiselle Franziska Cagliari. Raimund Wiederkehr gibt Balduin Grad Zedlau mit herrlich strahlendem, sensibel geführtem Tenor. León Emanuel Moser überzeugt als Fürst von Ipsheim Gyndelbach mit einem herrlichen Charakter-Bariton und Erwin Hurni agiert als Kammerdiener Josef auf Augenhöhe. Schauspieler Yves Ulrich verleiht der Sprechrolle des Karussellbesitzers Kagler einen überzeugend knorrigen Charakter.

Die Co-Regie von Simon Burkhalter und Linda Trachsel überzeugt mit ihrer sensiblen Personenführung, die die Irrungen und Wirrungen des Stückes szenisch bestens verständlich aufschlüsselt, und Anlehnungen an den Aufführungsort. So stammen die Demoiselle Franziska Cagliari und ihr Vater, der Karussellbesitzer Kagler. Und Sittenwächter Fürst von Ipsheim Gyndelbach sächselt wie weiland Richard Wagner. Mit zwei Podesten auf der Bühne ergeben sich drei parallel bespielbare Ebenen (Bühne: Simon Burkhalter). Die Kostüme von Sarah Bigler spielen gekonnt mit den Stilen von Biedermeier und Jahrhundertwende.

Operette, wie man sie sich wünscht: Absolute Empfehlung!

Weitere Aufführungen: 4., 6., 8. und 11. September 2024

04.09.2024, Jan Krobot/Zürich

 

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